Cleantech-Startup Emrod hat Technologie zur kabellosen Stromübertragung fit für Kommerzialisierung gemacht. Power Beaming Demonstration mit Airbus bei der ESA in München.
Die Stromübertragung über lange Distanzen hat sich seit Edison, Siemens und Westinghouse vor 150 Jahren kaum verändert: Strommasten und Kupferkabel sind die wesentlichen Elemente. Im August 2020 probierte ein neuseeländischer Energieversorger erstmals die kabellose Stromübertragung aus – und knüpfte damit an die Visionen und Arbeiten von Erfinder Nikola Tesla an. Ermöglicher war das Cleantech-Startup Emrod, das die aus dem militärischen Umfeld bekannte Technologie entscheidend weiterentwickelt hat.
Es war einst der Traum der drahtlosen Stromübertragung auf der ganzen Welt, die Erfinder Nikola Tesla in den 1890er Jahren antrieb. Er schaffte die Sensation und brachte Glühbirnen aus großer Entfernung mit einer gewaltigen Tesla-Spule zum Leuchten. Allerdings war Teslas Erfolg nicht nachhaltig: Bei seinen Versuchen brannte der Dynamo des örtlichen Kraftwerks durch – und sorgte so für einen Stromausfall in Colorado Springs.
Trotz der Probleme: Der Beweis war erbracht, dass kabellose Stromübertragung über lange Distanzen mit dem Tesla-Strahl oder Tesla-Beam funktionieren kann. Teslas Traum war es fortan, riesige Türme auf der ganzen Welt zu errichten, die drahtlos Strom an jeden Punkt der Erde übertragen und damit Häuser, Unternehmen, Industrien oder sogar riesige Elektroschiffe auf dem Ozean mit Strom versorgen zu können. Doch Star-Investor J.P. Morgan kippte diese Idee schroff: „Wo kann ich den Zähler hinstellen?“
Jetzt, mehr als ein Jahrhundert später, schickt sich das Clenatech-Startup Emrod an, in Teslas Fußstapfen zu treten, und die kabellose Stromübertragung kommerziell – zumindest für erste Anwendungsbereiche – verfügbar zu machen. Emrods Technologie braucht hierzu lediglich feste Start- und Zielpunkte, die in einer klaren Sichtverbindung zueinander positioniert sind.
Power Beaming baut auf Tesla- und NASA-Technologie auf
Emrod hat die kabellose Stromübertragung damit nicht neu erfunden – auch die NASA und das Militär haben ähnliche verfahren immer wieder eingesetzt. Allerdings lag der Fokus dabei einzig und alleine auf der tatsächlichen Umsetzung einer Lösung, nicht darauf, sie durch entsprechende Effizienz auch kommerziell verfügbar zu machen.
Das Cleantech-Startup Emrod entstand in Neuseeland, hat mittlerweile neben seinem Forschungssitz in Auckland sein Hauptquartier nach Palo Alto verlegt. Die nächsten Schritte geschehen aber auf der Insel: Der im Land große Energieversorger Powerco investiert in Emrod und will im kommendes Jahr gemeinsam mit dem Unternehmen eine Pilotanlage bauen. Die Hoffnung: Mit der Emrod-Technologie lassen sich große Strommengen effizienter von A nach B bringen als mit dem klassischen Kupferkabel.
Wir sind daran interessiert zu sehen, ob die Technologie von Emrod die etablierten Wege, auf denen wir Strom liefern, ergänzen kann. Wir beabsichtigen, sie für die Stromversorgung an abgelegenen Orten oder in Gebieten mit schwierigem Gelände einzusetzen.
Nicolas Vessiot, Network Transformation Manager bei Powerco
Wie weit ist die Emrod-Technologie?
Bei der Emrod-Technologie wird die Energie durch elektromagnetische Wellen über weite Entfernungen übertragen. Zum Einsatz kommt eine Sendeantenne, eine Reihe von Relais und eine Gleichrichterantenne, die Mikrowellenenergie in Elektrizität umwandeln kann (Rektenne). Ihre Strahlen nutzen das nicht-ionisierende, industrielle, wissenschaftliche und medizinische Frequenzband des Funkspektrums, einschließlich der Frequenzen, die üblicherweise für Wi-Fi und Bluetooth genutzt werden.
Die Übertragung findet ausschließlich gerichtet zwischen zwei Antennen statt. Der Tesla-Strahl wird von einer Art Laservorhang geschützt: Sobald ein Vogel oder eine Drohne in den Strahl gerät, wird die Übertragung unterbrochen.
Materialinnovation ermöglichte Durchbruch
Entscheidend für die Effizienzsteigerung und Weiterentwicklung der einst militärisch genutzten Technologie sei das Aufspüren neuer Materialien gewesen, die es erlauben, Energie sehr effizient wieder in Elektrizität zu wandeln. Emrod verwendet elektromagnetische Metamaterialien, die eng mit dem Material verwandt sind, aus denen die Beschichtungen von sogenannten Stealth-Flugzeugen bestehen. Dieses Material verändert sich, sobald es Strahlungen ausgesetzt wird.
Stehen die Antennen auf Türmen, kann die Stromübertragung quasi verlustfrei über 100 Kilometer oder mehr erfolgen, so Emrod. Sowohl das notwendige Relais als auch der Empfänger arbeiten dabei ausgesprochen effizient: praktisch verlustfrei. Der Sender allerdings verbraucht Energie und drückt den Wirkungsgrad auf ungefähr 70 Prozent – damit ist die Emrod-Technologie dem Kupferkabel heute noch unterlegen.
Für welche Anwendungen eignet sich die Lösung?
Interessant ist die Technik aber heute schon dann, wenn das Verlegen und die Wartung von Leitungen so aufwändig sind oder etwa Eingriffe in Wälder oder Naturschutzgebiete erfordern würden, Eine Idee ist es auch, die Energie aus Offshore-Windparks so kabellos ans Festland zu übertragen – das würde erheblich Zeit und erhebliche Kosten einsparen.
Aus Sicht der Emrod-Gründer ist auch die Versorgung von Inseln oder entlegenen Gebieten mit der Technologie eine Option. Allerdings gibt es hier mit Brennstoffzellen und Speicherlösungen mittlerweile auch zuverlässige Lösungen, die ein Stromnetz überflüssig machen. In Afrika beispielsweise sorgt Africa Greentec für das „Leapfrogging“ ganzer Dörfer: Sie werden mit Solarenergie versorgt und überspringen sozusagen das Zeitalter, in dem die Energie zentral erzeugt und dann über Stromleitungen verteilt wurde.
Aus deutscher Sicht könnte die Technologie helfen, die Debatten um große Stromtrassen vom Norden nach Süden und Westen zu beschleunigen und zu vereinfachen. Wird die Energie beispielsweise im Thüringer Wald quasi ohne Eingriff in die Natur übertragen, wäre das ein Game-Changer für die Energiewende. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
Solar Power Beaming-Demonstration mit Airbus
Am 27. September 2022 machte die Stromübertragungs-Technologie einen bedeutsamen Fortschritt. Emrod präsentierte die Technologie gemeinsam mit der Europäischen Weltraumorganisation ESA, Airbus und Technocarbon. Denn: Durch das Power Beaming des Stroms ist auch die weltraumgestützte Solarenergieanwendung (SBSP) möglich. Damit ist gemeint, Solarenergie mit schwebenden Solarkraftwerken im Weltraum zu produzieren, um diese Energie auf der Erde aufzufangen und nutzbar zu machen.
Das Power Beaming-System von Emrod, das auf dem Airbus-Gelände in München gezeigt wurde, strahlte mit einer quadratischen Phased-Array-Sendeantenne mit einem Durchmesser von 1,92 Metern und einer ähnlich großen Empfangsantenne drahtlos Strom über 36 Meter mit einer Frequenz von 5,8 Gigahertz aus.
„Weltraumgestützte Solarenergie hat das Potenzial, einen bedeutenden Beitrag zu einem ausgewogenen Portfolio sauberer Energielösungen zu leisten, die erforderlich sind, um die Netto-Null-Ziele der EU und der ESA-Mitgliedstaaten für 2050 zu erreichen. Die ESA freut sich, mit Emrod zusammenzuarbeiten, um die drahtlose Energieübertragung als eine aufstrebende Technologie zu präsentieren, die das Potenzial hat, die Herausforderungen der Nachhaltigkeit im Energie- und Raumfahrtsektor zu lösen“, sagt Torben Henriksen, amtierender Direktor für Technologie, Technik und Qualität der ESA.
Während das Konzept der weltraumgestützten Solarenergie auf bestehenden technologischen Prinzipien beruht, bestand eine der Herausforderungen bisher darin, die im Weltraum erzeugte Energie kostengünstig zur Erde zu transportieren und dort zu nutzen. Die Lösung von Emrod könnte diese Herausforderung überwinden und der ESA dabei helfen, den erforderlichen Wirkungsgrad bei der drahtlosen Energieübertragung zu erreichen.
ESA und Airbus sind davon überzeugt, dass die kommerzielle weltraumgestützte Solarenergie, die mit Hilfe von Satelliten im Weltraum, wo sie rund um die Uhr reichlich vorhanden ist, eingefangen und drahtlos zum Boden übertragen wird, den Übergang zu einer nachhaltigen Energieversorgung unterstützen und die europäischen Ziele für einen Netto-Null-Emissionsausstoß bis 2050 erreichen könnte.
„Die Welt hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2050 einen Netto-Null-Emissionsausstoß zu erreichen – ein schwieriges Ziel, wenn man die Leistung der derzeitigen und in naher Zukunft verfügbaren Energietechnologien berücksichtigt. Wir freuen uns, in Zusammenarbeit mit der ESA und Airbus zur Kommerzialisierung der Power-Beaming-Technologie für weltraumgestützte Energieinfrastrukturen beizutragen“, sagt Greg Kushnir, Gründer und CEO von Emrod.
Einschätzung von Martin Jendrischik, Cleanthinking.de:
Die Bedeutung der Power Beaming-Technologie von Emrod hat sich in den vergangenen zwei Jahren kräftig verändert. Sah die Lösung 2020 noch nach Hobby-Bastelei aus, ist daraus ein sehr beachtliches Potenzial geworden, das sich durch Partner wie ESA und Airbus ausdrückt. Mit der Energiekrise haben mehrere Länder begonnen, sich mit weltraumgestützter Solarenergie zu befassen – so auch Großbritannien, die USA und China.
Wird Power Beaming rasch eine Alternative zur Stromversorgung werden? Möglich. Die wesentlichen Herausforderungen scheinen gelöst, wenngleich 36 Meter nicht viele Kilometer sind. Es bleibt spannend, zu beobachten, wie sich Emrod mit seiner Innovation in den kommenden Jahrzehnten durchsetzen wird.
Dieser Artikel erschien ursprünglich am 13. August 2020. Die letzte Aktualisierung stammt vom 3. Oktober 2022.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.