Cleantech-Unternehmen aus Eberswalde erreicht Meilenstein auf dem Weg zur Serienfertigung.
Flugwindkraftanlagen wie die des brandenburgischen Cleantech-Unternehmens Enerkite versprechen vielfältige Vorteile – sind aber hochkomplex in der Entwicklung. Doch mittlerweile mehren sich die Anzeichen, dass es Enerkite, SkySails Power oder Kitekraft schaffen, stetig wehende Höhenwinde kommerziell zu ernten. Für Mittelständler wie Seipp & Kehl, die rund um die Uhr produzieren, oder landwirtschaftliche Betriebe dürfte in den kommenden Jahren eine entscheidende Möglichkeit zur Erzeugung erneuerbarer Energien hinzukommen.
Mit dem Verkauf einer Flugwindkraftanlage vom Typ EK100 hat das Cleantech-Unternehmen nach mittlerweile 13 Jahren Entwicklungs- und Pionierarbeit einen ersten, wichtigen kommerziellen Meilenstein erreicht. 2024 gilt für Enerkite als entscheidendes Jahr – denn bis Ende des Jahres will das hochspezialisierte Team eine Pilotanlage für den regionalen Stromversorger e.disnatur liefern – um zentrale Erkenntnisse für größere Anlagen und die in den kommenden drei Jahren geplante Serienfertigung zu gewinnen.
Für Seipp & Kehl ist die Flugwindkraftanlage, die etwa 500.000 Kilowattstunden Höhenwindenergie pro Jahr ernten soll, die ideale Ergänzung zur Photovoltaik-Dachanlage, die das hessische Unternehmen installiert hat. Während eine eigene Windkraftanlage zu groß wäre und eine Biogasanlage zu kompliziert in der Bewirtschaftung, erscheint die containerbasierte Flugwindkraftanlage, die auf einem benachbarten Feld stationiert werden soll, die passende Lösung zu sein.
70 Mitarbeiter sind beim Mittelständler mit Drehen, Fräsen, Schleifen und Erodieren komplexer Bauteile oder der Komplettfertigung beschäftigt. Die Energie braucht der Zulieferer für den Maschinen- und Anlagenbau, die Luft- und Raumfahrt oder die Automobilindustrie rund um die Uhr – da hilft die Photovoltaikanlage auf dem Firmendach nur, den Stromverbrauch um ein Viertel abzudecken.
„Für unseren Bedarf ist die Technologie ideal“, sagt Geschäftsführer Marc Schneider, den den Stromverbrauch seiner Firma auf 600.000 Kilowattstunden beziffert. „Ein konventionelles Windrad wäre viel zu groß und zu teuer, eine Biogasanlage im Betrieb zu aufwendig.“ Funktioniert die Weiterentwicklung bei Enerkite wie geplant, könnte das bereits angezahlte Höhenwindkraftwerk ab 2026 in Hessen im Einsatz sein – und etwa 500.000 Kilowattstunden Energie zur Verfügungstellen.
Wie funktioniert die Flugwindkraftanlage?
Durch den Einsatz des Teleskoparms wird der Winddrachen in eine Drehbewegung versetzt, bis genug Luft die Flächen unterströmt, um den Drachen zum Abheben zu bringen. Sobald er die gewünschte Flughöhe erreicht hat, bewegt sich der Flügel in Form einer Acht. Die Steuerung erfolgt über ein Zugseil und zwei Steuerseile.
Der Flügel fliegt mit Geschwindigkeiten von bis zu 90 km/h und bewegt dadurch die Seiltrommel der Bodenstation. An die Seiltrommel ist ein Stromgenerator angebunden. Laut Florian Breipohl (Linkedin), dem CEO von Enerkite, kann das Gerät prinzipiell dauerhaft in der Luft bleiben. Nur für Wartungsarbeiten muss das Seil alle paar Monate eingeholt werden – und ebenso bei schlechtem Wetter wie Sturm oder Gewitter sowie sobald sich ein Flugzeug oder Hubschrauber nähert.
Wie groß ist das Potenzial für Höhenwindkraft?
Die Winde in 200 bis 400 Metern Höhe sind stetiger und stärker. Bedeutet im Umkehrschluss, dass deutlich mehr Standorte weltweit für entsprechende Windkraftanlagen geeignet sind. Betrachtet man das Potenzial für Höhenwindkraft in Deutschland, so hilft ein Blick auf die Pilotprojekte, die Enerkite ab 2024 realisieren will.
Neben dem Mittelständler, für den eine klassische Windkraftanlage nicht in Frage kommt, sind auch Kommunen an der Technologie interessiert. Zusammen mit Volkswagen wird getestet, ob Flugwindkraftanlagen Elektroauto-Ladestationen versorgen können, bei denen der Netzanschluss zu teuer wäre. Auch für landwirtschaftliche Betriebe, die ihre Traktoren zunehmend elektrifizieren dürften, kann die Höhenwindernte sinnvoll werden.
Inwieweit die Cleantech-Unternehmen die Potenziale ausschöpfen werden, wird sich erst in einigen Jahren zeigen. Enerkite zumindest strebt ab 2026 die Serienfertigung seiner Anlagen an – und die Skalierung auf bis zu vier Megawatt.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.