Schweizer METHANOLOGY AG hat die saubere Technologie der Rostocker Gensoric GmbH übernommen.
Enzyme mit Ökostrom beheizen und mit den Zutaten Wasser und Luft den grünen und vielfältigen Energieträger Methanol gewinnen – das ist das Versprechen der METHANOLOGY AG aus der Nähe von Schaffhausen in der Schweiz. Mit der „willlpower energy“ genannten Technologie strebt METHANOLOGY zunächst eine Lösung für Landwirte und Abwasserbetriebe an: Denn das CO2 der mehr als 100 Schweizer Biogasanlagen wird bislang überwiegend ungenutzt in die Atmosphäre abgegeben.
Die Schlagzeilen zwischen 2017 und 2019 waren überschwänglich: Von einem „revolutionären Energiespeicher“ berichteten die Norddeutschen Neuesten Nachrichten. Vom bevorstehenden Abschied von Erdöl und Gas schrieb die Schweriner Volkszeitung. Im Januar 2018 gewann die Innovation gar einen internationalen Klimawettbewerb des renommierten MIT. Die Gensoric GmbH, ein Spinoff der Universität Rostock, schien vor einer rosigen Zukunft zu stehen.
Doch im Jahr 2019 wendete sich das Blatt: Gensoric musste Insolvenz anmelden, weil einer der Gesellschafter unabhängig von der sauberen Technologie aus Rostock in Schwierigkeiten geriet. „Die Insolvenz war das Ergebnis einer insgesamt schlechten Gesellschafterstruktur“, sagt Gerhard Meier. Der Schweizer, der ursprünglich in das Cleantech-Unternehmen investieren wollte, nutzte die schwierige Situation und kaufte alle Rechte sowie den Prototyp aus der Insolvenzmasse heraus.
Technologie in drei Jahren marktreif?
Meier, beruflich in der Nähe von Schaffhausen an der Grenze zu Deutschland angesiedelt, will die Gensoric-Technologie nun in den kommenden drei Jahren in den Markt bringen. Einer seiner Mitgründer ist Christoph Herz, der die Technologie für das ursprüngliche Startup maßgeblich entwickelte und nun in die Schweiz umgesiedelt ist. „Wir wollen als unabhängiges Unternehmen sicherstellen, dass diese Technologie nicht irgendwo bei einem Konzern in den Schubladen verschwindet“, sagt Meier im Gespräch mit Cleanthinking.de.
In den nächsten fünf Jahren will METHANOLOGY mindestens 20 Schweizer Landwirtschafts-Biogasbetriebe und 20 kommunale Abwasserbetriebe mit der Technologie für die Stromspeicherung und Kraftstoffproduktion ausrüsten. Perspektivisch sollen dann auch kleinere Anlagen erschwinglich sein – diese können Besitzern von Ein- und Mehrfamilienhäusern helfen, überschüssigen Solarstrom aus dem Sommer als Methanol zwischenzuspeichern und im Winter zu verbrauchen.
Wie funktioniert „willpower energy“?
Das Herzstück der „willpower energy“ genannten Technologie ist ein herausnehmbarer Bioreaktor (WPE Enzym Cartridge) mit Elektroden, die mit speziellen Enzymen beschichtet sind. Diese Enzyme brauchen eine Wohlfühltemperatur, um ihre Arbeit zu verrichten – wird also neben Wasser und CO2 auch Ökostrom zugeführt, sorgen die Enzyme für die Erzeugung von Alkohol in Form des Energieträgers Methanol, der nicht degeneriert oder diffundiert.
Das erneuerbare Methanol ist bei Umgebungstemperatur flüssig und damit mit vorhandenen Technologien sehr leicht handhabbar. „Bei der Anwendung von Wasserstoff hingegen braucht man immer einen hohen Druck, um die Energiedichte innerhalb eines Behälters zu vergrößern“, berichtet Meier von der METHANOLOGY AG. Gerade für Brennstoffzellen zur Verstromung sei Methanol als flüssiger Wasserstoffträger ein idealer Energieträger.
Methanol speichert dreimal so viel Wasserstoff-Energie im Vergleich zu komprimiertem Wasserstoff (700 bar) bei gleichem Tankvolumen, verbrennt rückstandsfrei und ohne Emission von Luftschadstoffen. Lediglich Wasserdampf das zuvor eingebrachte CO2 werden wieder freigesetzt.
Gerhard Meier, Vorstand der METHANOLOGY AG
Was ist nötig, um 10 Liter Methanol herzustellen?
Für die Herstellung von zehn Litern Methanol sind im Willpower-Verfahren 14 Kilogramm gasförmiges CO2 und 16 Liter Wasser nötig. Der Brennwert des Methanols bei einem Energieumsatz von 3,5 Joule liegt dann bei 55 Kilowattstunden. Da das Verfahren mit relativ moderaten Temperaturen und Druckverhältnissen auskommt (< 50 Grad Celsous / < 10 bar), liegt der angegebene Wirkungsgrad bei rund 80 Prozent.
Ein Kostentreiber, Stand heute, wäre die Kohlendioxid-Gewinnung mit Direct Air Capture-Verfahren wie beispielsweise von Climeworks. Das Züricher Cleantech-Unternehmen kalkuliert zwar perspektivisch mit 75 Euro pro Tonne CO2. Heute sind die Kosten aber noch um den Faktor fünf oder sechs höher. „Daher docken wir unsere Technologie zunächst an unvermeidbare CO2-Quellen wie Biogasanlagen oder Abwasserreinigungsanlagen an“, so Meier.
Aus Sicht der Energiewende in der Schweiz, aber natürlich auch im Rest der Welt ist es gut, dass es eine (Speicher-)Lösung wie „willpower energy“ gibt. Der Weg zur Marktreife dauert noch ein wenig. Es wird sich zeigen, mit welchen Kosten je Liter Methanol Landwirte, andere Betreiber oder später auch Ein- und Mehrfamilienhausbesitzer kalkulieren müssen. „Wir streben Produktionskosten von unter einem Euro pro Liter erneuerbares Methanol an“, so Meier.
Methanol-Brennstoffzelle als Range Extender
Landwirte könnten das selbst produzierte Methanol beispielsweise zum Betrieb der eigenen Fahrzeugflotte verwenden – etwa von Elektrofahrzeugen mit Methanol-Brennstoffzelle als Range Extender. Ein solches Fahrzeug hat der ehemalige Audi-Designer Gumpert mit dem Elektroauto Nathalie auf den Markt gebracht. Auch der chinesische Aiways U5 soll mit der identischen Technologie ausgestattet werden. Die im Auto verbaute Brennstoffzelle stammt vom dänischen Cleantech-Unternehmen Blue World Technologies.
Im Vergleich zum gar nicht unähnlichen Picea-System, bei dem Wasserstoff genutzt wird, um Energie aus dem Sommer in den Winter zu bringen, erscheint Methanol deutlich besser geeignet zu sein. Statt zahlreicher Wasserstoff-Flaschen und einem Kompressor, der nur mit hohen Anlaufströmen seinen Dienst verrichtet, ist die Lösung der METHANOLOGY AG sinnvoller.
Lesen Sie auch: Total setzt in Leuna auf synthetisches Methanol
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.