Bei der Ladeinfrastruktur für Elektromobilität wurde oft vom Henne-Ei-Problem gesprochen. Solange das eine nicht da ist (Fahrzeuge), werde niemand in das andere investieren (Ladesäulen). Inzwischen hat sich dieses Problem nach einer Untersuchung von E.ON in Luft aufgelöst: Die vorhandene Ladeinfrastruktur mit 12.000 Stationen reicht nach einer Analyse von E.ON für deutlich mehr Elektroautos: Derzeit gibt es eine öffentliche Ladestation für 4,5 Elektroautos.
Das Argument, es gebe zu wenige Lademöglichkeiten für das Elektroauto in Deutschland, zieht nicht mehr. Die Zahlen aus dem Hause E.ON zeigen: Auf Deutschlands Straßen gab es Anfang Januar 2018 knapp 54.000 Elektroautos, denen mehr als 12.000 öffentliche Ladestationen gegenüber stehen. Damit kommen auf eine öffentlich zugängliche Ladestation, die in der Regel über mehrere Ladepunkte verfügt, im Schnitt gerade einmal 4,5 Elektroautos.
Zum Vergleich: Die Nationale Plattform Elektromobilität empfiehlt für das Ziel der Bundesregierung von einer Million Elektroautos im Jahr 2022 etwa 80.000 Ladestationen inklusive Schnellladern – also 12,5 Fahrzeuge pro Ladestation.
„Rein rechnerisch betrachtet könnten die bereits installierten Ladestationen also knapp dreimal so viele E-Autos versorgen, wie in Deutschland bereits angemeldet sind“, so Victoria Ossadnik, Vorsitzende der Geschäftsführung von E.ON Energie Deutschland.
E.ON plant 180 Ultraschnell-Ladestationen
Der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur hat nach Einschätzung von E.ON deutlich an Fahrt aufgenommen, nicht zuletzt aufgrund des Förderprogramms der Bundesregierung. Auch Initiativen der Energieanbieter, der Automobilbranche und vieler Kommunen in Deutschland zeigen Wirkung und die Anzahl der Ladestationen wächst.
„E.ON plant in Europa beispielsweise 180 Ultraschnelllader mit einer Leistung von mindestens 150 Kilowatt und erweitert stetig sein Angebot an Schnellladern mit 50 Kilowatt – nicht nur an deutschen Autobahnen“, ergänzt Ossadnik. „Uns liegt vor allem auch der Ausbau der Ladeinfra-struktur in ländlichen Gebieten am Herzen.“
Bei den Zulassungszahlen sowie der bloßen Anzahl der Ladestationen liegt Bayern unangefochten auf Platz Eins: Knapp 13.000 Elektroautos sind im Freistaat angemeldet, insgesamt gibt es für sie etwa 2.300 Ladestationen. Das bedeutet allerdings, dass das Bundesland mit 5,6 Elektrofahrzeugen pro Ladestation gleich nach Baden-Württemberg (5,8) das „schlechteste“ Verhältnis von E-Autos und Lademöglichkeiten hat. Vor allem in den bayerischen Metropolen müssen sich mehr Elektroauto-Fahrer Ladestationen teilen: Im Großraum München kommen 11,4 E-Autos auf eine öffentliche Ladestation, in Nürnberg sind es 10,2. Zum Vergleich: In Berlin sind es nur 3,7 E-Autos je Ladestation, in Hamburg drei.
Ganz anders sieht es in Mecklenburg-Vorpommern aus: Hier kommen nicht einmal zwei Elektroautos auf eine öffentliche Ladestation. Allerdings gehört das Bundesland auch zu den Ländern mit den wenigsten zugelassenen Elektroautos: Beim Anteil der E-Autos an den insgesamt zugelassenen PKW liegt Mecklenburg-Vorpommern auf dem vorletzten Platz: Nur 0,05 Prozent aller Fahrzeuge im Bundesland fahren rein elektrisch.
In Thüringen ist das Verhältnis von E-Autos zu öffentlichen Ladestationen ebenfalls sehr komfortabel. Nur 2,2 Fahrzeuge kommen auf eine Ladestation. In machen Landkreisen haben ortsansässige E-Mobilisten rein rechnerisch sogar eine öffentliche Ladestation für sich: In Eichsfeld und im Kyffhäuserkreis gibt es genauso viele zugelassen E-Autos wie öffentliche Lademöglichkeiten.
Nirgendwo mehr Elektroautos als in Wolfsburg
Betrachtet man die Städte und Landkreise der Bundesrepublik, gibt es einige Regionen, in denen E-Autos deutlich verbreiteter sind als im bundesweiten Durchschnitt, der bei 0,12 Prozent liegt. Absoluter Spitzenreiter mit 0,46 Prozent ist Wolfsburg, die Heimat des e-Golfs. Der überraschende Zweitplatzierte ist im Herzen Deutschlands beheimatet: Im Landkreis Rhön-Grabfeld fahren 0,41 Prozent aller zugelassenen PKW rein elektrisch. Stuttgart liegt mit 0,40 Prozent auf Platz drei. Insgesamt zeigt sich, dass im Süden anteilig deutlich mehr Elektrofahrzeuge unterwegs sind als in der Mitte oder im Norden des Landes.
Die Ausnahme stellen Hamburg und Berlin dar. Im reinen Bundesländervergleich können die Hanseaten mit 0,18 Prozent den höchsten Anteil reiner Elektroautos an den zugelassenen PKW aufweisen. Bayern und Berlin teilen sich den zweiten Platz (jeweils 0,17 Prozent), dicht gefolgt von Baden-Württemberg mit 0,16 Prozent. Schlusslicht im Ranking ist Sachsen-Anhalt mit 0,06 Prozent.
Für die Auswertung hat E.ON die aktuelle Zahl der Ladestationen in Deutschland ermittelt (Stand Ende Juni 2018) und diese dann ins Verhältnis zu den zugelassenen reinen Elektroautos gesetzt hat. Quelle für die Zulassungszahlen: Bestand an Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern nach Zulassungsbezirken zum 1.1.2018; Kraftfahrbundesamt
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.