Cleantech-Unternehmen entzieht Meerwasser Kohlendioxid, stärkt den Ozean als Kohlenstoff-Senke – und produziert Wasserstoff.
Der CO2-Schwamm von Equatic: Da Ozean-Wasser 150 mal mehr Kohlendioxid enthält als Luft, ist die Entfernung des Treibhausgases aus Meerwasser einer der effektivsten Methoden, die vorstellbar sind. Der Wissenschaftler Gaurav Sant von der Universität von Kalifornien hat auf diesem Fakt basierend eine Methode zur CO2-Entfernung entwickelt, die mittlerweile vom Cleantech-Unternehmen kommerzialisiert wird. Pilotanlagen in Los Angeles und Singapur sollen das innovative Prinzip unter Beweis stellen.
Die Ozeane sind die wichtigste CO2-Senke des Planeten und absorbieren Milliarden Tonnen CO2 aus der Luft. Ihre Fähigkeit, dies weiterhin zu tun, ist jedoch gefährdet, da der Mensch immer mehr von diesem Gas erzeugt. Da die CO2-Werte weiter steigen und die Ozeane weiterhin CO2 aufnehmen, werden sie immer saurer – das Verfahren von Equatic will genau das zusammen mit der Erderwärmung bekämpfen – und günstiger sein als Direct Air Capture-Verfahren wie das von Climeworks.
Equatic hat eine Möglichkeit geschaffen, Kohlenstoffdioxid aus den Ozeanen zu entfernen, um es wie einen riesigen globalen CO2-Schwamm mehr CO2 aus der Luft aufnehmen zu lassen. Konkret wird Meerwasser in eine Anlage auf einem Schiff gepumpt und danach elektrisch geladenen Teilchen ausgesetzt. Diese Durchfluss-Elektrolyse löst mehrere chemische Reaktionen aus: Das im Meerwasser gelöste CO2 verbindet sich mit Magnesium und Kalzium. Es entstehen Magnesit und Kalziumkarbonat – der Hauptbestandteil von Kalkstein, Kreise oder Marmor.
Für die Entfernung von einer Tonne CO2 sind 220 Tonnen Wasser notwendig, die durch das System geschleust werden müssen. Die Mineralien, die in Form von weißem Pulver an zermahlene Muscheln erinnern, werden zurück in den Ozean gebracht, damit sie sich am Meeresboden absetzen und somit Kohlendioxid speichern. So kann das Gas nicht mehr in die Atmosphäre entweichen.
Kohlenstoff-Senke Ozean wird gestärkt
Doch neben diesem Prozess gibt es noch einen weiteren Vorteil: Der Ozean behält so seine Fähigkeit, weiteres Kohlendioxid aufzunehmen. Vorausgesetzt, das von Equatic initiierte Verfahren erreicht eines Tages relevante Größenordnungen.
Ein weiterer Effekt: Bei der chemischen Reaktion entsteht auch Wasserstoff, der durch Verstromung etwa die Hälfte des Netto-Strombedarfs decken kann, die die Anlage benötigt. Denn dieser Energiebedarf ist erheblich: Um eine Tonne Kohlendioxid zu entfernen, werden zwei Megawattstunden Strom benötigt. Werden Equatic-Anlagen in Küstennähe errichtet, ist der Zugang zu Offshore-Windkraftanlagen einfach möglich. Durch die Erzeugung von Wasserstoff ist der Prozess damit potenziell kohlenstoff-negativ.
Bleibt die Frage der Kosten: Kohlendioxid-Entfernung für weniger als 100 Dollar pro Tonne und Herstellung von grünem Wasserstoff für weniger als 1 Dollar pro Tonne soll bis Ende der Dekade möglich sein, so das Equatic-Management. Investoren wie Grantham Foundation, Chan Zuckerberg Initiative, Temasek Foundation und das US-Energieministerium haben bislang 30 Millionen US-Dollar investiert.
„Wenn man die gesamte Chemie, die dem zugrunde liegt, durchgeht, kommt man zu einem Verfahren, das 4,6 Kilogramm CO2 pro Kubikmeter verarbeitetes Meerwasser entfernt“, so Sant.
Pilotanlagen in L.A. und Singpaur
Zwei kleine Pilotanlagen sind seit kurzem auf Schiffen in Betrieb, um zu beweisen, dass das Konzept funktioniert: eine in Los Angeles und eine ähnliche in Singapur. Beide können pro Tag 100 Kilogramm CO2 entfernen und einige Kilogramm Wasserstoff erzeugen. Ende nächsten Jahres soll in Singapur eine größere Testanlage in Betrieb genommen werden, die in eine Entsalzungsanlage integriert ist und immerhin zehn Tonnen CO2 pro Tag oder mindestens 3.500 Tonnen pro Jahr entfernen kann.
Gelingt dieses Vorhaben, will Equatic bis Ende der 2020er Jahre große Anlagen betreiben die viele Millionen Tonnen Kohlendioxid beseitigen können. In einem nächsten Schritt soll die Equatic Technologie in eine Entsalzungsanlage integriert werden, da hierbei große Mengen Wasser angesagt werden.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.