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Wieso Erdgas heute keine gute Alternative zu Kohle ist

Erdgas, oft gewonnen aus Fracking und per Schiff oder Pipeline transportiert, setzt erhebliche Mengen des Klimagases Methan frei.

Braunkohle und Steinkohle haben als Energieträger zunehmend ausgedient – ist Erdgas eine Alternative? Während Deutschland oder die Niederlande bereits politisch der Kohle den Garaus gemacht haben, sind in den USA etwa 40 Prozent aller Kohlekraftwerke seit 2008 geschlossen worden.

China schaltet reihenweise alter Kohlemeiler ab, muss sie aufgrund des hohen Drucks aber vorübergehend mit Kohlekraftwerken ersetzen, die mit Partikelfiltern ausgestattet sind – und ermöglichen, dass China den Höhepunkt seiner CO2-Emissionen nicht erst 2030 erreicht, sondern zwischen 2021 und 2025 (Studie in Nature Communications). Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, müssten alle Kohlekraftwerke 2030 abgeschaltet werden.

Nach Ansicht von US-Ökonom Jeremy Rifkin wird das auch passieren, weil Investoren zunehmend Angst vor Stranded Assests, also verlorenen Investments haben. Alle heute getätigten Investitionen in Kraftwerke für die Verbrennung fossiler Ressourcen werden so enden, wenn spätestens in 10 Jahren die kohlenstoffbasierte Welt in sich zusammenbricht, schreibt Rifkin in seinem neuen Buch The Green New Deal.

In den USA hat das zur Folge, dass bereits das achte Kohleunternehmen in Insolvenz geraten ist. Und das trotz eines Präsidenten, der alte Technologien wie Kohle häufig massiv unterstützt. Allerdings hat Trump nun offenbar Erdgas – zumeist über Fracking gefördert – als Alternative ausgemacht. Der LNG-Boom sorgt für Milliardenüberschüsse einzelner Bundesstaaten – Texas ist als Energiehochburg des Landes mittlerweile abgelöst worden.

Angesichts des Handelskrieges zwischen China und den USA ist aber der Absatz von Flüssigerdgas nach China ins Wanken geraten. Umso erfreuter sind die Amerikaner nun, dass Europa – allen voran Deutschland – in LNG-Terminals wie das in Brunsbüttel investiert, um auch flüssiges Erdgas aus den USA importieren zu können. Und das klimaschädlich über Tanker – und als Alternative zu noch günstigerem per Pipeline gelieferten Erdgas aus Russland.

Ein weiterer Grund für die Abkehr von Steinkohle und Braunkohle in weiten Teilen der Welt ist der Boom der erneuerbaren Energien, der per Auktion zu immer günstigeren Preisen erfolgt. Und natürlich drängt in vielen Staaten die Zeit, die CO2-Emissionen zu senken. Da stören klimaschädliche Kraftwerke für Steinkohle und Braunkohle immens.

Ist Erdgas wirklich eine Alternative zu Kohle?

Auch Deutschland setzt also als Alternative zu Kohle vor allem auf Gaskraftwerke, die mit Erdgas befeuert werden sollen. Doch neueste Erkenntnisse zeigen: Erdgas ist unter Umständen gar nicht klimafreundlicher als Kohle. Entscheidend für die Klimabilanz ist einerseits die Herkunft des Erdgases und andererseits dessen Transport.

Die Süddeutsche Zeitung berichtet jetzt über eine Studie der Energy Watch Group, an deren Spitze Hans-Josef Fell steht, die besagt, dass Gaskraftwerke zwar nur ein Drittel der CO2-Emissionen von Braukohlemeilern verursachen. Der lange Weg zum Kraftwerk aber dazu führt, dass große Mengen Methan entweichen. Methan ist der Hauptbestandteil von Erdgas und ein weit schädlicheres Klimagas als CO2.

Bislang wurde das entweichende Methan eher für vernachlässigbar gehalten, weil sehr langfristige Horizonte betrachtet wurden. Die Energy Watch Group hat jedoch untersucht, wie die Auswirkungen in einer Spanne von zwei Jahrzehnten ausfallen. Laut IPPC ist die Klimawirkung von Methan gegenüber CO2 bei einer Sicht auf zwanzig Jahre 84-mal größer, bei hundert Jahren dagegen nur 28-mal.

Andere Untersuchungen hatten zuletzt gezeigt, dass sowohl die umstrittene Fracking-Methode als auch die Landwirtschaft in erheblichem Maße zum starken Anstieg der Methan-Emissionen im letzten Jahrzehnt beigetragen haben. Zuvor bestand unter Wissenschaftlern Uneinigkeit, weil die Gesamtbilanz der Methan-Emissionen bei Zurechnung zu Landwirtschaft UND Fracking nicht stimmte. Die Lösung: Die Methan-Emissionen von Waldbränden wurden jahrelang überschätzt. Reduziert man deren Anteil, passen stimmt die Bilanz wiederum.

Aus deutscher Sicht verschlechtert sich die Bilanz von Erdgas weiter, wenn man bedenkt, dass der Import aus den Niederlanden in Zukunft aufhören wird (das Land möchte die Gasförderung einstellen) – und im Gegenzug noch mehr Erdgas aus Russland oder eben den USA gebraucht wird. Beim Pipeline-Transport über lange Strecken, beispielsweise aus Sibirieren, entweicht mehr Methan als bei Importen aus den Niederlanden oder Norwegen.

Fracking-Gas aus den USA hat die schlechteste Klimabilanz

Noch schlechter sieht die Bilanz aus, wenn über Trump- oder Fracking-Gas aus den USA nachgedacht wird. Es ist wesentlich klimaschädlicher aufgrund der Fracking-Förderung aus Schierfergestein und durch den Transport über Tanker. Beim Fracking-Gas gehen den Schätzungen der Energy Watch Group zufolge drei bis 4,5 Prozent des Gases verloren, andere Forscher halten einen Verlust von sechs Prozent für möglich. Klimafreundlicher als Kohlemeiler ist das Ganze nur, wenn weniger als 3,2 Prozent des Gases entweichen.

All diese Erkenntnisse zeigen, wieso Erdgas in heutiger Form und aus Klimasicht keine Alternative zu Kohle ist. Das hat beispielsweise auch die KWK-Branche erkannt. Kraft-Wärme-Kopplung über Gasmotoren beispielsweise könnte gerade im kleinen, hoch effizienten Maßstab eine entscheidende Alternative zu den demnächst verbotenen Ölheizungen werden. Aber nur dann, wenn eben grünes Gas verwendet wird.

Umso wichtiger sind also die Anstrengungen Deutschlands, grünen Wasserstoff zu produzieren. Denn dieser ist die einfachste Methode, um beispielsweise Erdgas durch Beimischung ins Erdgasnetz grüner zu machen. Der DVGW und Avacon wollen in Kürze erstmals einen Wasserstoff-Anteil von 20 Prozent testen. Gelingt das europaweit, könnten die CO2-Emissionen laut Internationaler Energieagentur um 60 Millionen Tonnen pro Jahr reduziert werden. Bislang liegt der Wasserstoff-Anteil bei rund 10 Prozent.

Grüne Gase – synthetisch erzeugt oder beispielsweise aus Abfall- und Reststoffen gewonnenes Biomethan – müssen unbedingt an Bedeutung gewinnen, wenn Deutschland bei den Klimazielen nicht weiter ins Hintertreffen geraten möchte. Eine aktuelle Studie des DIW im Auftrag von Greenpeace zeigt: Selbst die Klimaziele für 2020 erreicht Deutschland nicht vor 2025. Ist das so, wird der Aufwand und die Radikalität mit der versucht werden muss, die späteren Ziele zu erreichen entsprechend zunehmen. Die gesellschaftliche Akzeptanz wäre in Frage gestellt.

Methan-Pyrolyse: Aus Erdgas wird Wasserstoff

Methan-Pyrolyse - auch eine Option?

Erdgas, das beispielsweise aus Norwegen stammt und kurze Transportwege nach Deutschland hat, könnte noch auf anderem Wege bei der Verbrennung sauberer gemacht werden. Forscher des KIT arbeiten an einer Methan-Pyrolyse, die die Aufspaltung von Erdgas in Wasserstoff und festen Kohlenstoff ohne zusätzliche CO2-Emissionen ermöglichen soll. In dem Verfahren wird Methan in einem mit Flüssigmetall befüllten Blasensäulenreaktor kontinuierlich in seine Bestandteile zerlegt.

Die Forscher arbeiten jetzt gemeinsam mit den Experten von Wintershall Dea an der Industrialisierung des im Labor erfolgreichen Verfahrens. Bislang wird Wasserstoff in der Industrie überwiegend über das Dampf-Reforming-Verfahren gewonnen, was CO2 in großen Mengen freisetzt.

Die Methan-Pyrolyse könnte letztlich aber nur dann eine Alternative sein, wenn das genutzte Erdgas bei Förderung und Transport ebenfalls grüner wird als heutiges Erdgas. Forscher empfehlen beispielsweise, das freisetzende Methan beim Fracking durch eine Schutzhülle über dem Bohrloch einzufangen. Ohne solche Lösungen ist Erdgas eine Alternative zur Kohle, die höchst zweifelhaft ist.

All dies zeigt: Die Zukunft gehört grünen Gasen, diese werden benötigt, um die Dunkelflaute in Europa zu überwinden, die Klimaziele zu erreichen und die notwendige Flexibilisierung und den Ausgleich zu erneuerbarer Energie herzustellen. Erdgas heutiger Qualität bzw. Herkunft ist als Alternative aufgrund seiner schlechten Klimabilanz nicht geeignet.

Verbindliche Ziele ja, aber ohne Putin- oder Trump-Gas

Die hiesige Gaswirtschaft fordert mittlerweile Ausbauziele für grüne Gase wie Wasserstoff, Biogas und synthetisch erzeugtes Erdgas. Die Forderung, die auch im Handelsblatt erhoben wurde, ist richtig. Weniger richtig ist, dass die Gaswirtschaft weiterhin auf billiges Putin-Gas aus Russland und Trump-Gas aus den USA hofft. Hier muss unbedingt ein schnelles Umdenken einsetzen und andere Wege eingeschlagen werden.

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% S Kommentare
  1. Dr. Waldemar Lind sagt

    Da hat sich der Autor mit dem Thema Kohle aber nicht allzu gründlich beschäftigt. Es geht ja bei Kohle nicht nur um die CO2 Bilanz, sondern auch um den Staub, Schwefeldioxid, Schwermetalle wie Arsen und Quecksilber bis hin zu radioaktiven Stoffen wie Uran und Thorium, die bei der Kohleverbrennung freigesetzt werden.
    Dies beim Thema „Kohlle vs. Erdgas“ nicht zu erwähnen, ist schon recht naiv.

    1. Martin Jendrischik sagt

      Hallo Waldemar,

      es geht ja in erster Linie um Gas als ungeeignete Alternative zu Kohle. Ein kurzer Artikel kann nie alle Aspekte aufgreifen. Dass Staub und Co. bei der Kohleverstromung eine maßgebliche Rolle spielen ist sowohl Jeremy Rifkin als auch mir als Autor des Artikels natürlich bewusst. Ändert aber an der Grundargumentation des Artikels nicht. Kann die Kritik daher nicht ganz nachvollziehen.

      BG Martin Jendrischik

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