Ernährungsgipfel: Zukunftskommission Landwirtschaft will Fleisch teurer machen
Scholz und Özdemir laden morgen zum Ernährungsgipfel ins Kanzleramt – größere Ställe, höhere Mehrwertsteuer?
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir will klassisches Fleisch teurer machen, um damit unter anderem größere Ställe und bessere Bedingungen in der Vieh- und Landwirtschaft zu finanzieren. Ein Eckpunktepapier der Zukunftskommission Landwirtschaft, das beim morgigen Ernährungsgipfel im Kanzleramt vorgestellt wird, empfiehlt deshalb, die Mehrwertsteuer auf Fleisch schrittweise von sieben auf 19 Prozent anzuheben. Özdemir ist offen für den Vorschlag – hatte selbst einen Tierwohlcent vorgeschlagen.
Über das Eckpunktepapier der Zukunftskommission Landwirtschaft, die 2021 ein nicht umgesetztes Empfehlungspapier vorgelegt hatte, berichtete heute zuerst die BILD-Zeitung. Zur gesellschaftlich breit angelegten Zukunftskommission zählen etwa Bauernverbandpräsident Joachim Rukwied, Susanne Dehmel vom Bitkom e.V. oder Prof. Ramona Teuber von der Universität Gießen. Weitere vertretene Institutionen sind der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, die Welthungerhilfe oder WWF und BUND.
Zur langfristig verlässlichen Ausstattung der Tierwohlprämie empfiehlt das Gremium die Anhebung des bisher reduzierten Mehrwertsteuersatzes auf tierische Produkte, speziell beim Fleisch. Damit würde die Marktchance von pflanzlichen Alternativen, wie sie etwa die Rügenwalder Mühle anbietet, steigen. Diese Alternativen gelten als deutlich klimafreundlicher und damit besser für die Zukunft. Minister Cem Özdemir ließ verlauten, er sei offen für die Anhebung der Mehrwertsteuer, wenn die Bauern einverstanden seien.
Der ohnehin schrumpfende Fleischkonsum der Deutschen würde damit weiter zurück gehen, ohne auf den typischen Fleischgeschmack, den auch pflanzliche, zelluläre oder kultivierte Alternativen bieten, verzichten zu müssen. Alternative Proteine gelten auch laut Boston Consulting Group als ungenutzte Klimachance.
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Vor dem Ernährungsgipfel im Bundeskanzleramt
Beim Ernährungsgipfel im Kanzleramt könnte es eine Vorentscheidung geben, ob es zur Anpassung der Mehrwertsteuer kommt. Konkret muss entschieden werden, ob 500 Gramm Hackfleisch nicht mehr 3,50 Euro, sondern 39 Cent mehr kosten sollen.
Rückhalt gibt es dafür beispielsweise von der Deutschen Umwelthilfe, die einen raschen Abbau klimaschädlicher Subventionen fordert. Konkret: Schnelle Umsetzung und gezielte Förderung artgerechter Haltungen wie klimafreundliche Weidehaltung, Auenweiden und Ökolandbau.
Wie groß der gesellschaftliche Konsens über die Verteuerung von Fleisch vor dem Ernährungsgipfel ist, zeigt auch die Aussage von Raiffeisen-Präsident Franz-Josef Holzenkamp (64) laut Bild-Zeitung: „Es ist der Wunsch der Gesellschaft, die Tierhaltungsbedingungen in Deutschland weit über die Standards anderer europäischer Länder hinaus zu verbessern. Daher sind wir für eine Mehrwertsteuer-Lösung.“
Auch Bürgerrat für „Verbrauchsabgabe“ auf Fleisch
Zuletzt hatte auch der erstmals einberufene Bürgerrat Ernährung eine Verbrauchsabgabe gefordert, um artgerechte Nutztierhaltung zu finanzieren. Der Vorschlag im Bürgergutachten, der untenstehend dokumentiert ist, sah eine Erhöhung von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch und fleischverarbeitete Produkte sowie 2 Cent pro Ei und Liter Milch sowie 0,15 Euro pro Kilogramm Käse, Butter und Milchpulver vor.
Es bleibt abzuwarten, ob die Bundesregierung sich einseitig auf Fleisch konzentrieren wird oder insgesamt auf tierische Produkte. Vielleicht gibt es bereits morgen nach dem Ernährungsgipfel mehr Informationen hierzu.
Bürgergutachten des Bürgerrats Ernährung:
„Wir empfehlen eine zweckgebundene Verbrauchsabgabe auf tierische Produkte, um den Umbau der artgerechten Nutztierhaltung zu finanzieren. Die Einnahmen aus der Verbrauchsabgabe sollen für eine Tierwohlprämie genutzt werden, die landwirtschaftliche Betriebe kontinuierlich erhalten, wenn sie die Haltungsform verbessern.
Dabei soll gelten: je besser die Haltungsform, desto höher soll die Prämie sein.
Neben einem einmaligen Zuschuss zu Um- und Neubau von Ställen im Zusammenhang mit der Verbesserung der Haltungsform, sollen landwirtschaftliche Betriebe ab Haltungsstufe 2 auch eine laufende Unterstützung erhalten.
Die Höhe der Abgabe soll sich an den Empfehlungen der Borchert Kommission orientieren, das entspricht in etwa 0,40 Euro pro kg Fleisch und fleischverarbeiteten Produkten, 0,02 Euro pro Ei und Liter Milch bzw. Frischmilchprodukten sowie 0,15 Euro pro kg Käse, Butter und Milchpulver.
Die Abgabe auf tierische Produkte aus niedrigen Haltungsstufen sollte höher ausfallen als bei tierischen Produkten aus höheren Haltungsstufen. Deshalb sollte der Staat möglichst bald die Tierhaltungskennzeichnung auch auf andere Tierarten als Schweine ausweiten.
Kleinbäuerliche Betriebe sollten bei der Umsetzung von Tierwohlstandards besonders gefördert werden.
Diese Maßnahme soll die langfristige Planungs- und Rechtssicherheit für landwirtschaftliche Betriebe gewährleisten.“
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.