Wirtschaftsminister Robert Habeck kündigt zwei Klimaschutz-Pakete für Ostern und den Sommer mit weitreichender Wirkung an.
Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck hat die Erreichung der festgeschriebenen Klimaziele als „gigantische Aufgabe“ und „Ultra-Lauf“ bezeichnet und zwei Klimaschutz-Gesetzespakete angekündigt. Würde Deutschland den bisherigen Pfad der Emissionsreduktion weiter beschreiten, wäre nur eine Minderung der Emissionen um 50 Prozent bis 2030 erreichbar – vereinbart sind aber 65 Prozent. „Damit emittieren wir 200 Millionen Tonnen mehr als das verbleibende Budget es zulässt“, so Habeck im Rahmen der Bundespressekonferenz zur Eröffnungsbilanz Klimaschutz.
In Rahmen der 75-minütigen Pressekonferenz stellte Robert Habeck die bisherige Bilanz der deutsche Klimaschutzbemühungen dar. In einem 20-seitigen Dokument kann diese nachgelesen werden. Demnach muss sich das Tempo der Emissionsreduktion in den kommenden acht Jahren im Schnitt verdreifachen: Wurden zwischen 2010 bis 2020 Emissionsreduzierungen von im Jahresschnitt 15 Millionen Tonnen pro Jahr erreicht, sind laut Habeck nun 40 Millionen Tonnen pro Jahr notwendig.
Die Eröffnungsbilanz Kilmaschutz zeigt: Wir starten mit einem drastischen Rückstand. Die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen sind in allen Sektoren unzureichend. Es ist absehbar, dass die Klimaziele der Jahre 2022 und 2023 verfehlt werden. Aber wir unternehmen alle Anstrengungen, um den Rückstand wettzumachen. Hierzu müssen wir die Geschwindigkeit unserer Emissionsminderung verdreifachen und deutlich mehr in weniger Zeit tun.
Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz
Auch beim Ausbau der Erneuerbaren Energien muss das Tempo gewaltig angezogen werden, um das Ziel des 80-prozentigen Anteils an der Stromerzeugung bis 2030 zu erreichen. Die Arbeit dafür habe begonnen, so der Minister. Die „prioritären“ Gesetze, Verordnung und Maßnahmen würde man jetzt „aufs Gleis setzen“: „Ein erstes Klimaschutz-Paket kommt bis Ende April, ein zweites im Sommer.“ Zusammengefasst ergeben die Maßnahmen das im Koalitionsvertrag angekündigte Klimaschutz-Sofortprogramm.
Konkret sind folgende Maßnahmen im Klimaschutz-Sofortprogramm vorgesehen:
- Novelle: Anpassung der Ausschreibungsmengen auf 80 Prozent Erneuerbare. Die technologiespezifischen Mengen werden anwachsend ausgestaltet. Dabei wird ein Bruttostromverbrauch von 715 Terawattstunden unterstellt. Grundsatz: EE-Ausbau steht im überragenden öffentlichen Interesse und dient der öffentlichen Sicherheit.
- Solarenergie: Solarenergie wird mit einem Solarbeschleunigungspaket entfesselt. Das Solarbeschleunigungspaket enthält u.a. eine Verbesserung beim Mieterstrom, die Anhebung der Ausschreibungsschwellen und eine Öffnung der Flächenkulisse für Freiflächenanlagen unter Beachtung von Naturschutzkriterien. Bei gewerblichen Neubauten wird Solarenergie verpflichtend, bei privaten Neubauten die Regel.
- Windenergie: Kurzfristige Flächenpotenziale für Wind an Land werden erschlossen mit einem Wind-an-Land- Gesetz der Ausbauprozess beschleunigt. „Wir werden die Abstände zu Drehfunkfeuern und Wetterradaren reduzieren und Maßnahmen für eine bessere Vereinbarkeit des Windausbaus mit militärischen Interessen umsetzen.“
- Senkung des Strompreises: Grundlage für mehr erneuerbaren Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen schaffen. Vor allem im Vergleich zu fossilen Energieträgern soll Strom günstiger werden. So werden Wärmepumpen und E-Mobilität attraktiver. Deshalb wird ab2023 die EEG-Umlage über den Bundeshaushalt finanziert. „Mit der Abschaffung der EEG-Umlage überführen wir die an die Besondere Ausgleichsregelung gekoppelten Umlagen (KWKG-, Offshore-Netzumlage) in ein eigenes Gesetz, um der Industrie bei den übrigen Umlagen eine verlässliche und planbare Rechtsgrundlage zu schaffen.“
- Klimaschutzverträge mit der Industrie: Rechtliche und finanzielle Voraussetzungen für die Bereitstellung von Klimaschutzdifferenzverträgen (Carbon Contracts for Difference) als zentrales Instrument zur Unterstützung der Transformation in der Industrie schaffen. Für den Einstieg in klimaneutrale Produktionsverfahren benötigt die Industrie einen verlässlichen Förder- und Investitionsrahmen. Durch dieses Instrument wird sich die Wirtschaftlichkeit klimaneutraler Produktionsverfahren früher einstellen und die Kosten werden für die Unternehmen planbarer.
- Wärmestrategie: Auch in der Wärme wird ein sehr hoher Anteil der erneuerbaren Energien angestrebt und bis 2030 soll 50 Prozent der Wärme klimaneutral erzeugt werden. „Energieeffizienz sehen wir als zweite Säule an, daher werden wir für das optimale Zusammenspiel beider Instrumente eine neue Gebäudestrategie Klimaneutralität erarbeiten. Wir werden den Klimaschutz im Gebäude entscheidend voranbringen und uns für eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung sowie die Dekarbonisierung und den Ausbau der Wärmenetze einsetzen. Dafür werden wir die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) unmittelbar nach der beihilferechtlichen Genehmigung in Kraft setzen und ihre Finanzierung aufstocken.“
- Gebäudestandards und -förderung: Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen schaffen wir mit einer zügigen Überarbeitung des Gebäudeenergiegesetzes verlässliche Planungsgrundlagen für Investitionen. Damit werden wir Neubauten und Gebäudesanierungen auf das Ziel der Klimaneutralität 2045 sowie einen deutlich reduzierten Energiebedarf ausrichten. Wir setzen so die Vereinbarung im Koalitionsvertrag um, dass ab 2025 jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von mindestens 65 Prozent Erneuerbarer Energien betrieben wird. So verhindern wir Fehlinvestitionen, die nicht mit unseren Klimazielen vereinbar sind. Die Bundesförderung für effiziente Gebäude wird parallel zügig angepasst; sie wird die neuen Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes flankieren und bis 2025 den Markt durch effiziente Anreize an diese Schritte heranführen.
- Wasserstoffstrategie: Wir passen unsere Maßnahmen zum Markthochlauf der Wasserstofftechnologie an, um die Produktion an grünem Wasserstoff gegenüber den bisherigen Plänen zu verdoppeln. Hierfür werden wir die Nationale Wasserstoffstrategie noch in diesem Jahr überarbeiten und zusätzliche Förderprogramme auf den Weg bringen.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.