Ab 2022: Fahrerlose Fahrzeuge dürfen auf Deutschlands Straßen in Regelbetrieb

Deutscher Bundestag beschließt Gesetz zum Autonomen Fahren. Selbstfahrende Autos bald Standard?

Autos oder Fahrzeuge, die ohne Fahrer und Lenkrad Güter und Personen transportieren (fahrerlose Fahrzeuge), werden in Deutschland schon bald zum Erscheinungsbild gehören. Das Gesetz zum autonomen Fahren setzt erstmals den Rahmen für den Regelbetrieb selbstfahrender Fahrzeuge. Stimmt der Bundesrat zu, wird Deutschland zu einem der Vorreiter für autonomes Fahren weltweit. Aber: Klärt das Gesetz die relevanten Fragen? Wie schnell wird die Akzeptanz in der Bevölkerung wachsen? Und welche Art von Services werden sich zuerst durchsetzen?

Da Lieferdienste aufgrund der Corona-Pandemie und dem wachsenden Interesse an E-Commerce die Straßen verstopfen, ist davon auszugehen, dass besonders Lieferwagen etwa von Lieferdiensten zuerst vollautomatisiert auf die Straßen gebracht werden. Ein zweiter Bereich könnte zu einem zentralen Element der Verkehrswende werden: Autonome Pendel- und Shuttlebusse, die es mehr Menschen ermöglichen, auf das Auto zu verzichten.

Zunächst wird es aber um wiederkehrende Strecken gehen, damit sich die Technologie für autonomes Fahren gezielt weiterentwickeln kann. Auch selbstfahrende Privatautos sind bei Verabschiedung des Gesetzes in Deutschland grundsätzlich möglich. Für Tesla etwa der ideale Zeitpunkt, sein Full Self Driving in Deutschland auszurollen – zeitgleich mit dem Verkauf der ersten Fahrzeuge vom Typ Model Y aus der Gigafactorxy in Grünheide.

Elektromobilität im Zusammenspiel mit autonomem Fahren kann überdies gerade für die ländlichen Räume ein entscheidender Baustein der Verkehrswende werden. Leschs Kosmos berichtete über Studien, die wiederum in Städten von bis zu 50 Prozent weniger Autos im Privatbesitz ausgehen, wenn die Alternativ-Angebote besser ausgebaut sind. Hier kann die Sendung in der ZDF Mediathek angesehen werden.

Fahrelose Fahrzeuge der Stufe 4

Fahrerlose Fahrzeuge der Stufe 4 könnten laut Gesetz für autonomes Fahren in „bestimmten festgelegten Grenzen“ im Regelbetrieb am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen. Beim sogenannten „vollautomatisierten Fahren“ dieser Stufe sollen die Bordsysteme in der Lage sein, die Kontrolle über das Fahrzeug zu übernehmen – und zwar ohne Überwachung durch einen menschlichen Fahrer. In Notfällen geht das System soweit, dass es ein Auto am Rand der Straße anhalten kann.

Dabei ist der Schritt von der Kontrolle des Fahrers, der jederzeit eingreifen muss, falls das System einen Fehler macht, zur umgekehrten Nutzungsart ein gewaltiger Sprung. Was Fahrzeuge heute schon zuverlässig schaffen, ist, die Spur zu halten, die Geschwindigkeit an das jeweilige Tempolimit anpassen oder den Abstand zu anderen Fahrzeugen konsequent einhalten. Mit diesen Eigenschaften sind die Systeme für die Fahrt auf der Autobahn prädestiniert.

Unter bestimmten Voraussetzungen fahren PKW oder Nutzfahrzeuge heute auf Teststrecken auch schon autonom:

  • Ausreichend Daten im Fahrzeug zum digitalen Abbild der Umwelt (Kameras, Radar, Lidar, Ultraschall, GPS)
  • Sichere und schnelle Datenverbindung zur Lieferung hochauflösender Karten und von Verlehrsmeldungen
  • Fahrbahnmarkierungen und Verkehrsschilder müssen für das autonome Fahrzeug gut lesbar sein.
Bild: Mobileye

Der Unterschied durch das Gesetz liegt nun darin, dass autonome Fahrzeuge bislang nur mit Sondergenehmigungen fahren durften. Auf Betriebsgeländen nennt man diese Fahrzeuge oft People Mover. Mit dem Gesetz geht dies nun in den Regelbetrieb über. Das Bundesgesetz, das Ende 2023 nach ersten Erfahrungen überarbeitet werden soll, ist nur der Zwischenschritt bis EU oder UN entsprechende Vorgaben erlassen.

Akzeptanz von autonomen Fahrzeugen

Die Akzeptanz neuer Technologien auf Basis von Innovationen im Allgemeinen und des autonomen Fahrens im Besonderen sind insbesondere in Deutschland ein sensibles Gebilde. Kommentare wie „Wenn man es schafft, alle schienengebundenen Fahrzeuge ein paar Jahre unfallfrei autonom zu betreiben, kann man darüber nachdenken, diese Technik auch im freien Straßenverkehr zu erproben.“ oder der Verweis auf unzuverlässige Mobilfunknetze sind keine Seltenheit.

Dabei liegt ein hohes Risiko darin, dass – ähnlich wie beim Elektroauto jeder Brand – jeder Unfall tagelang die Medienwelt bestimmen wird. Die schnelle Schlagzeile ist dabei oft wichtiger als die Berichterstattung über die tatsächlichen Gründe für einen Unfall. Ändert sich diese Mentalität nicht ein Stück, könnte es in Deutschland schwierig werden mit dem autonomen Fahren. Die Akzeptanz hängt am seidenen Faden, heute überwiegt Skepsis.

Umso wichtig ist, dass das Gesetz zum autonomen Fahren aus dem Bundesverkehrsministerium keine noch größere Unsicherheit schafft. Cem Özdemir beispielsweise bemängelt die nach wie vor unklare Haftungslage. Dabei ist logisch, dass ein Passagier eines autonomen Fahrzeugs kaum haften kann, wenn er gar keine Möglichkeit zum Eingreifen hat. Außerdem ist ungeklärt, wem die Daten der Fahrzeuge gehören. Bislang klärt das Gesetz somit nicht alle Fragen.

Zukunft automatisierter Fahrzeuge

Automatisiertes Fahren wird sich schrittweise durchsetzen, das ist sehr wahrscheinlich. Die Technologie ist auch für die Ökologische Transformation wertvoll: Wenn Besitz weniger wichtig wird, um komfortabel mobil zu sein, können Service-Dienste die identische Mobilitäts-Distanz mit weniger Fahrzeugen zurücklegen. Nach dem Antriebswechsel folgt dann der nächste Technologie-Sprung, der insgesamt zu mehr Effizienz in der Mobilität der Menschen führen wird – und mehr Menschen insgesamt ermöglichen wird, mobil zu sein.

Diese Perspektive ist entscheidend, wenn heute die nächsten Schritte beim autonomen Fahren unternommen werden. Ab 2022 beginnt eine neue Zeitrechnung.

Gesetzentwurf zum Download

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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