Biogas-BHKWs liefern erneuerbaren Strom für Wärmepumpen, die das Thermalwasser auf 80 Grad erhitzen.
Fernwärme aus der Tiefe: Die Stadtwerke Schwerin haben eine bundesweit einzigartige Technologie in Betrieb genommen, um 15 Prozent des städtischen Fernwärmebedarfs erneuerbar zu machen. Dazu ist jetzt die erste mitteltiefe Geothermie-Anlage mit Wärmepumpen im Einsatz. Wie bedeutend das Vorhaben für die bundesdeutsche Wärmewende ist, zeigt der Aufmarsch der Politik: Neben Bundeskanzler Olaf Scholz, nahmen auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und Wirtschafts-Staatssekretär Michael Kellner an der Inbetriebnahme Ende April 2023 teil.
Erstmals wird im Schweriner Stadtteil Lankow die Kombination aus mitteltiefer Geothermie und Wärmepumpen genutzt. Begonnen haben die Planungen für das Vorhaben vor acht Jahren – das zeigt, wie viel Pionierarbeit geleistet werden musste, bis die Prominenz aus Politik und Wirtschaft den Startknopf für die Tiefenpumpe nun im April 2023 betätigen konnten.
Die Fernwärme aus der Tiefe kommt 1.296 Meter nach oben gepumpt als warmes Wasser: 56 Grad Celsius ist die Temperatur der Thermalsole, die zu 15 Prozent aus Salz besteht. Im sogenannten Brunnenhaus kommt das Wasser an und wird anschließend zusätzlich mit Wärmepumpen weiter auf 80 Grad Celsius erwärmt.
Bundeskanzler Olaf Scholz betonte in seinem Grußwort die wegweisende Bedeutung der Erdwärmenutzung: „Dieser Ausflug in die Tiefe der Erde ist ein Projekt, das in die Zukunft weist: Anders als Wind oder Sonne steht Geothermie rund um die Uhr zur Verfügung, im Sommer wie im Winter, an 365 Tagen im Jahr. Und deshalb machen uns Projekte wie dieses hier nicht nur unabhängiger von den volatilen Gaspreisen, von der geopolitischen Großlage und von Marktschwankungen bei der fossilen Energie. Sie können die Grundlast auch an sonnen- oder windarmen Tagen sichern – und sind so eine perfekte Ergänzung zur Windenergie, bei der Mecklenburg-Vorpommern heute schon ganz vorne mit dabei ist.“
Diese vier Wärmepumpen sollen mit Strom aus Biomethan-Blockheizkraftwerken betrieben werden, damit das Heizkraftwerk der besonderen Art nicht nur Fernwärme aus der Tiefe zu den Menschen in der Landeshauptstadt bringt, sondern auch klimaneutral betrieben wird.
Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, hob die Leuchtturmwirkung des Projekts hervor: „Die neue Geothermieanlage in Schwerin ist einzigartig in Deutschland: 56 Grad heißes Wasser aus 1.300 Metern Tiefe, das an der Oberfläche von vier Wärmepumpen erhitzt und dann per Fernwärme in die Häuser und Wohnungen der Menschen gebracht wird. Klimaneutral, leistungsfähig und mit konkretem Nutzen zeigt die Anlage beispielhaft, wie die Energiewende in Deutschland gelingen kann.“
Sieben Millionen Fördergelder stecken in dem Pilotprojekt, das insgesamt 20 Millionen Euro verschlang. Positive Kunde für die Menschen: Wenn dann alle Anschlussleitungen fertig sind, dürften die Fernwärme-Preise sinken.
„Mit unserer neuen Geothermie-Anlage haben wir eine Antwort auf die vielfältigen Herausforderungen der Wärmewende gefunden. Es erfüllt mich mit Freude und Stolz, dass wir für diesen Meilenstein in der klimaneutralen Wärmeversorgung so viel Anerkennung aus Politik und Wirtschaft erfahren. Und ich kann schon verraten: die Planungen für weitere Anlagen laufen bereits“, resümiert Dr. Josef Wolf, Geschäftsführer der Stadtwerke Schwerin.
Wärmepumpen von Fernwärme aus der Tiefe
Haken an der Fernwärme aus der Tiefe? Die Wärmepumpen sind energiehungrig: 1,7 Megawatt verbraucht die Anlage insgesamt. Dafür stehen die beiden Blockheizkraftwerke zur Verfügung, die zuerst mit Erdgas, aber bald mit Biomethan betrieben werden.
Verläuft das Projekt „Fernwärme aus der Tiefe“ nach Plan, ist davon auszugehen, dass in Schwerin weitere Tiefenpumpen mit Wärmepumpen kombiniert werden. An einer weiteren Geothermie-Anlage arbeiten die Stadtwerke bereits.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.