Wissenschaftler aus Berlin, Potsdam und Oxford fordern höhere Preise für Fleisch durch eine entsprechende Steuer.
Die Einführung einer Fleischsteuer könnte nach Ansicht führender Wissenschaftler ein wichtiger Hebel sein, um die westliche Ernährung mit Umwelt- und Klimaschutzzielen in Einklang zu bringen. Denn 13 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen sind auf die Viehzucht zurückzuführen. Dabei kann die Abgabe so gestaltet werden, dass einkommensschwache Haushalte und Landwirte einen Ausgleich erhalten. Gleichzeitig könnte so der Übergang zu pflanzenbasiertem Fleisch beschleunigt werden.
Die Einführung einer Fleischsteuer ziehen die Wissenschaftler deshalb in Betracht, weil das klassische Instrument der CO2-Bepreisung nicht greifen würde: Die wesentlichen Emissionen der Viehzucht sind Methan-Emissionen. Daneben hat die Viehzucht auch negative Auswirkungen von die Nitratbelastung von Böden und Gewässern sowie die Biodiversität durch Abholzung von Wäldern, um Weideflächen zu schaffen und Futtermittel anbauen zu können.
Um aber ein richtiges Maß für die Verteuerung von Fleisch zu finden, veröffentlichen Forscher aus Berlin, Potsdam und Oxford jetzt einen Artikel im „Review of Environmental Economics and Policy“. Darin empfehlen die Forscher eine Umweltsteuer auf Fleisch in Ländern wie UK, USA oder Australien, die den Preis je nach Fleischsorte um 20 bis 60 Prozent erhöhen würde.
Um ihn angemessen zu gestalten, muss man das Ausmaß der mit der Viehzucht und dem Fleischkonsum verbundenen externen Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen ökonomisch richtig bewerten, und das ist bislang für Fleisch noch nicht gemacht worden. Dies würde den Konsum der schädlichsten Lebensmittel verringern und könnte Einnahmen für nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken und zur Unterstützung einkommensschwacher Familien bringen.
Die Autoren betonen dabei, dass die direkte Besteuerung von Fleisch ein einfaches Mittel sei, wenn zielgerichtetere und effizientere politische Optionen, wie die Ausweitung der Kohlenstoffbepreisung auf den Tierhaltungssektor, nicht zur Verfügung stehen.
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„Die Viehwirtschaft trägt in hohem Maße zu den Treibhausgasemissionen sowie zur Boden- und Wasserverschmutzung bei, und wertvolle Wälder werden für Weiden und Nahrungsmittelanbau gerodet. Es gibt Hinweise darauf, dass die Umweltauswirkungen so groß sind, dass die Welt die Klimaziele nicht erreichen und die lebenswichtigen Ökosysteme nicht erhalten kann, ohne den Fleischkonsum zu reduzieren – zumindest in den westlichen Ländern mit hohem Einkommen“, sagte Professor Linus Mattauch vom Institute for New Economic Thinking an der Oxford Martin School und der Technischen Universität Berlin.
„Das bedeutet zwar nicht, dass die Menschen ganz auf Fleisch verzichten müssen, aber die künftige Ernährung müsste mehr pflanzliche Proteine enthalten, vielleicht auch neuartige Fleischersatzprodukte. Neben anderen Maßnahmen könnten Verbrauchssteuern auf Fleisch ein wichtiger Hebel sein, um Anreize für diesen Übergang zu schaffen“.
Fleischsteuer müsste Preise um bis zu 56 Prozent erhöhen
Das Papier geht davon aus, dass der durchschnittliche Einzelhandelspreis für Fleisch in Ländern mit hohem Einkommen um 35-56 Prozent für Rindfleisch, 25 Prozent für Geflügel und 19 Prozent für Lamm- und Schweinefleisch steigen müsste, um die Umweltauswirkungen ihrer Produktion widerzuspiegeln. Dies ist jedoch nur eine erste Berechnung und berücksichtigt nicht die Schäden, die durch den Verlust der biologischen Vielfalt, die negativen Auswirkungen des Fleischkonsums auf die Gesundheit der Menschen und den Tierschutz entstehen.
In dem Papier wurden diese potenziellen Steuern und ihre erwarteten positiven Umweltauswirkungen nicht isoliert betrachtet, sondern auch im Zusammenhang mit den umfassenderen sozioökonomischen Bedenken im Zusammenhang mit Kohlenstoffsteuern auf Konsumgüter analysiert. Es werden Maßnahmen vorgeschlagen, um die Unterstützung der Öffentlichkeit zu gewinnen und die einheimischen Fleischerzeuger und Geringverdiener vor negativen wirtschaftlichen Auswirkungen zu schützen.
Ein entscheidender Vorteil von Fleischsteuern ist den Forschern zufolge ihre Fähigkeit, Einnahmen zu generieren. „Die gesellschaftliche Unterstützung für ökologische Steuerreformen hat sich in der Vergangenheit als erfolgreich erwiesen, wenn die Einnahmen gezielt für die Entschädigung der am stärksten Betroffenen verwendet wurden“, sagt Professor Mattauch. „Im Fall der Fleischsteuer sind das die Landwirte und Haushalte mit niedrigem Einkommen. Wir schlagen vor, dass ein Teil der Einnahmen den Viehzüchtern zugewiesen werden könnte, um sie bei der Entwicklung alternativer Einkommensquellen oder bei der Umsetzung höherer Tierschutzstandards zu unterstützen und Maßnahmen zu schaffen, die einkommensschwache Haushalte fördern.“
Um keinen zusätzlichen finanziellen Druck auf einkommensschwache Haushalte zu entfachen, sollten die Einnahmen aus der Fleischsteuer umverteilt werden – auch, um Obst und Gemüse zu subventionieren, sagt Franziska Funke, Erstautorin und Forscherin an der Technischen Universität Berlin und am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. „Haushalte mit hohem Einkommen kaufen bereits mehr und teureres Fleisch, so dass sie von vornherein mehr zu den Steuereinnahmen beitragen würden. Unsere Daten zeigen, dass mit einer einfachen Maßnahme, wie einer gleichmäßigen Umverteilung der Einnahmen aus der Fleischsteuer über die Bevölkerung, die meisten Menschen mit niedrigem Einkommen mehr Geld hätten als vor der Steuerreform.“
Chancengleichheit für Fleischproduzenten
In dem Papier wird auch betont, dass eine Verbrauchssteuer den heimischen Fleischproduzenten mehr Chancengleichheit verschaffen würde. „Eine große Sorge bei Fleischsteuern ist, dass sie die Viehzüchter in den Ruin treiben könnten“, so Funke weiter. „Verbrauchssteuern auf Fleisch könnten jedoch besser sein als andere Formen der Regulierung. Sie betreffen importiertes Fleisch genauso wie im Inland produziertes Fleisch. So wird verhindert, dass einheimische Erzeuger durch Produkte aus Ländern mit niedrigeren Umweltvorschriften unterboten werden, und die heimischen Landwirte werden vor Wettbewerbsnachteilen im Ausland geschützt.“
Das Papier „Is Meat Too Cheap? Towards Optimal Meat Taxation“ soll noch in diesem Jahr in Review of Environmental Economics and Policy veröffentlicht werden und steht derzeit als Arbeitspapier des Institute for New Economic Thinking an der Oxford Martin School zum Download bereit.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.