Form Energy entwickelt Eisen-Luft-Batterie für tagelange Speicherung

Cleantech-Unternehmen Form Energy profitiert von Kapital und Netzwerk der Milliardäre Gates, Bezos und Branson.

Wie können wir in Zukunft winterliche Phasen mit schwachem Windertrag überbrücken? Das Cleantech-Unternehmen Form Energy will mit einer Eisen-Luft-Batterie hierfür eine Lösung gefunden haben. Diese Technologie ist nicht im engeren Sinne als Langzeit- oder gar Saisonspeicher zu bezeichnen – aber als Tages- oder Mehrtagesspeicher durchaus. Als von den Milliardären Bezos, Branson und Gates finanziertes Unternehmen macht Form Energy seit Jahren ein Geheimnis aus seiner genauen Technologie. Doch es gibt Neuigkeiten: Für 2023 ist der Bau einer Produktionsstätte angekündigt.

Zum Vergleich: Diese Zeiträume gehen über die Möglichkeiten von Lithium-Ionen-Batterien deutlich hinaus. Form Energy bewirbt seine Eisen-Luft-Batterie als besonders gut skalierbare, modulare Lösung, die insbesondere helfen soll, das schwankende Angebot von Wind und Solar auszugleichen. Eben auch dann, wenn tageweise Flaute herrscht. Bislang muss dann – gerade in Deutschland zu beobachten – fossiles Erdgas verstromt oder elektrische Energie aus Kohlestrom gewonnen werden. In Zukunft soll grüner Wasserstoff diesen Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage übernehmen (Residuallast).

Im Vergleich zu Lithium-Ionen-Batterien sind zwei weitere Aspekte klar: Die Batterie von Form Energy ist erheblich schwerer, ist also wirklich nur für den stationären Bereich geeignet. Nicht hingegen für E-Autos oder die mobile Nutzung. Gleichzeitig ist sie aber auch günstiger und somit skalierbarer, weil Eisen billiger ist im Vergleich zu Lithium.

Laut dem Cleantech-Unternehmen liegen die Kosten bei 20 US-Dollar pro Kilowattstunde – der von Lithium-Batterien lag 2022 bei etwa 200, ist aber mittlerweile deutlich auf etwa 150 Dollar gesunken. Allerdings hat die Eisen-Luft-Batterie einen Wirkungsgrad von rund 50 bis 70 Prozent, gegenüber 90 bis 95 Prozent bei Lithium-Ionen-Akkus.

Konkretisiert behauptet das Cleantech-Unternehmen, die Eisen-Luft-Technologie werde in der Lage sein, Strom für 100 Stunden zu Systemkosten zu speichern, die mit denen herkömmlicher Kraftwerke konkurrieren. Dadurch soll die Mehrtagesbatterie die Umgestaltung des Stromsystems ermöglichen: Mehrtagesspeicher ersetzen fossile Kraftwerke. Bislang ist das lediglich im Bereich von Kurzfristspeicherung zu beobachten.

Wie funktioniert die EIsen-Luft-Batterie von Form Energy?

Während herkömmliche Batterien auf seltenen und teuren Materialien basieren, gibt es einen neuen Batterietyp, der eine überraschende Zutat verwendet: Rost! Genauer gesagt besteht die Metallelektrode dieser innovativen Batterie im ungeladenen Zustand aus Eisenhydroxid (Fe(OH)2). Und so funktioniert es: Laden: Wenn Strom angelegt wird, wird der Rost (Eisenhydroxid) zersetzt. Dabei werden Hydroxidionen (OH-) freigesetzt, die sich durch einen wässrigen Elektrolyten und eine Membran zur Luftelektrode bewegen. An der Luftelektrode wird Sauerstoff gebildet und aus dem Elektrolyten herausgeblasen.

Entladen: Ein Ventilator bläst Luft in den Elektrolyten. Der Sauerstoff in der Luft trägt zur Bildung von Hydroxidionen an der Luftelektrode bei. Diese Ionen wandern zurück durch die Membran zur Eisenelektrode. Dort verbinden sie sich wieder mit dem Eisen zu Eisenhydroxid, wobei Elektronen freigesetzt werden. Dieser Elektronenfluss erzeugt den elektrischen Strom, der Geräte antreibt. Diese rostbasierte Batterietechnologie bietet mehrere potenzielle Vorteile:

Reichlich vorhandene und kostengünstige Materialien: Eisen ist leicht verfügbar und viel billiger als Materialien wie Lithium oder Kobalt, die in herkömmlichen Batterien verwendet werden. Umweltfreundlichkeit: Eisen ist ein umweltfreundliches Material, was diese Technologie nachhaltiger macht.

Sicherheit: Rostbasierte Batterien sind im Vergleich zu einigen Lithium-Ionen-Batterien weniger anfällig für Brandgefahren. Obwohl sich diese innovative Technologie noch in der Entwicklung befindet, könnte sie erhebliche Auswirkungen auf verschiedene Anwendungen haben, von der Speicherung erneuerbarer Energien bis hin zum Antrieb von Elektrofahrzeugen.

Die Konzeption von Rost-Batterien entstand bereits in den 1960er Jahren. Tatsächlich handelt es sich bei Rost chemisch gesehen um nichts anderes als einen Transfer von Ladungsträgern.

Die Konstruktion einer funktionierenden Batterie aus diesem einfachen Prinzip gestaltet sich jedoch als nicht ganz einfach. Eine Herausforderung dabei besteht darin, den Umgang mit verschiedenen festen, flüssigen und gasförmigen Stoffen zu bewerkstelligen, die miteinander reagieren müssen. Um die Oberfläche des Metall-Elektrodenkontakts zu maximieren, verwendet Form Energy gepresstes Eisenpulver, das jedoch immer noch porös ist, wie das Unternehmen gegenüber MIT Technology Review enthüllt hat. Zusätzlich werden Pumpen und Ventilatoren eingesetzt, um die Gase und Flüssigkeiten kontinuierlich zu bewegen.

Gründer mit Tesla-Vergangenheit

Einer der Gründer von Form Energy ist der heutige CEO Mateo Jaramillo. Der arbeitete bis 2016 für Tesla Energy und war entscheidend am Powerwall-Programm des Technologiekonzerns beteiligt. Nach einem Abstecher zu Verse Energy gründete Jaramillo das Unternehmen Ende 2017 mit.

Eisen-Luft-Batterie für Great River Energy

Über Demonstrationsprojekte von Form Energy ist auch nur wenig bekannt. Das Branchenmagazin Recharge berichtete 2020, dass ein in Minnesota ansässiger Energieversorger namens Great River Energy eine Eisen-Luft-Batterie (1 MW / 156 MWh) planen würde. Diese soll 150 Stunden lang ununterbrochen eine Leistung von einem Megawatt erbringen – und damit fossile Kraftwerke von Great River Energy überflüssig machen.

Kunde Great River Energy mit seinem Cambridge Energy Storage Project.

Im September 2021 gaben Form Energy und Great River Energy dann erstmals Details des „bevorstehenden Energiespeicherprojekts namens Cambridge Energy Storage Project“ bekannt. Demnach sieht der Energieversorger in der Mehrtagesbatterie einen „Eckpfeiler der Wirtschaft des US-Bundesstaates Minnesota.“ Im Unterschied zu anderen Batterietechnologie verwendet Form Energy besonders Eisen: Im Norden von Minnesota befindet sich das reichste Eisenerzvorkommen der Welt.

Neue Entwicklungen und Projekte:

  • September 2024: Form Energy hat laut Canary Media eine Finanzierungsrunde in Höhe von 405 Millionen US-Dollar abgeschlossen, mit der das Unternehmen insgesamt über 1,2 Milliarden US-Dollar an Investitionen gesammelt hat. Diese Mittel sollen zur Beschleunigung der Produktionserweiterung und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze verwendet werden.
  • Pilotproduktion: Die Pilotproduktion in der Form Factory 1 in Weirton, West Virginia, läuft seit September 2024. Die kommerzielle Produktion soll 2025 starten.
  • Projekte:
    • Ein 150-MWh-Projekt zur Stabilisierung des Stromnetzes in Minnesota.
    • Der Bau der laut t3n größten Batterie der Welt mit einer Kapazität von 8,5 Gigawattstunden in Maine, die 2028 ans Netz gehen soll.
    • Ein Batteriepark in Irland mit einer Anfangskapazität von 1.000 MWh, die später auf bis zu 8.000 MWh erweitert werden kann. Hierbei geht es um einen Mehrtagesspeicher.

Investoren: Wer von Form Energy überzeugt ist

Die Eisen-Luft-Batterie überzeugt zahlreiche hochkarätige Investoren, so dass alleine die Series E-Finanzierungsrunde im Oktober 2022 405 Millionen US-Dollar einbrachte und im September 2024 um weitere 405 Millionen Euro verstärkt wurde.

Weitere Hintergründe zu Investoren gibt es auch in diesem Cleanthinking-Artikel. Zu den Investoren zählen Bill Gates mit Breakthrough Energy Ventures, Jeff Bezos von Amazon, und der Gründer von Virgin Richard Branson. Neben den Gallionsfiguren ist auch der Stahlgigant ArcelorMittal überzeugt und hat entsprechend investiert.

Weitere Investoren sind der Canada Pension Plan (CPP Investments), der Staatsfonds von Singapur, Capricorn Investment Group, Coatue, Energy Impact Partners, The Engine (MIT), Temasek Holdings sowie Prelude Ventures und VamosVentures.

Produktion in West Virginia

Im Dezember 2022 gab Form Energy bekannt, in West Virginia die erste Produktionsstätte für die Mehrtagesspeicher vom Typ Eisen-Luft bauen zu wollen. Das Investitionsvolumen für die exakt in Weirton geplante Anlage liegt bei 760 Millionen US-Dollar. Ziel war der Bau der Fabrik in 2023. Die Pilotproduktion begann schließlich im September 2024. 2025 soll die kommerzielle Fertigung starten.

Einschätzung von Martin Jendrischik, Gründer von Cleanthinking:

Lange machte Form Energy ein Geheimnis aus der eigenen Batterie-Technologie. Jetzt ist klar: Das Unternehmen hat die Eisen-Luft-Batterie weiterentwickelt, und arbeitet dafür an speziellen Eisenmaterialien, die das Speichern effizienter und effektiver machen. Mittlerweile wächst das Interesse an der Eisen-Luft-Batterie des Cleantech-Unternehmens spürbar.

Im Handelsblatt fordert Hanns Koenig von Aurora Energy Research, Deutschland müsse neben Wasserstoff als strategische Langzeitreserve auch exakt solche Lösungen wie die Eisen-Luft-Technologie fördern und vorantreiben. „Eisen-Luft-Batterien sind sehr spannend und würden es erlauben, große Energiemengen kostengünstig zu speichern“, so der Analyst. Allerdings merkt er an, dass die Speicherung in dieser Art noch nicht in großem Maßstab funktioniere. „Wenn man Wasserstofflösungen fördert – die es ja ebenfalls noch nicht im großen Maßstab gibt –, sollte man in Betracht ziehen, auch Lösungen wie Eisen-Luft-Batterien zu fördern.“

Der Inflation Reduction Act von Joe Biden ist perfekt dafür ausgestaltet, solche Innovationen zu beschleunigen. In Deutschland kann die Technologie durchaus für Quartiersspeicher in Frage kommen – zumindest, wenn ausreichend Platz vorhanden ist, wie etwa in Neubaugebieten oder als Ersatz für irgendwann nicht mehr gebrauchte Tankstellen.

Hierzulande wird oft behauptet, es gäbe keine skalierbaren Energiespeicher. Das ist natürlich kompletter Blödsinn. Fakt ist, dass die Innovationen (wie etwa auch die Lösung Energy Dome) dort entstehen und realisiert werden, wo die Rahmenbedingungen entsprechend sind – momentan sind diese in den USA und Australien besser als in Europa. Hieran muss auf allen Ebenen gearbeitet werden.

(Dieser Artikel entstand 2021. Letzte Aktualisierung im Januar 2025).

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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