Regionale Lösungen sind oft die Besten: Insel an der französischen Westküste setzt auf Elektrobusse und solche, die mit Ethanol fahren.
Dieses Beispiel aus Frankreich zeigt, wie sinnvoll es ist, lokale Lösungen beispielsweise im Hinblick auf Mobilität zu finden. Auf der französischen Insel Ile de Ré fahren jetzt acht Scania-Busse, die mit Ethanol angetrieben werden. Das Ethanol entsteht in Recyclingprozessen aus den Resten der lokal üppig vorhandenen Weinproduktion. Das zeigt: Manchmal liegt die passende Lösung buchstäblich um die Ecke.
Die Ile de Ré ist erst seit 1988 über eine 3,2 Kilometer lange Brücke für den Autoverkehr mit dem Festland, mit La Rochelle, verbunden. Die historische Insel liegt an der Westküste Frankreichs und wurde vor 30 Jahren erstmals attraktiv für den Tourismus. Die Folge: Die Bevölkerung von gewöhnlich 18.000 Menschen steigt in der Hochsaison auf 135.000 Bewohner an. Jedes Jahr überqueren drei Millionen Autos die Brücke.
Die Insel hat ein weitreichendes Programm gestartet, um sich als kohlenstoffarmes Gebiet zu etablieren. So entstand eine Ökosteuer, die die Hälfte der jährlichen Einnahmen von 14 Millionen Euro aus den Mautgebühren der Brücke einnimmt: Autofahrer zahlen im Winter acht Euro und im Sommer doppelt so viel, um die Brücke überqueren zu dürfen. Mit den Einnahmen werden saubere Energien finanziert, der Schutz von Ökosystemen sichergestellt und Dünen wiederhergestellt.
Man wolle die Besucher ermutigen, mit dem Bus zu kommen – und dafür sollten die öffentlichen Verkehrsmittel so sauber wie möglich sein. So entstand die einzigartige Kooperation zwischen Scania, Raisinor und Transdev mit Nouvelle-Aquitaine. Denn auf der Suche nach Alternativen neben Elektrobussen, fanden die Kommunen die Lösungen in der Weinproduktion. Der regelmäßige Busverkehr zwischen La Rochelle und dem westlichsten Punkt der Insel wird nun von Interlink-Bussen von Scania mit Ehtnaol aus Traubenresten der lokalen Weinproduktion betrieben.
Hergestellt wird der Ethanol-Kraftstoff von Raisinor France Alcools. Das Unternehmen nutzt dazu ausschließlich Abfallprodukte des Weinherstellungsprozesses. Nach der Ernte im vergangenen Herbst lieferten die lokalen Bauern im Umkreis von 50 Kilometern um die Brennerei 100.000 Tonnen Trester (Schalen-, Samen- und Stielreste von gepressten Trauben). Etwa ein Fünftel der Trauben sind Trester, der zu 150 Millionen Liter Alkohol verarbeitet wird.
Was früher ein schwach belasteter Rückstand des Weinbaus war – gemeinhin als Futtermittel verwertet oder als Düngemittel kompostiert -, wird heute gewinnbringend als Ethanol für Schwerfahrzeuge destilliert.
Vor fünf Jahren sahen die Winzer Trester hauptsächlich als unerwünschtes Nebenprodukt an, aber jetzt gilt sie als zusätzlicher und wertvoller Geldgeber. Wir produzieren Alkohol und extrahieren dann die Samen, um essbares Traubenkernöl herzustellen. Mit dem, was übrig bleibt, trocknen wir die Traubenschalen für die Verwendung als Tierfutter oder als Biokraftstoff.
Jérôme Budua, Geschäftsführer von Raisinor France Alcools
Vorreiter bei Ethanol- und Elektrobussen
Dieser Service ist das Ergebnis einer starken Bereitschaft der Region Nouvelle-Aquitaine, nachhaltige Mobilität zu übernehmen, die vor Ort mit Scania, dem Ethanol-Hersteller Raisinor und Transdev entwickelt wurde. Wir haben jetzt eine nachhaltigere Art und Weise, uns zu bewegen, und da Fahrräder hier auf der Ile de Ré eine Priorität haben, haben wir eine sehr schöne Kombination zwischen Bussen und Fahrrädern.
Thierry Mallet, CEO von Transdev, dem Unternehmen, das den Busverkehr betreibt.
Neben den neuen Ethanol-Bussen ist die Region Nouvelle-Aquitaine auch Vorreiter bei Elektrobussen und untersucht die Perspektiven autonomer Busse. „Wir haben eine Flotte von 5.000 neuen Bussen bestellt, um den Übergang zu erneuerbaren Energien in unserer Region zu beschleunigen“, sagt Renaud Lagrave, Vizepräsident der Regionalbehörde von Nouvelle-Aquitaine.
Er fügt hinzu: „Damals waren die Regierungen in der Reihe der COP-Konferenzen an Diskussionen über die CO2-Reduktion beteiligt. Wir hielten es für notwendig – ja sogar für eine Pflicht -, mit dem Übergang tatsächlich zu beginnen. Deshalb haben wir uns für diese Lösung für die nach Passagierzahlen größte Strecke der Region entschieden und testen in der Praxis eine Alternative mit Ethanol.“
Für Transdev, eines der größten öffentlichen Verkehrsunternehmen der Welt mit Niederlassungen in 20 Ländern auf fünf Kontinenten, wird die Buslinie 3 zwischen La Rochelle und der Ile de Ré ein Schaufenster für Ethanol sein.
Mit diesem Service haben wir etwas, das wir Frankreich und dem Rest der Welt zeigen können“, erklärt Thierry Mallet. „Es ist ein lokales Projekt, aber es ist auch eine Referenz dafür, was wir mit Ethanol machen können, wie es verwaltet werden kann, was die Kosten sind und was der Nutzen dieser Lösung ist.
Thierry Mallet, CEO von Transdev
Ausgelöst durch die wachsende Sorge um die globale Erwärmung ist Ethanol – das die CO2-Emissionen um bis zu 90 Prozent reduzieren kann – Gegenstand einer wachsenden Nachfrage, vor allem in Finnland, Frankreich, Norwegen und Schweden. Das sind gute Nachrichten für Raisinor.
Budua jedenfalls verspricht, die Ethanol-Produktion auszudehnen: „Die Verwendung von Ethanol in Fahrzeugen ist in unserer Region sehr sinnvoll. Am Wichtigsten ist, dass es sehr umweltschonend ist, da es lokal produziert und lokal genutzt wird. Das ist etwas Neues und es ist etwas, das in Zukunft gefördert werden muss.“
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.