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Droht die Gasifizierung der Energiewende?

Angriffe auf den Emissionshandel gefährden den Klimaschutz

Die Energiewende steht am Scheideweg. Eine unheilvolle Drift droht: Die Politik von SPD und Union scheint die Energiewende in eine „Gasifizierung“ zu lenken, die fossile Strukturen zementiert, statt die Klimaziele zu erreichen. Gleichzeitig gerät der Europäische Emissionshandel (ETS), das Herzstück des marktwirtschaftlichen Klimaschutzes, unter Beschuss – selbst ein CDU-Europaabgeordneter schlägt Alarm. Dieser Artikel taucht tief in die Materie ein, beleuchtet die Risiken und fragt: Wie retten wir die Energiewende vor fossilen Interessen und politischen Fehltritten?

ETS II: Ein Klimaschutzinstrument mit Zündstoff

Ab 2027 greift der zweite Europäische Emissionshandel, der EU ETS II, und zielt auf die Achillesferse der deutschen Klimapolitik: Verkehr und Wärme. Während der ETS I für Industrie und Energie längst zeigt, wie effektiv CO₂-Bepreisung Emissionen senkt, bleibt Deutschland in den neuen Sektoren ein Problemkind. Der ETS II soll das ändern – doch er birgt Sprengstoff. Hohe CO₂-Preise könnten Haushalte überfordern, soziale Spannungen schüren und die Akzeptanz für Klimaschutz untergraben.

Im März 2025 legte BloombergNEF eine Prognose vor, die es in sich hat: Bis 2035 sollen 705 Milliarden Euro Einnahmen fließen, der CO₂-Preis auf 149 Euro pro Tonne klettern – der weltweit höchste. Die Folgen für Verbraucher sind drastisch: Spritpreise könnten um bis zu 27 Prozent steigen, Gasheizungen bis zu 41 Prozent teurer werden, wenn die Kosten voll weitergereicht werden. Bis 2030 könnte der ETS II 232 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent einsparen – ein Beweis für die Wirksamkeit des Systems. Doch der Preis ist hoch, und nicht nur in Euro.

 

ZEW-Präsident Achim Wambach skizzierte im Januar 2025 in der WirtschaftsWoche ein noch düsteres Szenario: „Gaskunden könnten ab 2027 jährlich 1.000 Euro mehr fürs Heizen zahlen.“ Er rechnet mit einem CO₂-Preis von 200 Euro pro Tonne – weit über BloombergNEFs Schätzung. Für einen Vier-Personen-Haushalt mit Gasheizung bedeutete das eine finanzielle Schockwelle, für den Liter Benzin einen Aufschlag von 60 Cent. Seine Warnung hallt nach: „Die meisten sind auf diese Preise nicht vorbereitet.“

Friedrich Merz, vermutlich künftiger Bundeskanzler, sprach bei Caren Miosga Klartext: Der Emissionshandel sei das zentrale Instrument für den Klimaschutz, aber „zunächst für alle teurer“. Genau das ist die Idee: Fossile Energien verteuern, um Elektroautos, Wärmepumpen und erneuerbare Energien attraktiver zu machen.

Doch die Frage bleibt: Wird die Politik die Bürger – vor allem einkommensschwache Haushalte – auffangen? Die Frankfurter Allgemeine zweifelt daran, und Grünen-Politiker Andreas Audretsch spricht bei WELT TV von „sozialem Sprengstoff“. Ohne Ausgleich droht die Energiewende an ihrer eigenen Härte zu scheitern.

Politische Fehltritte: Strompreissenkung statt sozialer Gerechtigkeit

Die Koalition plant, die Einnahmen aus dem ETS vor allem in eine Senkung der Strompreise für Industrie und Verbraucher zu stecken. Klingt verlockend, doch der Effekt für Haushalte dürfte verschwindend sein. Monatliche Abschläge bleiben hoch, Rückerstattungen tauchen erst auf der Jahresrechnung auf – und wer verbindet das mit einer steuerlichen Entlastung? Die psychologische Wirkung ist gleich null. Dabei gäbe es klügere Wege, die Akzeptanz zu sichern.

Stellen Sie sich vor: Ein Klimageld, direkt aufs Konto überwiesen, klar als Klimaschutzmaßnahme gekennzeichnet. Es würde einkommensschwache Haushalte entlasten und die Botschaft senden: Klimaschutz lohnt sich für alle. Oder ein Deutschlandticket, dauerhaft günstiger, erweitert um autonome Ruf-Taxis, die den Stadt-Land-Verkehr revolutionieren. Solche Systeme stehen vor der Tür und könnten den Druck, auf dem Land ein Auto zu besitzen, spürbar senken.

Doch die Koalition scheint solche Ideen zu ignorieren – und steuert stattdessen auf eine fossile Sackgasse zu.

Gasifizierung: Ein fossiler Lock-in droht

Die Politik der Koalition, wie im Koalitionsvertrag festgezurrt, ist ein Rückschlag für die Energiewende. Statt auf Elektrifizierung und erneuerbare Energien zu setzen, wird fossiles Gas zur tragenden Säule hochstilisiert. Die Gasverteilnetze sollen nicht zurückgebaut, sondern ausgebaut werden – ein klarer Lock-in in fossile Strukturen. Bis 2030 sollen 20 Gigawatt Gaskraftwerke entstehen, ausgestattet mit teurer und fragwürdiger CO₂-Abscheidung (CCS), statt auf wasserstofffähige Technologien zu setzen.

Die Abschaffung der 65-Prozent-Pflicht für erneuerbare Energien im Gebäudeenergiegesetz öffnet fossilen Heizungen im Neubau wieder die Tür. CDU-Vize Andreas Jung feiert dies in der Bild als „Technologieoffenheit“ – ein Euphemismus für klimapolitischen Rückschritt.

Entwicklung CO2 Preis
Quelle: BILD

Dazu kommen Scheinlösungen wie „grüne Gase“. Synthetisches Methan und Biogas klingen modern, sind aber teuer, ineffizient und in relevanten Mengen kaum verfügbar, wie die Verbraucherzentrale warnt. Der Emissionshandel allein, so wichtig er ist, kann diese Lücke nicht schließen. Es fehlen ordnungsrechtliche Vorgaben und Förderprogramme, etwa für Wärmepumpen. Erdgas, einst als Brückentechnologie gedacht, wird zur Gasifizierungs-Dauerlösung. Der Neubau, ein Schlüssel für Emissionssenkungen, droht wieder in die Gasfalle zu tappen. Die Energiewende wird so auf Jahre hinaus ausgebremst.

Angriffe auf den Emissionshandel: Fossile Interessen am Werk

Der Emissionshandel selbst steht unter Dauerfeuer. CDU-Europaabgeordneter Peter Liese, einer der Väter des ETS, schlägt in der DVZ Alarm: „Es gibt massive Angriffe auf den ETS, vor allem gegen den ETS II, aber auch gegen den ETS I.“ Besonders Politiker aus Osteuropa – Polen, Tschechien, Slowakei – fordern, den ETS II zu kippen oder abzuschwächen. In Ländern wie Polen, wo der CO₂-Preis nur punktuell greift, wäre ein Sprung auf 100 oder 200 Euro pro Tonne ein sozialpolitischer Paukenschlag. Doch die Angriffe kommen nicht nur von außen.

Die Bild-Zeitung sorgt mit irritierenden Berichten für Verwirrung. Sie beruft sich auf angebliche Pläne der EU-Kommission, den CO₂-Preis 2027 bei nur 30 Euro pro Tonne zu halten – weit unter den Prognosen. Zwei Deutungen sind möglich: Entweder jubelt Bild darüber, dass Heizen und Tanken günstig bleiben, und unterstützt damit eine Abschwächung des ETS. Oder, wahrscheinlicher, die fossile Industrie nutzt das Springer-Medium, um Widerstände zu schüren.

Die Gaslobby wittert angesichts des Regierungswechsels Morgenluft – und strebt die Gasifizierung der Energie- und Wärmewende an. Während Elektroautos die Mobilität erobern, setzt die fossile Industrie alles darauf, Heizung und Energie zu dominieren. Spieler wie KKR oder Blackrock könnten hier ihre Finger im Spiel haben, um fossile Geschäfte zu verlängern – auf Kosten der Klimaziele.

Fazit: Elektrifizierung statt Gasifizierung!

Der ETS II wird den CO₂-Preis in die Höhe treiben – ein notwendiger Schritt für den Klimaschutz, aber eine Herausforderung für Verbraucher. Politische Widerstände aus Osteuropa und fragwürdige Medienberichte drohen, das System zu unterhöhlen. Gleichzeitig steuert die Koalition mit ihrer Gaslastigkeit in eine klimapolitische Sackgasse.

Statt auf Elektrifizierung und erneuerbare Energien zu setzen, verlässt sie sich auf fossile Lock-ins, teure Scheinlösungen wie CCS und „grüne Gase“. Die Debatte um den CO₂-Preis ist ein Spiegel politischer und wirtschaftlicher Interessen: Die fossile Industrie kämpft ums Überleben, während die Klimaziele in weite Ferne rücken.

Es ist höchste Zeit, den Emissionshandel zu verteidigen – als marktwirtschaftliches Herz des Klimaschutzes. Gleichzeitig muss die Energiewende zurück auf den Pfad der Elektrifizierung. Klimageld, ein attraktives Deutschlandticket und mutige Förderprogramme könnten die Akzeptanz sichern. Doch dafür braucht es politischen Willen – und den Mut, fossilen Interessen die Stirn zu bieten.

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