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Gebäude-TÜV und neue DIN-Norm 94681: Echter Kosten-Schock für Mieter oder Lobby-Geschrei?

BILD-Zeitung schürt Ängste bei Mieterinnen und Mietern wegen der „Verkehrssicherungsüberprüfung für Wohngebäude“. Berechtigt?

Die heutige Berichterstattung der BILD-Zeitung über einen angeblich drohenden „Kosten-Schock“ für Mieter durch die geplante, neue DIN-Norm 94681 zur „Verkehrssicherheitsüberprüfung für Wohngebäude“ („Gebäude-TÜV„) hat für Aufruhr in der Immobilienbranche gesorgt. Doch lohnt es sich, einen differenzierteren Blick auf die Thematik rund um den Gebäude-TÜV und die Verkehrssicherheitsprüfung von Gebäuden zu werfen und die eigentlichen Herausforderungen des bezahlbaren Wohnens in den Fokus zu rücken.

Gebäude-TÜV: Notwendige Sicherheitsmaßnahme oder überzogene Regulierung?

Die vom Deutschen Institut für Normung (DIN) vorgeschlagene Norm 94681 sieht umfangreiche jährliche Sicherheitsüberprüfungen für Wohngebäude vor. Diese reichen von der Kontrolle von Balkongeländern bis hin zur Überprüfung von Dachrinnen und Feuerlöschern. Auf den ersten Blick erscheinen diese Maßnahmen sinnvoll, um die Sicherheit von Bewohnern zu gewährleisten – und die allermeisten Maßnahmen gehören seit Jahren im Sinne der Verkehrssicherung von Gebäuden zum Standard.

Allerdings haben Verbände wie Haus & Grund Rheinland Westfalen und der GdW (Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen) gerade via BILD-Zeitung Alarm geschlagen und vor erheblichen Kostensteigerungen für Wohnungseigentümer und sogar Mieter gewarnt. Sie prognostizieren Mehrkosten von mehreren hundert Euro pro Jahr für Mieter, bei Einfamilienhäusern sogar bis zu 1.000 Euro jährlich.

Diese Warnungen müssen jedoch kritisch hinterfragt werden. Viele der vorgeschlagenen Überprüfungen gehören bereits jetzt zu den Verkehrssicherungspflichten von Immobilienbesitzern. Zudem können viele dieser Kontrollen von den Eigentümern selbst durchgeführt werden, ohne dass teure externe Dienstleister beauftragt werden müssen. Und die genannten Kosten basieren auf der Beauftragung entsprechender Dienstleister.

Droht Mietern wirklich ein "neuer Kosten-Schock", wie die BILD-Zeitung und die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft behaupten?
Droht Mietern wirklich ein „neuer Kosten-Schock“, wie die BILD-Zeitung und die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft behaupten?

DIN-Norm 94681: Ablenkung von den wahren Herausforderungen?

Verbandspräsident Adenauer (Mitte; Bild: Haus & Grund Rheinland Westfalen)
Verbandspräsident Adenauer (Mitte; Bild: Haus & Grund Rheinland Westfalen)

„Ich fordere das Deutsche Institut für Normierung dazu auf, diese Pläne sofort und vollständig aufzugeben. Wir brauchen keine weiteren Normen, die das Wohnen verteuern“, sagt Konrad Adenauer von Haus & Grund Rheinland Westfalen. Das DIN solle im Gegenteil seine Verantwortung für bezahlbares Wohnen ernst nehmen und darüber nachdenken, welche überflüssigen Normen gestrichen werden könnten, damit in Deutschland wieder bezahlbar gebaut und gewohnt werden könne, so Adenauer weiter.

Die heftige Reaktion der Immobilienlobby auf den geplanten Gebäude-TÜV und die neue DIN-Norm für Mieter lenkt von den eigentlichen Problemen des bezahlbaren Wohnens ab. Statt sich auf potenzielle Zusatzkosten durch Sicherheitsüberprüfungen zu fokussieren, sollten Immobilieneigentümer und die Wohnungswirtschaft ihre Aufmerksamkeit auf nachhaltige und kosteneffiziente Lösungen richten, die sowohl den Mietern als auch der Umwelt zugutekommen.

Elektrifizierung und erneuerbare Energien: Der Schlüssel zu niedrigeren Nebenkosten

Ein zentraler Ansatzpunkt zur Reduzierung der Wohnkosten liegt in der konsequenten Elektrifizierung von Gebäuden und der Nutzung erneuerbarer Energien. Konzepte wie Mieterstrom, die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung oder das innovative Hamburger Modell von Christian Warsch und Holger Laudeley bieten hier vielversprechende Lösungen für bezahlbares Wohnen insbesondere für Mieter.

Aber an der nachhaltigen Energieversorgung und konsequenten Elektrifizierung von Mietwohnungen hapert es in Deutschland an allen Ecken und Enden. Das wäre ein zukunftsweisender Schritt der konservativen Immobilieneigentümer-Szene, hier voranzugehen und echte Zukunftsfähigkeit zu schaffen. Zumal die Verbände selbst beklagen, dass nicht die Kaltmieten das Problem seien, sondern steigende Energiekosten – aber diesem Trend kann mit Photovoltaik, Solarthermie, Stromspeichern und Wärmepumpen sowie Fernwärme, wenn vorhanden, entgegengewirkt werden.

Mieterstrom-Modelle ermöglichen es Bewohnern von Mehrfamilienhäusern, von lokal erzeugtem Solarstrom zu profitieren. Solarstrom, der auf dem Dach erzeugt und etwa via Direktleitung in die Wohnungen geliefert oder zwischengespeichert wird, ist besonders nachhaltig, weil er Druck von den Verteilnetzen in der Umgebung nimmt.

  • Mieterstrom-Modelle: Solarenergie für alle
    Durch die Installation von Photovoltaikanlagen auf den Dächern können Vermieter günstigen Strom direkt an ihre Mieter liefern. Dies reduziert nicht nur die Stromkosten für die Bewohner, sondern trägt auch zur Energiewende bei.
  • Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung: Einfach und effizient
    Die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung stellt eine vereinfachte Variante des Mieterstroms dar. Hier wird der erzeugte Solarstrom direkt im Gebäude verbraucht, ohne dass komplexe Abrechnungsmodelle notwendig sind. Dies reduziert den administrativen Aufwand und macht die Nutzung von Solarenergie in Mehrfamilienhäusern noch attraktiver.
  • Das Hamburger Modell: Solidarische Balkonkraftwerke
    Ein besonders innovativer Ansatz ist das von Christian Warsch und Holger Laudeley entwickelte Hamburger Modell der solidarischen Balkonkraftwerke. Hierbei werden Mieter zu aktiven Teilnehmern der Energiewende, indem sie selbst kleine Solaranlagen an ihren Balkonen installieren können. Dieses Konzept fördert nicht nur die Nutzung erneuerbarer Energien, sondern stärkt auch das Gemeinschaftsgefühl unter den Bewohnern.

Heizungsmodernisierung: Weg von fossilen Brennstoffen

Ein weiterer wichtiger Aspekt zur Senkung der Mietnebenkosten ist die konsequente Umstellung der Heizungssysteme auf erneuerbare Energien. Der Austausch alter, ineffizienter Heizungsanlagen gegen moderne Wärmepumpen oder Pelletheizungen kann langfristig zu erheblichen Kosteneinsparungen führen. Auch die Nutzung von Fernwärme aus erneuerbaren Quellen bietet in vielen Städten eine nachhaltige Alternative.

Energieeffizienz: Der Schlüssel zu niedrigeren Heizkosten

Neben der Umstellung auf erneuerbare Energien spielt die Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden eine entscheidende Rolle bei der Reduzierung der Mietnebenkosten. Maßnahmen wie die Dämmung der obersten Geschossdecke, der Austausch alter Fenster und Türen sowie die Optimierung der Heizungssteuerung können den Energieverbrauch deutlich senken.

Fazit: Gebäude-TÜV und DIN-Norm als Chance für bezahlbares Wohnen begreifen

Statt den Gebäude-TÜV und die neue DIN-Norm für Mieter als Bedrohung zu sehen und schlicht abzulehnen, sollten Immobilieneigentümer und die Wohnungswirtschaft diese als Anlass nehmen, ihre Gebäude ganzheitlich zu betrachten und zu modernisieren. Die Investition in Sicherheit, Energieeffizienz und erneuerbare Energien zahlt sich langfristig aus – sowohl für die Vermieter als auch für die Mieter.

Die wahre Herausforderung liegt nicht in der Umsetzung neuer Sicherheitsstandards, sondern in der konsequenten Transformation des Gebäudebestands hin zu nachhaltigen, energieeffizienten Wohnkonzepten. Nur so können die Mietnebenkosten dauerhaft gesenkt und gleichzeitig ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden.

Immobilienbesitzer und Wohnungsunternehmen sind gefordert, proaktiv in die Zukunft zu investieren, anstatt sich gegen notwendige Veränderungen zu stemmen. Der geplante Gebäude-TÜV und die neue DIN-Norm für Mieter können als Katalysator für eine umfassende Modernisierungswelle dienen, von der am Ende alle profitieren – Vermieter, Mieter und die Umwelt.

Dies wäre ein wichtiger Schritt in Richtung bezahlbares Wohnen, das weit über die kurzfristigen Bedenken bezüglich möglicher Zusatzkosten hinausgeht. Der via BILD-Zeitung kolportierte emotionale Aufschrei, der Millionen Mieterinnen und Mietern Angst macht, wirkt dagegen wie ein Lobby-Streich, der eher dazu dienen soll, während der Koalitionsverhandlungen Aufmerksamkeit zu erzeugen.

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