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„Deutschland wird allein gelassen!“

Gießerei-Chefs warnen vor Exodus der Industrie und dem Scheitern der Transformation

Steigende Energiepreise und politische Untätigkeit treiben deutsche Gießereien an den Rand des Ruins. Die Geschäftsführer des Gießerei-Weltmarktführers Siempelkamp, Dirk Howe und Georg Geier, zeichnen ein düsteres Bild der Lage und fordern ein radikales Umdenken in der Energiepolitik. Die Folgen könnten weitreichend sein und die deutsche Transformation gefährden.

Die Stimmung in der deutschen Gießerei-Industrie ist alarmierend. Steigende Energiepreise, zunehmende Bürokratie und eine aus Sicht der Branche planlose Energiepolitik setzen den Unternehmen massiv zu. Die Geschäftsführer des Weltmarktführers Siempelkamp, Dirk Howe und Georg Geier, schlagen Alarm und warnen in einem Interview mit der WirtschaftsWoche vor einem Exodus der Industrie, der weitreichende Folgen für die deutsche Wirtschaft und die ambitionierten Transformationsziele haben könnte.

Gießereien wie Siempelkamp sind das Rückgrat der deutschen Industrie. Sie liefern essenzielle Komponenten für den Maschinenbau, die Automobilindustrie, die Energiebranche und viele weitere Sektoren. Ohne die Expertise und die Produktionskapazitäten der Gießereien ist die Transformation Deutschlands zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Wirtschaft nicht zu schaffen. Doch die Branche steht vor dem Kollaps. „Die Insolvenzliste in der Gießereibranche ist lang“, sagt Dirk Howe und zählt eine Reihe von Unternehmen auf, die in den letzten Monaten Insolvenz anmelden mussten. „Diese Unternehmen sind allesamt Opfer der aktuellen Rahmenbedingungen: explodierende Energiepreise, eine erdrückende Bürokratie und unfaire Wettbewerbsbedingungen durch staatlich subventionierte Konkurrenz aus China.“

Georg Geier, der gemeinsam mit Howe die Geschäfte von Siempelkamp führt, unterstreicht die Bedeutung der Gießereien für die deutsche Wirtschaft und warnt vor den Folgen eines Rückgangs der Produktion im Inland. „Schließen wir die Gießereien und die Schmieden, die dem Maschinenbau zuliefern, verliert auch diese Exportbranche seine Innovationskraft“, mahnt er. „Wer auf einem anonymen Weltmarkt sourcen muss, ist nicht mehr der erste Kunde, sondern muss sich hinten anstellen.“

Die Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten würde die deutsche Industrie schwächen und die ambitionierten Klimaziele in Gefahr bringen.

Siempelkamp selbst kann die Krise bisher durch innovative Technologien, Digitalisierung und eine internationale Ausrichtung abfedern. Das Unternehmen liefert Strukturbauteile für Hightech-Maschinen in aller Welt, darunter Offshore-Windräder, Großmotoren für Kraftwerke und Anlagen zur Förderung von Rohstoffen. Doch auch Siempelkamp spürt die Auswirkungen der hohen Strompreise.

„Wir haben Energieteuerungszuschläge eingeführt, die gibt es weder in China noch in Amerika, und in nordischen Gießereien auch nicht“, kritisiert Howe. „Wir produzieren nachhaltig effizienter als der Wettbewerb – die exogenen Kosten drängen uns aus einem fairen Wettbewerb raus.“

Besonders kritisch sehen die Geschäftsführer die Volatilität der Strompreise und die neuen Anforderungen an die Industrie, sich „netzdienlich“ zu verhalten. „Das hier ist eine augenscheinliche Planlos-Wirtschaft“, wettert Howe. „Früher habe ich 80 Prozent meiner Zeit auf die Verbesserung des Gießprozesses verwendet. Heute besteht 80 Prozent meiner Arbeit darin, preiswert Energie zu finden, Algorithmik aufzustellen, um die Flexibilität zu steuern, und obendrauf kommt noch die neue Energiebürokratie.“ Die Politik, so Howe, habe die Komplexität der Energiewende unterschätzt und die Industrie mit ihren Maßnahmen überfordert.

Geier und Howe fordern ein radikales Umdenken in der Energiepolitik. „Wir brauchen endlich Planbarkeit, Verlässlichkeit und zwar auf einem Niveau, dass die Wirtschaft überleben kann“, appelliert Geier an die Politik. „Die Energiebürokratie muss weg – diese Bürden kann sich unter dem aktuellen Kostendruck gerade keiner leisten.“ Statt auf Verbote und Regulierungen zu setzen, müsse die Politik die Unternehmen bei der Transformation unterstützen und Anreize für Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien schaffen.

Konkret schlagen sie die Bildung einer überparteilichen Task-Force Energie vor, die Sofortmaßnahmen initiiert. „Engagierte Politiker und Unternehmer müssen sich ideologiebefreit zusammensetzen und einen Plan für diese Zeit erarbeiten“, fordert Howe. „Sonst werden wir aus Nordamerika und China überrollt. Gibt es jetzt nicht die erforderlichen Sofortmaßnahmen, dann wird aus dem Sturm ein Orkan.“

Die Zeit drängt, denn die deutsche Industrie steht am Scheideweg. Ohne eine schnelle und entschlossene Reaktion der Politik droht ein Exodus der Unternehmen, der die Transformation Deutschlands in eine nachhaltige Zukunft gefährden könnte.

Hintergrund: Siempelkamp

Siempelkamp ist ein deutsches Unternehmen, das sich auf den Bau von Maschinen und Anlagen spezialisiert hat. Man kann sich Siempelkamp als einen vielseitigen Werkzeugkasten für die Industrie vorstellen. Ein Schwerpunkt liegt auf großen Gussteilen aus Eisen, die in verschiedenen Branchen zum Einsatz kommen, zum Beispiel in Windkraftanlagen, Schiffsmotoren und Förderanlagen für Rohstoffe. Daneben baut Siempelkamp Produktionsanlagen für die Holz-, Metall-, Gummi- und Kunststoffindustrie. Siempelkamp ist also sowohl in traditionellen Industrien als auch in Zukunftstechnologien aktiv. Sogar im Rückbau von Kernkraftwerken ist das Unternehmen tätig. Mit seinem breiten Portfolio an Produkten und Dienstleistungen trägt Siempelkamp entscheidend zur industriellen Entwicklung und zur Energiewende bei.

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