Glasgower Klimapakt weckt Hoffnung auf globalen Kohleausstieg

Der „zerbrechliche Sieg“ bei COP26 in der schottischen Hauptstadt muss durch Handeln der Weltgemeinschaft verbessert werden.

Die Weltgemeinschaft hat mit dem Glasgower Klimapakt am 13. November 2021 den Ausstieg aus der Kohleverbrennung eingeläutet und einen entsprechenden politischen Appell beschlossen. Dem Glasgow Climate Pact (Download letzter Entwurf) haben sich 200 Staaten oder Staatengemeinschaften während der 26. Klimakonferenz der Vereinten Nationen im schottischen Glasgow angeschlossen. Einige von ihnen allerdings mit heftigen Bauchschmerzen, weil die indische Delegation die Tonlage zum Kohleausstieg in allerletzter Minute veränderte – „Phase down“ statt „Phase Out“ (langsam auslaufen lassen / rasch abwickeln). Ob der Klimapakt von Glasgow 2021 trotzdem ein „historischer“ Erfolg ist, hängt nun vom tatsächlichen Verhalten der 197 Unterzeichner ab.

Als 2015 das Pariser Klima-Übereinkommen mit dem Ziel der Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels finalisiert war, lagen sich die Unterhändler der Staaten in den Armen. Kontrastprogramm am 13. November 2021, sechs Jahre danach: Als der Glasgower Klimapakt beschlossen war, gab es freundlichen Applaus. Der Vorsitzende Alok Sharma entschuldigte sich kurz vor der Bekanntgabe der Verabschiedung bei den Delegationen dafür, dass es eine Änderung in letzter Minute gegeben habe – der sprachlichen Veränderung beim Thema Kohleausstieg konnten Länder wie Fidschi, Schweiz oder Liechtenstein sowie die Europäische Union nur zustimmen, um das Gesamtpaket, das aus der UN-Klimakonferenz 26 hervorgeht, nicht mehr zu gefährden. Euphorie? Fehl am Platz.

Der entscheidende Moment bei der Weltklimakonferenz im Video ab Minute 44.

Die zwei Wochen in der schottischen Hauptstadt, die von dauerhaften und aktiven Protesten von Fridays for Future und vielen anderen Gruppierungen begleitet wurden, brachten durchaus wichtige Weichenstellungen hervor. So wurden Rahmenbedingungen festgeschrieben, die seit dem Pariser Übereinkommen offen waren – beispielsweise, wie Staaten anderen Staaten beim Klimaschutz helfen können, und wie dies bewertet wird. Außerdem gab es Initiativen zum Thema Kürzung der Methan-Emissionen, es gab einen überraschenden Pakt zwischen USA und China zu gemeinsamen Anstrengungen und etwas Bewegung bei der versprochenen Finanzierung in Höhe von 100 Milliarden Dollar pro Jahr für die Entwicklungsländer zur Anpassung an den Klimawandel.

Doch entscheidend ist vor allem eines: Die Versprechen der Staatengemeinschaft zur Reduzierung von CO2-Emissionen reichen bis heute längst nicht aus. Die Grafik der Energy Transitions Commission, aufbereitet von der BBC, zeigt es:

Nicht einmal die Hälfte der notwendigen Wegstrecke zur notwendigen Reduktion der CO2-Emissionen auf 26,6 Gigatonnen bis 2030 wäre zurückgelegt, würden die alle Staaten ihre Klimaversprechen einhalten. Doch hierfür bietet der Klimapakt von Glasgow womöglich einen positiven Mechanismus: Die Klimaversprechen – bislang mehr Versprechen als Handlungen – werden künftig jährlich überprüft. Im November 2022 steht in Ägypten die nächste Klimakonferenz COP27 auf dem Programm.

Das bedeutet: Die politische Wirkung, dass das Ziel der Reduktion der Treibhausgas-Emissionen um 45 Prozent bis 2030 verabredet wurde, wird sich durch die jährliche Überprüfung deutliche politische Wirkung entfalten, kommentiert Werner Eckert vom SWR für die tagesschau.

Doch vollkommen klar ist das, was auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres schrieb: Der Glasgower Klimapakt ist ein Kompromiss, der den politischen Willen der Weltgemeinschaft zum heutigen Zeitpunkt ausdrückt. Und: Wenn er der Anfang von der Dekade des Handelns ist, wird jede hinausgezögerte Entscheidung schwerwiegendere Folgen haben, aber zumindest kann es zum Erfolg führen.

Symbolisch dafür der Auftritt der Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock im heute-journal, die sich gerade mitten in Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer Ampel-Koalition mit SPD und FDP befindet (siehe auch tagesschau). Sie bekennt sich dabei glasklar zum früheren, deutschen Kohleausstieg 2030 – ein ermutigendes Signal, das Deutschlands Rolle bei Verhandlungen mit Südafrika und Indien stärkt: Denn entschieden wurde, dass Deutschland diesen Schwellenländern beim Kohleausstieg hilft. In welcher Form auch immer.

Zusammenfassung der COP26-Klimakonferenz laut Vereinten Nationen

Unter der britischen Präsidentschaft und mit Unterstützung des UNFCCC-Sekretariats haben die Delegierten Vereinbarungen getroffen, die den Ehrgeiz in den drei Säulen des kollektiven Klimaschutzes stärken.

Besonderes Augenmerk wurde bei den Beratungen auf die Anpassung gelegt. Die Vertragsparteien legten ein Arbeitsprogramm fest, um das globale Anpassungsziel zu definieren, das kollektive Bedürfnisse und Lösungen für die Klimakrise, von der bereits viele Länder betroffen sind, aufzeigen wird. Das Santiago-Netzwerk wurde weiter gestärkt, indem seine Aufgaben zur Unterstützung der Länder bei der Bewältigung von Verlusten und Schäden präzisiert wurden. Und die CMA genehmigte die beiden Register für die NDCs und die Anpassungsmitteilungen, die als Kanäle für den Informationsfluss in Richtung der globalen Bestandsaufnahme dienen, die ab 2023 alle fünf Jahre stattfinden soll.

Die Finanzierung wurde während der gesamten Sitzung ausgiebig erörtert, und es herrschte Einigkeit darüber, dass die Unterstützung für die Entwicklungsländer weiter erhöht werden muss. Die Forderung, die Mittel für die Anpassung mindestens zu verdoppeln, wurde von den Vertragsparteien begrüßt. Auch die Verpflichtung zur Erfüllung der Zusage, jährlich 100 Milliarden Dollar von den Industrieländern für die Entwicklungsländer bereitzustellen, wurde erneut bekräftigt. Außerdem wurde ein Prozess zur Festlegung eines neuen globalen Finanzierungsziels eingeleitet.

Im Bereich der Emissionsminderung wurde die anhaltende Lücke bei den Emissionen klar identifiziert, und die Vertragsparteien kamen überein, gemeinsam daran zu arbeiten, diese Lücke zu verringern und sicherzustellen, dass die Welt in diesem Jahrzehnt weiter voranschreitet, damit der Anstieg der Durchschnittstemperatur auf 1,5 Grad begrenzt wird. Die Vertragsparteien werden ermutigt, ihre Emissionsreduzierungen zu verstärken und ihre nationalen Klimaschutzzusagen mit dem Pariser Abkommen in Einklang zu bringen.

Ein wichtiges Ergebnis ist außerdem der Abschluss des sogenannten Pariser Regelwerks. Es wurde eine Einigung über die grundlegenden Normen im Zusammenhang mit Artikel 6 über Kohlenstoffmärkte erzielt, die das Pariser Abkommen voll funktionsfähig machen werden. Dies wird sowohl den marktwirtschaftlichen als auch den nicht marktwirtschaftlichen Ansätzen zur Unterstützung der Eindämmung und Anpassung Sicherheit und Vorhersehbarkeit verleihen. Auch die Verhandlungen über den verbesserten Transparenzrahmen wurden abgeschlossen, der vereinbarte Tabellen und Formate für die Rechenschaftslegung und Berichterstattung über Ziele und Emissionen vorsieht.

Alok Sharma schrieb in seinem Statement nach der Konferenz:

Ich bin wirklich froh, dass dies gelungen ist. Das ist das Ergebnis der harten Arbeit des britischen Teams, der harten Arbeit aller Parteien, der großartigen Zusammenarbeit aller Verhandlungsführer und aller Minister, und gleich zu Beginn des Gipfels haben die Staats- und Regierungschefs der Welt dargelegt, was sie von dieser Veranstaltung erwarten.

Ich würde jedoch sagen, dass dies ein zerbrechlicher Sieg ist. Wir haben 1,5 am Leben erhalten. Das war unser übergeordnetes Ziel, als wir uns vor zwei Jahren auf diese Reise begaben und die Rolle des designierten COP-Vorsitzes übernahmen.

Aber ich würde trotzdem sagen, dass der Puls von 1.5 schwach ist.

Deshalb haben wir zwar, wie ich glaube, eine historische Einigung erzielt. Diese wird nicht nur daran gemessen werden, dass die Länder unterschrieben haben, sondern auch daran, ob sie die Verpflichtungen erfüllen und einhalten.

Alok Sharma, President COP26, Statement

Letztlich bleibt nach dem zerbrechlichen Sieg rund um den Glasgower Klimapakt die vage Hoffnung, den Kompromiss durch Handeln der Weltgemeinschaft verbessern zu können. Gemessen an den wissenschaftlichen Erfordernissen ist der Klimapakt von Glasgow eine große Enttäuschung – gemessen daran, dass 197 Staaten auf Linie gebracht werden müssen, die ganz unterschiedliche Voraussetzungen haben, ist das Ergebnis ein hoffnungsvolles Signal, wenngleich auch nicht mehr. Radikale Beschlüsse sind bei 197 Verhandlungspartnern nicht zu erwarten – so sehr man sich das wünschen würde.

Für Greta Thunberg ist das Ergebnis wenig überraschend nur „Bla Bla Bla“, und wird nun im Folgenden schöngeredet:

Differenzierter betrachtet die Weltpresse die Resultate rund um COP26 und den Glasgower Klimapakt – einige Schlagzeilen zur Veranschaulichung:

WELT Online vom 14. November 2021
SPIEGEL Online vom 13. November 2021
Die Financial Times über den Glasgower Klimagipfel und Klimapakt
CNN verweist darauf, die Dringlichkeit nicht berücksichtigt zu haben.
Kante: Die New York Times bringt es auf den Punkt.
The Independent vom 13. November 2021, dem letzten Tag des Klimagipfels COP26.

Fazit: Was bleibt vom Glasgower Klimapakt?

Die ökologische Transformation ist ein einschneidender Prozess, der durch disruptive Entwicklungen in den Märkten entscheidend unterstützt werden muss – wie es auch Tony Seba immer wieder beschreibt. Wie im Artikel Desaster Energiewende beschrieben, gibt es unzählige Gründe, warum es global, aber auch in Deutschland, mit dem Umbau nicht so vorangeht, wie es vorangehen müsste. Das Resultat kann nur sein: Weiter Druck auf der Straße machen, und gleichzeitig das, was mit den derzeitigen Rahmenbedingungen umsetzbar ist, selbst umsetzen.

Und: Alles dafür tun, dass die disruptiven Entwicklungen etwa nicht nur den Energie- und Verkehrssektor erfassen, sondern auch die Landwirtschaft und damit die gesamte Ernährungsindustrie. Denn in der Viehzucht liegt der gewaltige Schlüssel der Methan-Emissionen.

Vor wenigen Jahren wäre ein Text wie der des Glasgower Klimapakts unmöglich gewesen. Insofern ist Bewegung in die richtige Richtung vorhanden. Die Krux an der Sache ist, dass die Klimakrise schneller und härter voranschreitet, als beispielsweise noch 2015 angenommen. Die neue „Dynamik“ der Staaten ist weiterhin weniger stark als die Dynamik der Klimakrise. Und das wird am Ende vielen, vielen Menschen die Lebensgrundlage entziehen und unzählige Todesopfer fordern.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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