Global Electricity Review 2024: Neuer Report zeigt spektakuläre Expansion der Erneuerbaren
Ember Climate: „Der Rückgang der Emissionen im Stromsektor ist nun unvermeidlich.“
Im Jahr 2023 lag der Anteil regenerativen Energien an der Stromerzeugung weltweit erstmals bei mehr als 30 Prozent. Das geht aus dem neuen „Global Electricity Review 2024“ der Denkfabrik Ember Climate hervor. Demnach verläuft die spektakuläre Expansion insbesondere im Bereich Solarenergie sehr viel schneller als in den allermeisten Prognosen erwartet. „Der Rückgang der Emissionen im Stromsektor ist nun unvermeidlich“, kommentiert Dave Jones (Linkedin), Global Insights Programmdirektor bei Ember.
Aus Sicht der Denkfabrik war 2023 „wahrscheinlich“ das Jahr mit den höchsten Emissionen im globalen Stromsektor. Der globale Wendepunkt, ausgelöst durch die Revolution der erneuerbaren Energien, ist rekordverdächtig und führt ab jetzt zu einer saubereren Stromerzeugung. „Solar- und Windenergie verlangsamen jetzt nicht mehr nur das Emissionswachstum, sondern beginnen sogar, die fossile Erzeugung zu verdrängen“, heißt es im Global Electricity Review 2024.
Im Jahr 2023 hat das Wachstum von Solar- und Windenergie die Welt zum ersten Mal über 30 Prozent erneuerbaren Strom gebracht. Der Anteil der erneuerbaren Energien am weltweiten Strom ist von 19 Prozent im Jahr 2000 gestiegen, angetrieben durch einen Anstieg von Solar- und Windenergie von 0,2 Prozent im Jahr 2000 auf einen Rekordwert von 13,4 Prozent im Jahr 2023.
China leistete im Jahr 2023 mit 51 Prozent der zusätzlichen weltweiten Solarerzeugung und 60 Prozent der neuen globalen Winderzeugung den größten Beitrag. In Kombination mit der Kernenergie erzeugte die Welt im Jahr 2023 fast 40 Prozent ihres Stroms aus kohlenstoffarmen Quellen. Infolgedessen erreichte die CO2-Intensität der weltweiten Stromerzeugung ein neues Rekordtief, das 12 Prozent unter ihrem Höchststand im Jahr 2007 lag.
Nichts wächst schneller als Solar
Besonderen Anteil an der beschriebenen Entwicklung hat die Solarenergie. Keine andere disruptive saubere Technologie wächst schneller als Solar. Dementsprechend führt die Technologie auch den Energiewende-Schnellzug an, der für den notwendigen Wandel sorgt. Solar wächst nicht nur besonders schnell, sondern ist auch erneut die größte neue Stromquelle – vor Windkraft.
Tatsächlich hat die Solarenergie im Jahr 2023 mehr als doppelt so viel neuen Strom hinzugefügt wie Kohle. Der Rekordanstieg der Installationen am Ende des Jahres 2023 bedeutet, dass 2024 ein noch größerer Anstieg der Solarstromerzeugung erwartet wird.
Wasserkraft: Probleme mit Dürren
Die Dürre in weiten Teilen der Welt führte zu einem Rekordrückgang der Wasserkrafterzeugung, die auf ein Fünfjahrestief fiel. Unter normalen Bedingungen hätte die im Jahr 2023 hinzugefügte saubere Kapazität ausgereicht, um einen Rückgang der fossilen Erzeugung um 1,1 Prozent zu ermöglichen.
Das Defizit an Wasserkraft wurde jedoch durch einen Anstieg der Kohleerzeugung ausgeglichen, was zu einem Anstieg der weltweiten Emissionen des Energiesektors um ein Prozent führte. 95 Prozent des Anstiegs der Kohleverstromung im Jahr 2023 entfielen auf vier Länder, die stark von Dürren betroffen waren: China, Indien, Vietnam und Mexiko.
Nachfragetempo verlangsamte sich
Die weltweite Stromnachfrage stieg im Jahr 2023 auf ein Rekordhoch, mit einem Anstieg von 627 Terawattstunden (TWh), was der gesamten Nachfrage Kanadas (+607 TWh) entspricht. Dennoch lag der Anstieg im Jahr 2023 mit 2,2 Prozent unter dem Durchschnitt der letzten Jahre, was auf einen deutlichen Nachfragerückgang in den OECD-Ländern, insbesondere den USA (-1,4 %) und der EU (-3,4 %), zurückzuführen ist.
Im Gegensatz dazu entsprach das schnelle Nachfragewachstum in China (+6,9 %) dem gesamten globalen Nachfragewachstum im Jahr 2023. Mehr als die Hälfte des Strombedarfsanstiegs im Jahr 2023 entfiel auf fünf Technologien: Elektroautos, Wärmepumpen, Elektrolyseure, Klimaanlagen und Rechenzentren.
Die Verbreitung dieser Technologien wird das Wachstum der Stromnachfrage beschleunigen, aber die Gesamtenergienachfrage wird sinken, da die Elektrifizierung viel effizienter ist als fossile Brennstoffe.
Global Electricity Review 2024: Neue Ära sinkender Emissionen
Ember Climate prognostiziert, dass die fossile Erzeugung im Jahr 2024 leicht zurückgehen wird, was in den Folgejahren zu größeren Rückgängen führen wird. Das Nachfragewachstum im Jahr 2024 wird voraussichtlich höher sein als im Jahr 2023 (+968 TWh), aber das Wachstum der sauberen Erzeugung wird voraussichtlich noch größer sein (+1300 TWh), was zu einem Rückgang der weltweiten fossilen Erzeugung um zwei Prozent (-333 TWh) führen wird.
Bereits die Einführung sauberer Stromerzeugung, angeführt von Solar- und Windkraft, hat dazu beigetragen, das Wachstum fossiler Brennstoffe in den letzten zehn Jahren um fast zwei Drittel zu verlangsamen.
Infolgedessen hat die Hälfte der Volkswirtschaften der Welt bereits mindestens fünf Jahre einen Höhepunkt der Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen überschritten.
Die OECD-Länder stehen dabei an vorderster Front, wobei die Emissionen des Energiesektors 2007 insgesamt ihren Höhepunkt erreichten und seitdem um 28 Prozent gesunken sind.
Das Tempo des Emissionsrückgangs wird davon abhängen, wie schnell der Ausbau sauberer Energie voranschreitet. Es besteht ein globaler Konsens über das Ausmaß der erforderlichen Ambitionen.
COP28: Auf Ambitionen folgen Taten
Auf der UN-Klimakonferenz COP28 im Dezember erzielten die Staats- und Regierungschefs der Welt eine historische Vereinbarung, die globale Kapazität für erneuerbare Energien bis 2030 zu verdreifachen. Das Ziel sieht vor, dass die Welt bis 2030 60 Prozent erneuerbaren Strom erreicht, was die Emissionen des Stromsektors fast halbiert und die Welt auf einen Weg bringt, der auf das 1,5-Grad-Klimaziel ausgerichtet ist.
Die Staats- und Regierungschefs einigten sich auf der COP28 auch darauf, die jährlichen Energieeffizienzverbesserungen bis 2030 zu verdoppeln, was entscheidend sein wird, um das volle Potenzial der Elektrifizierung auszuschöpfen und einen galoppierenden Anstieg der Stromnachfrage zu vermeiden.
Energiewende: China, Brasilien und Niederlande als Vorbilder
Die Länder demonstrieren bereits die wichtigsten Voraussetzungen, die ein rasches Wachstum von Solar- und Windenergie ankurbeln, einschließlich hochrangiger politischer Ambitionen, Anreizmechanismen und Flexibilitätslösungen.
Der Bericht hebt drei Länder hervor – China, Brasilien und die Niederlande –, die zeigen, dass die Kombination dieser Ansätze trotz sehr unterschiedlicher Ausgangspunkte zu einer raschen Transformation ihrer Stromsysteme führt und den Weg für eine saubere, elektrifizierte Wirtschaft ebnet.
Ember Climate sieht „Game-Changer für das Klima“
„Es gibt eine beispiellose Chance für Länder, die sich dafür entscheiden, an der Spitze der sauberen Energiezukunft zu stehen. Der Ausbau von sauberem Strom trägt nicht nur zur Dekarbonisierung des Stromsektors bei. Es bietet auch die Erhöhung des Angebots, die für die Elektrifizierung der gesamten Wirtschaft erforderlich ist: Und das ist der eigentliche Game-Changer für das Klima“, erklärt Dave Jones.
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Der Rekord von 30 Prozent erneuerbare Energien an der gesamten Stromerzeugung im Jahr 2023 und die massiv nach oben korrigierten Prognosen für den weiteren Ausbau zeigen zweierlei:
- Einerseits, dass es sich um eine Disruption handelt – und somit das Wachstum nicht linear verläuft, sondern exponentiell.
- Andererseits, dass saubere Technologien der entscheidende Hoffnungsanker sind, an den sich auch die Klimawissenschaftler klammern, wenn es darum geht, die Erderwärmung auf eine 2,5 Grad wärmere Welt zu verhindern.
Die Kernfrage von Cleanthinking – kann Cleantech zur Bekämpfung der Klimakrise beitragen – kann angesichts dieser Entwicklung mit einem immer deutlicheren „Ja“ beantwortet werden. Weitere Krisen wie etwa ein russischer Angriff auf NATO-Gebiet wären aber ganz sicher nicht förderlich. Risiken sind also vorhanden, aber die globale grüne Transformation hat insgesamt dramatisch an Dynamik gewonnen. Das ist eine gute Nachricht.
Hier gibt es die Download-Übersicht bei Ember rund um den Global Electricity Review 2024: Neuer Report zeigt spektakuläre Expansion der Erneuerbaren – u.a. mit einer Zusammenfassung für Entscheidungsträger.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.