Der Griechische Solarboom führt zur Abschaltung von erneuerbaren Erzeugungsanlagen.
Griechenland ist im Hinblick auf die Energiewende ein Land im Aufbruch: Doch der griechische Solarboom führt derzeit immer wieder zur Abregelung von Solaranlagen zur Mittagsspitze – negative Strompreise sind Normalität, denn das Stromangebot überstieg allein im April an 17 Tagen die Nachfrage. Es fehlen Speicher, flexible Verbraucher und Stromleitungen etwa durch die Adria nach Deutschland. Griechenland will aus der Kohle- und Gasverstromung aussteigen, um sich bis 2030 autark mit erneuerbaren Energien zu versorgen – und vom Stromim- zum Stromexporteur zu werden.
Der Co-Geschäftsführer der Denkfabrik RethinkX, Tony Seba, bezeichnet solche Stromüberschüsse als Superenergie. Mit der Clean Energy U-Kurve hat Seba mit seinem Team einen theoretischen Rahmen geschaffen, der zeigt, wie ein Land die Kombination aus Solar, Wind und Batterien managen sollte. Doch der Weg zum kosteneffizienten Gleichgewicht kann – wie das Beispiel Energiewende Griechenland zeigt – steinig sein.
Derzeit boomt bei den Griechen alles, was mit erneuerbaren Energien zu tun hat. Während heute etwa 12 Gigawatt Solar und Wind installiert sind, sind weitere 32 Gigawatt in Bau, genehmigt oder vollständig beantragt. Alleine 2023 wurden zwei Gigawatt Solar ans Netz angeschlossen. Die konservative Regierung in Athen unterstützt den Solarboom zusätzlich.
Doch seit die Energieversorger Alarm geschlagen haben wegen zunehmender Abregelungsbedarfe gibt es ganz andere Überlegungen in der Regierung: Der vergünstigte Nachstromtarif soll abgeschafft werden. Stattdessen soll es günstig werden, Strom zwischen 11 und 16 zu verbrauchen.
Gleichzeitig wird der Ausbau von Speichertechnologien forciert. So entstehen in Griechenland zahlreiche Pumspeicherkraftwerke – eines für 650 Millionen Euro ist die größte Energiebaustelle Europas und erhielt 250 Millionen Euro Zuschuss von der EU. Aber bis zur Fertigstellung Anfang 2026 wird es weiter die Probleme mit der Netzstabilität geben. Dafür sollen u.a. Batteriespeicher Abhilfe schaffen, die kurzfristig installiert werden können.
Darüber hinaus denkt die griechische Regierung angesichts von Strom und Superenergie im Überfluss darüber nach, effiziente und intelligente Haushaltsgeräte zu fördern, so dass die arbeitenden Griechen per App ihre Spül- oder Waschmaschine starten können, wenn die Mittagsspitze auf der Suche nach Verbrauchern ist.
Langfristig will Griechenland zum Strom-Exporteur werden, wenn beispielsweise auch 12 Gigawatt Offshore-Windkraft installiert sind. Dazu braucht es verstärkte Stromleitungen nach Italien, den Balkan oder – wie kürzlich vorgeschlagen – durch die Adria nach Deutschland. Schon heute dämpft der Stromexport überschüssiger Solarenergie etwa nach Süd-Italien das Dilemma mit der Superenergie. Aber im Grunde möchte ein Land wie Griechenland mehr aus diesem Potenzial machen als es ausgerechnet zur Mittagszeit ins ebenfalls sonnenreiche Süditalien zu verramschen.
Wärmepumpen und Elektroautos sind ein Segen
Ein Energiesystem auf Basis erneuerbarer Energien ist eine wesentlich komplexere Angelegenheit als eines mit wenigen fossilen Kraftwerken. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass sich Energie-Mythen hartnäckig halten und nur in sehr kleinen Schritten entlarvt werden. Der Mythos beispielsweise, dass Elektroautos und Wärmepumpen eine Belastung für Stromnetze wären.
Denn das Beispiel Griechenland zeigt: Es werden dringend flexible Verbraucher wie etwa Wärmepumpen, Wallboxen oder Trockner und Spülmaschinen gebraucht, um zur Stromnetzstabilität beizutragen. Das Beispiel Oranienburg wiederum hat gezeigt, dass der Netzausbau allerdings auf allen Ebenen mit der Integration solcher elektrischer Systembestandteile Schritt halten muss….
In Texas, wo es sehr viel Windstrom gibt, gibt Tesla seinen Powerwall- und Supercharger-Kunden supergünstige Flatrate-Konditionen, weil das Technologieunternehmen hier zum Stromhändler geworden ist und zumeist ausreichend erneuerbare Energie vorhanden ist.
Europäisches Supernetz macht Sinn
Europaweit gibt es weitreichende Überlegungen für ein umspannendes Supergrid, das es ermöglichen soll, Strom über weite Distanzen handeln zu können. Die Beispiele zeigen, dass dies für Griechenland im Solarboom sehr wichtig wäre. Denn perspektivisch wird es für Griechenland schwer bis unmöglich, zur Mittagszeit überschüssigen Strom innerhalb Europas zu verkaufen – weil die allermeisten Länder PV-Überschüsse haben werden.
Allerdings sorgt das Supergrid für möglichen Stromhandel über große Distanzen – die Wahrscheinlichkeit erhöhend, dass es in anderen Regionen gerade bewölkt ist, während bei den Griechen die Sonne lacht. Und: Das Supergrid verbindet den windstarken Norden mit dem sonnenverwöhnten Süden – dadurch wird das oft als „komplementär“ gepriesene Zusammenspiel von Solar und Wind ideal genutzt. Das könnte wiederum den Speicherbedarf reduzieren.
Weitere Informationen zur Supergrid-Idee.
Der griechische Solarboom ist derzeit eine echte Herausforderung für Regierung und Stromversorger. Aber mittelfristig – spätestens zum Ende der Dekade – wird es Griechenland mit seinen idealen Voraussetzungen für Solar und Wind geschafft haben, zum Stromexporteur zu werden. In Verbindung mit einem Supergrid sicher auch im Sommer in den Mittagsstunden. Für die Energiewende und den Kampf gegen den Klimawandel ist das eine tolle Nachricht.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.