Das Power-to-X-Verfahren der Chemieanlagenbau Chemnitz GmbH produziert synthetisches Benzin auf Basis von Strom, Wasser und CO2.
Chemnitzer Forscher haben einen synthetischen Benzin-Ersatz aus Strom, Kohlendioxid und Wasser hergestellt. Das Power-to-X-Verfahren der Chemieanlagenbau Chemnitz GmbH basiert auf der Umwandlung von Methanol in Benzin. Mit diesem Verfahrensschritt wurden jetzt zwölf Tonnen Benzin im industriellen Maßstab hergestellt und Autokonzernen für Tests zur Verfügung gestellt.
Die 20er Jahre dieses Jahrhunderts werden unsere Mobilität radikal und nachhaltig verändern. Das geschieht über Mobilitätsdienstleistungen – also den Bus oder das Auto auf Nachfrage – oder durch autonomes Fahren, das uns, insbesondere Berufspendlern, viel Lebenszeit zurückgeben wird. Aber letztlich wird neben dem Elektroauto, dessen Aufstieg unzweifelhaft rasant und disruptiv kommen wird, auch alternative, künstlich erzeugte Kraftstoffe eine Rolle spielen. Womöglich auch das Benzin auf Methanol-Basis, das die Chemnitzer Forscher der Chemieanlagenbau Chemnitz GmbH entwickelt haben.
Wir gehen davon aus, dass Autos in Zukunft verstärkt mit synthetisch hergestelltem Benzin oder Diesel fahren werden.
Joachim Engelmann, Geschäftsführer und Gesellschafter der Chemieanlagenbau Chemnitz GmbH
Hintergrund für den Optimismus Engelmanns: Bis 2030 soll lat der Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED II (Renewable Energy Directive) der erneuerbare Anteil in Kraftstoffen bei 14 Prozent liegen. Das ist eine Verdopplung im Vergleich zur heutigen Erneuerbaren-Menge. „Synthetisch hergestelltes Benzin reduziert die CO2-Emissionen und kann abwärtskompatibel für die Automobil-Bestandsflotte genutzt werden“, so Engelmann.
CAC-Prozess zur Erzeugung von „grünem“ Benzin
Das Unternehmen hat seinen Prozess in einer Demonstrationsanlage an der TU Bergakademie Freiberg bewiesen und zwölf Tonnen des „grünen“ Benzins produziert. Grundsätzlich soll für das Gesamtverfahren das CO2 entweder aus der Luft oder aus Industrieabgasen stammen. Wird das Kohlendioxid direkt aus einer Industrieanlage aufgefangen, entstehen dort nahezu keine Abgase. Das sogenannte Carbon Capture wird zur Win-Win-Situation sowohl für die Industrie als auch für die synthetische Kraftstoffherstellung, die genau dieses CO2 braucht.
Der benötigte Wasserstoff wird im Elektrolyse-Verfahren aus ganz normalem Wasser gewonnen. Dazu braucht man Strom – und wenn dieser noch dazu aus nachhaltigen Energiequellen stammt, werden CO2-Emissionen verringert. Für ein Modellprojekt hat die CAC zusammen mit Mitsubishi Hitachi Power Systems Europe GmbH (MHPSE) eine komplette Prozesskette inklusive der Stromerzeugung aus Wasserkraft prozesstechnisch entwickelt und simuliert. Ziel des Projektes ist die Herstellung eines synthetisch hochoktanigen Kraftstoffes, welcher nahezu komplett CO2-neutral ist.
Während Engelmann davon überzeugt ist, dass die Technologie nun bereits marktreif sei, sieht Prof. Bernd Meyer von der TU Bergakademie Freiberg, der das Forschungsprojekt C3 Mobility gemeinsam mit CAC vorantreibt, noch weiteren Forschungsbedarf. „Wir sind die einzigen, die bereits heute große Mengen an CO2-neutralem Benzin herstellen können. Dennoch gibt es noch einiges zu tun, bis wir an der Tankstelle „Freiberger CO2-frei“ bekommen“, so Meyer.
Ein wichtiger Schritt neben den Tests der Autohersteller: Wissenschaftler am Institut der Bergakademie sollen Syntheseverfahren und Versuchsergebnisse umfassend analysieren, um die Prozessparameter zu optimieren. Außerdem wird an der Entwicklung und Testung fortschrittlicher Katalysatoren für zukünftige Kraftstoffe gearbeitet. Für 2020 ist dann ein zweiter Versuch an der Anlage geplant, bei dem weitere 15 bis 25 Kubikmeter grünes Benzin produziert werden sollen.
Die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten werden im Rahmen des Forschungsprojektes „C3 Mobility“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Inwieweit grünes Benzin aus Sachsen demnächst im großen Maßstab produziert werden kann, steht aber noch in den Sternen. Neben Interesse aus Südamerika spricht Engelmann in einem MDR-Beitrag auch von Gesprächen in Skandinavien – für den Bau einer kommerziellen Industrieanlage für grünes Benzin.
Sunfire: Anderes Verfahren ebenfalls aus Sachsen
Neben Chemieanlagenbau Chemnitz hat auch das Dresdner Cleantech-Unternehmen Sunfire eine Power-to-X-Technologie entwickelt. Dabei entsteht aus CO2 und Wasserstoff zunächst Synthesegas, kein Methanol. Anschließend funktioniert auch hier die Synthese zu Benzin, Diesel und Kerosin oder Wachse für die Chemieindustrie. Dafür hat Sunfire eine spezielle Elektrolyse-Technologie entwickelt: Die Hochtemperatur-Wasserdampf-Elektrolyse gilt als besonders effizient.
Sogenannte Power Fuels haben Vorteile, weil mit ihnen die bisherigen Kraftstoffe sauberer gemacht werden können. Allerdings besteht bei Verbreitung der Technologie die Gefahr, dass der Umbau der Mobilität gerade im Bereich PKW ins Stocken gerät. Daher: Power Fuels dürfen keine Ausrede sein, reine Elektromobilität zu vernachlässigen. Denn: Power Fuels herzustellen ist energieintensiv und sollte nur dort eingesetzt werden, wo keine direkte Elektrifizierng mit viel höherem Wirkungsgrad möglich ist.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.