Beim BEE-Sommerfest erklärt der Vizekanzler am Beispiel von Deutschlands Stromimporten die Strategie der AfD und zeigt Lösungswege auf.
„Wie arbeitet die Rechte? Mit Falschbehauptungen und Überspitzungen!“ Das sagte Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck kürzlich beim Sommerfest des Bundesverbandes Erneuerbare Energien. Wie Robert Habeck die populistische Rechte entlarven will? Am Beispiel deutscher Stromimporte verdeutlichte der Politiker, wie von Anti-Demokraten versucht werde, die öffentliche Debatte so „negativ aufzuladen“, dass sie nicht mehr rational bearbeitet werden könne. „Der vom gerade verstorbenen Klaus Töpfer beschworene Konsens der Demokraten steht wie nie in Frage“, so Habeck unter dem Beifall von 1.500 Gästen des Verbandes in Berlin.
Deutschlands Netto-Stromimporte liegen bei zwei Prozent der öffentlichen Stromversorgung. Richtig ist, dass das Land im vergangenen Jahr erstmals seit 20 Jahren wieder mehr Strom ins Land geholt als aus dem Land gebracht hat. „Diese gestiegenen Stromimporte sind kein Grund zur Sorge„, betont Andreas Fischer vom IW Köln. Denn die Fakten sind eindeutig: Deutschland importiert dann Strom etwa aus Skandinavien oder Frankreich, wenn dieser günstiger ist als deutscher Kohlestrom.
Würde dieser Stromimport wegbrechen, könnte sich Deutschland jederzeit selbst mit zusätzlicher Gasverstromung oder Kohlestrom versorgen. Die Versorgungssicherheit ist also nach Aussagen von Fachleuten wie Fischer oder auch der Bundesnetzagentur stets gesichert – Auswirkungen hätte das allerdings in kleinerem Rahmen auf die deutschen Strompreise. Diese würden steigen. Allerdings bestehen die Preise aus mehr als nur den Stromgestehungskosten.
Importiert Deutschland also Strom im Rahmen des europäischen Verbundnetzes – das genau für solchen Stromhandel konzipiert wurde – profitiert Deutschland sowohl von der klimafreundlichen Erzeugung als auch den günstigeren Preisen in den Partnerländern. Auch deshalb werden die Verbindungen zu anderen Ländern ausgebaut – etwa nach Norwegen, weil es dort Speicherseen gibt. Oder bis 2028 mit Großbritannien, weil alleine die Zeitverschiebung zu sinnvollem Stromhandel führen kann.
Habeck machte beim Empfang des BEE deutlich: „Die Rechten behaupten, wir seien in einer Abhängigkeit von Stromimporten. Dabei vergessen sie, dass wir Gas, Öl und Steinkohle komplett importiert haben, und genau das uns erpressbar gemacht hat von merkwürdigen Gestalten!“ Wenn das Land in einer Abhängigkeit sei, dann in einer fossilen Abhängigkeit. Durch Umsetzung von Dekarbonisierung und Ausbau der Erneuerbaren Energien soll diese von 70 auf 30 Prozent reduziert werden.
„Gefühlte Wahrheiten“ und Wiederholung, Wiederholung, Wiederholung
Doch die politisch rechts stehenden Akteure wie die Politiker der AfD und ähnliche Interessen vertretende Medien wie NIUS oder EXXPRESS interessieren die wissenschaftlich fundierten und logischen Fakten nur am Rande. Sie nehmen ein wichtiges Grundthema wie „Versorgungssicherheit“ und kreieren eigene, oft sehr simple Narrative, die auf den ersten Blick einleuchtend erscheinen.
Zum Thema Stromimporte hat NIUS kürzlich berichtet, die französischen Rechten wollten das Land vom europäischen Verbundnetz abkoppeln, sollten sie eine absolute Mehrheit am 7. Juli 2024 erringen. Für Fachleute an sich bereits eine Geschichte, die eher für Erheiterung sorgt:
Aber NIUS genügt die Wiedergabe dessen nicht, sondern ergänzt diese Ideen um die Behauptung, die Folgen für Deutschland „wären katastrophal.“ Dabei setzt das rechtsextreme Portal auf der früheren Erzählungen auf, wonach Deutschland seit dem Atomausstieg besonders abhängig von französischem Atomstrom wäre, was faktisch nicht stimmt, aber „gefühlt“ nicht unlogisch erscheint – jedenfalls, wenn man sich nicht die Zeit nimmt, sich einige Minuten mit den Fakten zu beschäftigen.
Und genau für diese Katastrophe, die es basierend auf den Fakten nicht gibt, macht NIUS Robert Habeck verantwortlich. Denn Habeck ist das Feindbild Nr. 1, weil er fossile Geschäftsmodelle, von denen etwa Putin profitierte, zerstört. Im Kern geht es den Rechten darum, das Land zu destabilisieren und durch Krisengerede potenzielle Wähler für sich zu gewinnen.
Durch ständige Wiederholungen und Weiterdrehen der eigenen, unwahren Narrative findet eine engere Bindung statt. Bot-Farmen mit russischem Einschlag verstärken das Gefühl „auf der richtigen Seite zu stehen.“
Habeck setzt um, was breiter Konsens ist – oder war
Dabei ist das, was Habeck umsetzt, basierend auf einem breiten gesellschaftlichen Konsens wie dem Atomausstieg, der entstand, bevor die AfD überhaupt existierte. Und die Energiewende ist zweifelsohne erfolgreich: Im ersten Halbjahr 2024 lag der Anteil des erneuerbaren Stroms an der Stromerzeugung insgesamt bei 58 Prozent, was nicht nur DIE ZEIT „elektrisierend“ findet. Die erneuerbaren Energien – allen voran Solarenergie und Windkraft – stehen davor, die weitgehende Kontrolle über das Energiesystem zu übernehmen.
Lesen Sie auch: Die Solarzelle mit Silizium: Wie funktioniert sie?
Daneben treibt Habeck die Transformation konsequent voran. Neben dem Ausbau von Erneuerbaren Energien folgt nun schrittweise die Beschleunigung beim Stromnetzausbau und Batterien, die die Spielregeln verändern. Es sind viele, viele Schritte, die noch fehlen, um die Energiewende in all ihren Facetten, insbesondere auch sektorübergreifend mit Verkehr und Wärme, hinzubekommen.
Aber die Pflöcke, die Habeck eingerammt hat in drei Jahren, haben in mehreren Sektoren einen Boom ausgelöst, der erst in den kommenden Jahren so richtig sichtbar werden wird.
Wie will Habeck die Rechte entlarven?
Für den Klimaschutzminister ist die Gegenstrategie gegen die Überspitzungen, Falschbehauptungen und Feindbild-Kultivierung klar: „Wir müssen mit besseren, sauberen und rationalen Argumenten dagegenhalten“, so Habeck beim Sommerfest. „Dabei sind alle von uns gefragt“, rief er den 1.500 Gästen des BEE zu: „Sorgen wir alle gemeinsam dafür, dass die Pflöcke, die eingerammt wurden, ganz fest im Boden verankert werden.“
Wie Robert Habeck die populistische Rechte entlarven will? Es braucht viele Menschen, die – wie jüngst bei den Frankreich-Behauptungen geschehen – die Desinformation und Übertreibungs-Narrative schnell entlarven. Und es braucht etwa Medien oder Influencer, die das auch im Takt der Wiederholungen tun, die NIUS, Exxpress, AfD und Co. nutzen, um die Falschbehauptungen in den Köpfen festzusetzen.
Das beste Gegenmittel aber ist klar: Die Realität. Wenn 58 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen, zerplatzen frühere Narrative der Energiewende-Gegner wie Seifenblasen. Es braucht zunehmend mehr „Kreativität“, um noch „Dagegensein“ zu können. Zuletzt hatte Friedrich Merz deshalb auch seine ablehnende Haltung gegenüber der Wärmepumpe kassiert.
Und eine AfD, die tatsächlich vor hätte, auf Bundesebene mitzuregieren, manövriert sich mit jedem Tag, an dem sie an Falschbehauptungen zur Energiepolitik festhält, weiter in ein Dilemma: Nach der Wahl ist Realpolitik angesagt – und die wird niemals darin bestehen, alle Windkraftanlagen wieder aus dem Boden zu reißen und stattdessen Kohlekraftwerke zu reaktivieren. Denn das hätte nicht nur in Frankreich, sondern auch hierzulande unmittelbar einen Volksaufstand zur Folge.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.