Helios will Kohlenstoff bei Stahlherstellung ersetzen
Israelisches Cleantech-Unternehmen entdeckte per Zufallsfund eine innovative, umweltfreundliche Methode zur Herstellung von Eisen bzw. Stahl.
Die Gewinnung von Sauerstoff ist auf der Erde kein Problem. Auf dem Mond, ist das in Ermangelung einer Atmosphäre etwas ganz Anderes. Genau damit beschäftigt sich das israelische Cleantech-Unternehmen Helios seit einigen Jahren. Doch bei der Arbeit an einem Sauerstoff-Reaktor fällt auf: Dieser kann auch so betrieben werden, dass überwiegend Eisen übrig bleibt. Kann die Helios-Technologie auf Basis einer sogenannten Regolith-Elektrolyse den Kohlenstoff bei der Eisen- und Stahlherstellung ersetzen?
Der neuartige Ansatz zur Eisenproduktion klingt beinahe zu gut, um wahr zu sein: Die Kosten für die Eisenproduktion könnten mit dem Verfahren 20 Prozent gesenkt werden. Gleichzeitig werden die prozessual bedingten Kohlendioxid-Emissionen vollständig vermieden. Und: Die Investitionskosten für die Technologie von Helios sind weitaus geringer als die für die Umstellung des Kernprozesses auf grünen Wasserstoff. Hier sprechen die Stahlhersteller stets von Milliarden-Volumina.
Der Haken an der Effizienz-Revolution bei der Stahlherstellung aus Israel? Bislang handelt es sich um eine Labor-Anlage, die Helios in den kommenden Jahren in den kommerziellen Maßstab überführen will. In einer Seed-Finanzierungsrunde hat sich das Team um Jonathan Geifman jetzt sechs Millionen Dollar gesichert.
At One Ventures führt Finanzierungsrunde an
Angeführt wurde die Finanzierungsrunde in Helios von At One Ventures, einer Investmentfirma, die mit dem Motto „Net Positive to Nature“ in junge Technologie-Unternehmen investiert. Daneben glauben auch Doral Energy-Tech Ventures sowie der Deepl-Tech-Investor Metaplanet und ein führendes Bergbauunternehmen ab die emissionsfreie Zukunft für die Stahlindustrie mit der Helios-Elektrolyse.
Angesichts des reibungslosen Integrationsansatzes und der überlegenen Wirtschaftlichkeit im Vergleich zu konventionellen Eisenreduktionsverfahren sahen wir in Helios das Potenzial, die Stahlerzeugung zu beeinflussen und die Industrie schneller als die etablierten Technologien zu dekarbonisieren. Wir glauben, dass sie ihr großes Ziel erreichen werden, nachhaltiges menschliches Leben im Weltraum zu ermöglichen, aber in der Zwischenzeit ermöglichen sie nachhaltiges menschliches Leben hier auf der Erde.
Laurie Menoud, Partner bei At One Ventures
Was über die Helios-Technologie bekannt ist
Um es deutlich zu sagen: Derzeit (Juni 2022) gibt es noch viel Geheimnis darüber, wie genau die Helios-Technologie aus Israel funktionieren wird. Klar ist Folgendes: Bei den derzeitigen Methoden der Stahlerzeugung werden durch die Reduktion von Eisenerz mit Kohlenstoff große Mengen an CO2 freigesetzt. Für jede Tonne Stahl werden zirka 1,9 Tonnen CO2 emittiert, womit die Branche für acht Prozent des CO2-Fußabdrucks der Menschheit verantwortlich ist. Darüber hinaus ist die US-Stahlindustrie auf Erdgas, Kohlekoks und Briese als Brennstoff angewiesen, was etwa sechs Prozent des gesamten Energieverbrauchs in der Produktion ausmacht.
„Auf dem Mond können wir uns nicht den Luxus leisten, Kohlenstoff zur Energiegewinnung zu verwenden, und man muss auch extrem effizient sein – man darf nichts verschwenden oder ausstoßen“, so CEO Jonathan Geifman. „Die extraterrestrische Umgebung stellt die Forschung und Entwicklung vor extreme Herausforderungen. Man kann nicht iterativ vorgehen, sondern muss Prozesse völlig neu erfinden. So kamen wir zu dieser völlig neuartigen Extraktionsmethode, von der wir bald merkten, dass sie auch für das Leben auf der Erde von Nutzen sein würde.“
Die Helios-Wissenschaftler entdeckten, dass die Technologie, die für den Reaktor zur Gewinnung von Sauerstoff und Eisen aus Mondregolith (einem Gemisch aus pulverförmigem Staub und zerbrochenem Gestein auf der Mondoberfläche) entwickelt wurde, auch zur Gewinnung von 99 Prozent reinem Eisen aus Eisenerz verwendet werden kann, wobei ein völlig neuartiges chemisches Verfahren zum Einsatz kommt. Das Verfahren benötigt 50 Prozent weniger Energie als die derzeit in der Industrie verwendeten Verfahren und arbeitet bei so niedrigen Temperaturen, dass ein Haushaltsofen ausreicht, um den Prozess in Gang zu setzen.
Die Grundlage für die Helios-Technologie ist es somit, den Kohlenstoff bei der Direktreduktion durch ein anderes – bislang geheim gehaltenes – Mat6erial zu ersetzen. „Wir erkannten, dass in unserem Reaktor ein zusätzlicher Prozess abläuft, der über den geplanten Prozess zur Sauerstoff-Produktion hinaus ging: Die Menge Eisen, die dabei heraus kam, war viel größer als zuvor errechnet“, so Geifman.
Helios, das von Gründer und CEO Jonathan Geifman geleitet wird, hatte nicht das Ziel, grünen Stahl zu geringeren Kosten herzustellen. Ursprüngliches Ziel des Unternehmens – und das ist es auch heute noch – ist es, Sauerstoff für wiederkehrende Mondmissionen vor Ort zu produzieren. Die firmeneigene Technologie extrahiert Sauerstoff aus Mondregolith, einem Gemisch aus pulverförmigem Staub und zerbrochenem Gestein auf der Mondoberfläche.
Im Gegensatz zu anderen Technologien für umweltfreundlichen Stahl erfordert Helios von den Stahlherstellern keine drastischen Änderungen ihrer bestehenden Verfahren. Das Unternehmen entwickelt ein Modul, das in Direktreduktionsöfen für Eisen (DRI) integriert werden kann. Dieser Ansatz wird die Kosten senken und eine schnellere Einführung ermöglichen.
Helios wird die neue Finanzierung nutzen, um seine Technologie in größerem Maßstab zu demonstrieren, vergleichbar mit Industriestandards. Darüber hinaus wird das Unternehmen kommerzielle Vereinbarungen zum Bau von Pilotanlagen auf der ganzen Welt treffen, die mehrere Tonnen Eisen pro Tag produzieren können, und die Integration seiner Technologie in die Produktionskette verbessern. Hoffen wir, dass die Erdmission des Cleantech-Startups gelingt.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.