High Performance Battery zeigt serienreifen Feststoffakku – eine deutsche Wunderbatterie?
Cleantech-Startup HPB hat einen speziellen anorganischen Elektrolyt entwickelt, der nicht nur für stationäre Speicher bahnbrechend sein könnte.
Das Bonner Cleantech-Unternehmen High Performance Battery Technology GmbH hat, wie im Juli 2023 vom Produktionspartner Swiss Clean Battery angekündigt, einen neuartigen Feststoffakku vorgestellt. Diese Feststoffbatterie weist im Vergleich zu klassischen Lithium-Ionen-Batterien deutlich überlegene Eigenschaften auf – was beispielsweise die Lebensdauer (Zyklenfestigkeit) und die Umweltfreundlichkeit betrifft. Dahinter steckt der Chemiker Günther Hambitzer. Aber ist die mediale Euphorie rund um den HPB Feststoffakku gerechtfertigt?
Aus Sicht der konservativen Tageszeitung DIE WELT ist der neue Festkörperakku von High Performance Battery eine neue „deutsche Wunderbatterie“. Das Unternehmen verspreche einen „ewigen Akku“, der ein „Schlüssel zur Energiewende“ sein könne. Dabei sticht besonders die Lebensdauer des neuen Akkus heraus: Anstatt maximal 3.000 Ladezyklen mit stark abnehmender Kapazität schafft der Feststoffakku weit mehr als 12.500 Ladezyklen.
Stellen sich diese Eigenschaften als in der Massenproduktion reproduzierbar heraus, kann dies die Wirtschaftlichkeit von Batteriespeichern für die Energiewende maßgeblich verbessern.
Prof. Ingo Krossing vom Institut für Anorganische und Analytische Chemie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg zählt gewöhnlich sicher nicht zu denen, die euphorisch von einem Durchbruch bei einer Batterietechnologie oder gar von einer Wunderbatterie sprechen. Umso bemerkenswerter ist die Aussage des Spezialisten für anorganische Chemie über die HPB-Technologie:
Zusammengenommen ist die HPB-Technologie der einzige aus meiner persönlichen Sicht existierende Ansatz, der zu langfristig stabilen, schnellladefähigen und außerordentlich lang zyklierbaren Festkörperbatterien führt. Mit den insgesamt resultierenden Gesamt-Systemenergiedichten sollten sich diese besonders für den Einsatz als stationäre Speicher eignen.
Prof. Ingo Krossing über den HPB Feststoffakku
Ein solcher Flüssigelektrolyt, bestehend aus Lithiumtetrachloroaluminat sowie Schwefeldioxid (LiAlCl4/SO2) und ist nach Aussage Krossings bereits wesentlich leitfähiger als kommerzielle, organische Systeme. Und der anorganische Flüssigkelektrolyt macht es überdies möglich, durch Reaktion einen rein anorganischen Festkörperelektrolyten aufzubauen, der noch bessere Eigenschaften aufweist.
Schon in den 80er Jahren experimentierte Batterie-Nobelpreisträger John B. Goodenough mit einem vergleichbaren Flüssigelektrolyt-System, das „absolut unbrennbar“ und „nicht-alternd“ beschrieben wird, da nur einmalig eine Lithium-Ionen-leitende Grenzschicht entsteht. High Performance Battery kombiniert diesen Festionenleiter mit LFP-Kathoden. „Hier wurde ein extrem robustes System etabliert, das herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien in fast allen Belangen durch seine intrinsische, anorganisch begründeten Stoffvorteile schlägt“, analysiert der Professor.
Das Handicap bei der Entwicklung eines solch vorteilhaften Systems? Der Umgang mit Schwefeldioxid ist nur wenig erprobt, was aus Sicht von Krossing zur zögerlichen Entwicklung geführt hat. Mit dem Kniff, das Material nach Zuführen durch eine Reaktion fest werden zu lassen, ist also wahrlich der maßgebliche Durchbruch, den Günther Hambitzer mit seinem Team erreicht hat.
Erster serienreifer Feststoffakku
Nach Angaben eines Sprechers von High Performance Battery gegenüber Cleanthinking ist die Lösung der Bonner der „erste, serienreife Feststoffakku“. Dem widerspricht jedoch das französische Cleantech-Unternehmen Blue Solutions aus der Bolloré-Gruppe, das sich als „einziger Hersteller von Festkörperbatterien sieht, die auf dem Markt erhältlich sind.
Doch die Lithium-Metall-Polymer-Festkörperbatterien der Franzosen, die auch im Elektrobus eCitaro von Daimler eingesetzt wurden, bereiten reichlich Probleme – nicht nur, weil sie nur bei hohen Temperaturen von mehr als 65 Grad Celsius funktionieren.
Der Fokus von High Performance Battery liegt darin, Zellen für stationäre Anwendungsfelder zu entwickeln. Für die Weiterentwicklung zu automobilen Anwendungen will das Unternehmen vor allem den patentierten HPB Festionenleter als Einzelkomponente zur Verfügung stellen. Beim eigenen Feststoffakku setzen die Unternehmer auf die Kombination mit Lithium-Eisenphosphat-Kathoden. Ein Ersatz von Lithium als einzigem kritischem Rohstoff durch Natrium erscheint technologisch möglich.
Ansicht von Prof. Peter Burggräf, Uni Siegen
Aus Sicht von Prof. Peter Burggräf, Lehrstuhlinhaber für Produktionsmanagement an der Universität Siegen ist es „erfreulich“, dass sich in der Batterieforschung auf verschiedenen Ebenen viel tut. „Ob es sich in diesem speziellen Fall um einen Durchbruch handelt, bleibt abzuwarten. Der Lebenszyklus einer Batterie ist nicht unbedingt entscheidend. Wenn eine Batterie eine Reichweite von 500 km hat und 3000-mal geladen werden kann, kommen immer noch 600.000 km heraus“, analysiert Burggräf, der die Unternehmensberatung DRIVE Consulting leitet. „Nach wie vor konkurrieren also unterschiedliche Ansätze miteinander, die alle weiterverfolgt und erforscht werden sollten.“
Prof. Maximilian Fichtner zur Technologie
Und für Prof. Maximilian Fichtner vom Helmholtz-Institut Ulm sind nach der Vorstellung der HPB Feststoffbatterie noch viele Fragen ungeklärt: „10.000 Zyklen glaube ich gerne – aber welche Restkapazität gibt es am Ende noch?“ Daneben habe er, so Fichtner gegenüber Cleanthinking, noch keine Be- und Entladekurve gesehen – genauso wenig wie Informationen zum Raten- und Zyklenverhalten. „Daneben vermisse ich auch Angaben über die Größe der hergestellten Zellen. Denn die ist bei Festkörperzellen entscheidend.“
Zur Info: Die Dimensionen der entwickelten Zelle sind im Technischen Datenblatt einsehbar.
(Vorläufiges) Fazit zur Wunderbatterie von High Performance Battery
Die bisherigen Aussagen vom Cleantech-Unternehmen aus Bonn wecken Hoffnung, dass es sich bei dem HPB Feststoffakku tatsächlich um einen wichtigen Baustein der Transformation handeln könnte. Das Modell der Lizenzfertigung kann in der Theorie zu einer schnellen Kommerzialisierung in größeren Mengen führen, falls es beispielsweise Swiss Clean Battery gelingt, 400 Millionen Euro für die Gigafactory einzusammeln. Gleiches gilt für potenzielle Partner etwa in Indien oder Deutschland.
Wünschenswert wäre aber, dass das Unternehmen noch deutlich transparenter wird, was die eigene Technologie angeht. Denn dann können sich noch mehr Investoren oder potenzielle Partner überlegen, ob sich der Aufbau einer eigenen Produktion lohnen könnte. Der übertriebe Gebrauch von Buzzwords wie „Durchbruch“ und „Quantensprung“ sollte eher vermieden werden – denn eigentlich spricht die Technologie für sich und die unabhängigen Aussagen von Gutachtern sind mehr Wert.
Cleanthinking wird die Entwicklung rund um High Performance Battery eng im Blick behalten – aber immer ein gesundes Maß an Skepsis im Chor der euphorischen Medienschar beibehalten…
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.
Man sollte noch erwähnen, das der bisher einzige Lizenznehmer Swiss Clean Battery erst die Lizenz kauft, und anschließend auf die Suche nach 400mio € für seine Gigafactory geht. Das ist prinzipiell ok, aber das der COO Thomas Lützenrath von High Performance Battery gleichzeitig der CEO? von Swiss Clean Battery (siehe Impressum) ist, hinterlässt bei dem Konstrukt schon ein Geschmäckle.
Zunäcste einmal zum Clickbait „zeigt serienreifen Feststoffakku“ Ihrer Schlagzeile: serienreif dürfte eine Technologie dann sein, wenn einerseits ein Produktionsverfahren bereit steht, das es erlaubt Produkte mit dieser Technologie zu einem wettbewerbsfähigen Preis herzustellen. Andererseits beschreiben Sie das Haupthindernis für die Serienreife einer Technologie im Artikelverlauf selbst: Die Produkte mit dieser Technologie müssen für ein Einsatzfeld entwickelt werden, in dem sie eine ausreichende Praxistauglichkeit und Wettbewerbsfähigkeit für potentielle Kunden bereitstellen. Beides ist bei Labormustern eines Kleinunternehmens nicht der Fall.
„Langfristig stabilen, schnellladefähigen und außerordentlich lang zyklierbaren Festkörperbatterien führt. Mit den insgesamt resultierenden Gesamt-Systemenergiedichten sollten sich diese besonders für den Einsatz als stationäre Speicher eignen.“
Ein Experte der sich in zwei Sätzen selbst widerspricht ist kein Experte. (Der Experte widerspricht sich nicht. Anm. der Redaktion)
Stationäre Speicher benötigen keine „Schnelladefähigkeit“! Die zielführende kritische journalistische Frage an den entsprechenden Experten wäre: „Welche C-Rate muss ihres Erachtens eine stationäre Batterie erreichen“.
Von „Schnellladen“ spricht man gewöhnlich bei einer C-Rate von >1. Also wenn die Ladeleistung die Kapazität des Speichers übersteigt (wenn ein Speicher mit 24 kWh Kapazität mit einer Ladeleistung von mehr als 24 kW versorgt wird). Das ist weder bei aktuell marktgängigen stationären Heimspeichern noch bei den aktuell in Planung befindlichen Großspeichern (z.B. Tesla Megapack) der Fall oder auch nur das Ziel.
Hallo anonymer Kommentator,
der Vorwurf „Clickbait“ ist nicht nachvollziehbar. Da das Unternehmen Lizenzen für die Produktion vergibt, ist klar, dass wohl kaum parallel noch an der Serienreife grundlegend gearbeitet werden kann. Insofern kann ich die Aussage des Unternehmens nachvollziehen und habe sie ebenfalls verwendet.
Der Experte widerspricht sich nicht, sondern zählt einerseits die Vorteile aus seiner Sicht auf, und weist dann auf die beste Anwendung hin. Dass stationäre Batteriespeicher aus heutiger Sicht keine besondere Schnellladefähigkeit benötigen, widerspricht dem nicht.
Viele Grüße,
Martin Jendrischik