
Innovation im Hafen: ICODOS wandelt Abwasser in klimaneutralen Schiffstreibstoff
Schiffskraftstoff aus Abwasser und Strom? Was verrückt klingt, ist in Mannheim jetzt erstmals in einer Weltpremiere in die Tat umgesetzt worden. Das deutsche Cleantech-Startup ICODOS hat die Demonstrationsanlage „Mannheim 001“ im Beisein von Verkehrsminister Dr. Volker Wissing eingeweiht. Die Innovation für klimaneutrales Methanol entstand in Zusammenarbeit mit dem Karlsruhe Institut für Technologie, KIT, und der Eigenbetrieb Stadtentwässerung Mannheim (EBS).
Revolutionäre Technologie für eine grüne Zukunft
Die Anlage „Mannheim 001“ nutzt eine bahnbrechende, patentierte Technologie, die von Dr. Francisco Vidal Vázquez, Co-Founder und Chief Technology Officer (CTO) des Mannheimer Cleantech-Startups ICODOS, entwickelt wurde. Dr. Vázquez ist ein anerkannter Experte für Prozesskonzeptanalyse und -simulation zur Produktion von Kraftstoffen und Chemikalien aus CO₂. Während seiner Zeit als Forscher und Projektmanager am KIT leitete er EU-geförderte Projekte zur Entwicklung von Power-to-X-Technologien und legte damit den Grundstein für die Gründung des Unternehmens.
Die von ihm entwickelte Methode integriert CO₂-Abscheidung und Methanolsynthese in einem dreistufigen Verfahren:
- Biogasaufbereitung: CO₂ wird effizient aus dem in der Kläranlage gewonnenen Biogas abgetrennt.
- Wasserelektrolyse: Erneuerbarer Strom wird zur Erzeugung von grünem Wasserstoff genutzt.
- Methanolsynthese: Das abgetrennte CO₂ reagiert mit dem Wasserstoff zu Methanol.
Dieses „e-Methanol“ ist vollständig klimaneutral und stellt eine Schlüsseltechnologie für die nachhaltige Transformation der Schifffahrtsindustrie dar. Die modulare Bauweise der Technologie ermöglicht eine dezentrale Produktion und ist kosteneffizient, was den schnellen Hochlauf der E-Fuels-Produktion in Europa begünstigt.
Von der Forschung zur Praxis: Ein Leuchtturmprojekt für Deutschland
Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing betonte bei der feierlichen Eröffnung: „Deutschland muss bei der Erforschung und Entwicklung klimafreundlicher Kraftstoffe eine Vorreiterrolle einnehmen. ‚Mannheim 001‘ zeigt eindrucksvoll, wie Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz Hand in Hand gehen können.“
Professor Thomas Hirth, Vizepräsident für Transfer und Internationales am KIT, unterstrich die Bedeutung der Anlage: „Hier wird aus Biogas, das bei der Abwasserbehandlung anfällt, ein wertvoller Rohstoff gewonnen – ein innovativer Ansatz, der zeigt, wie vorhandene Ressourcen intelligent und klimafreundlich genutzt werden können.“
Auch Christian Specht, Oberbürgermeister von Mannheim, hob hervor: „Das Leuchtturmprojekt ‚Mannheim 001‘ ist ein weiterer Beweis dafür, dass Klimaschutz und industrielles Wachstum Hand in Hand gehen können. Wir sind stolz darauf, dass diese Innovation ‚Made in Mannheim‘ hier ihren Ursprung hat.“
Kläranlagen als Schlüssel zur Energiewende
Das Projekt demonstriert das enorme Potenzial von Kläranlagen für die nachhaltige Energieproduktion. Allein in Deutschland gibt es rund 9.000 solcher Anlagen, EU-weit sogar bis zu 75.000. Diese könnten künftig als Treiber einer grünen Kraftstoffproduktion dienen und einen signifikanten Beitrag zur Reduzierung von CO₂-Emissionen leisten.
ICODOS: Vom Startup zum Gamechanger
ICODOS wurde im September 2022 gegründet und hat sich in kurzer Zeit zu einem Vorreiter in der e-Methanol-Produktion entwickelt. Das Führungsteam – bestehend aus Dr. Francisco Vidal Vázquez (CTO) und David Strittmatter (CEO) – vereint wissenschaftliche Expertise mit unternehmerischem Geschick.
Die Wahl Mannheims als Firmensitz unterstreicht die Attraktivität der Stadt für innovative Cleantech-Startups und als Erfinderstadt. „Mannheim mit seinen ambitionierten Klimaschutzzielen und als Standort wichtiger Chemie- und Pharmaunternehmen ist einfach der perfekte Ort für den Aufbau unseres Unternehmens“, erklärt Strittmatter.
Von Mannheim nach Karlsruhe: Der Erfolg des Pilotprojekts
Bereits im Februar 2024 hatte ICODOS gemeinsam mit KIT und BASF eine weitere Weltpremiere gefeiert: Die Inbetriebnahme der weltweit ersten vollintegrierten, automatisierten und dynamisch betriebenen e-Methanol-Pilotanlage auf dem Campus Nord des KIT in Karlsruhe. Diese Anlage demonstrierte erstmals die Skalierbarkeit eines Prozesses, der ausschließlich CO₂ und Wasserstoff nutzt – ein Durchbruch in der e-Methanol-Produktion.
Die Pilotanlage integriert drei transformative Innovationen:
- Hybridprozess: Die Kombination von CO₂-Abscheidung und Methanolsynthese erhöht Energie- und Materialeffizienz.
- Automatisierter Betrieb: Die dynamische Steuerung ermöglicht die Nutzung intermittierender erneuerbarer Energiequellen.
- Modularität: Kleine bis mittelgroße biogene CO₂-Quellen können weltweit genutzt werden.
Diese Errungenschaft war ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Demonstrationsanlage „Mannheim 001“ – ein Beweis dafür, wie Forschung erfolgreich in die Praxis umgesetzt werden kann.
e-Methanol: Ein Schlüssel zur nachhaltigen Transformation
e-Methanol spielt eine zentrale Rolle in der Dekarbonisierung der Schifffahrt und der chemischen Industrie, die zusammen für über 5% der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Es gilt als Energieträger für die dritte industrielle Revolution. Im Vergleich zu anderen e-Fuel-Produzenten wie C1 Green Chemicals zeichnet sich ICODOS durch seine innovative Technologie und die Nutzung von Abwasser als CO₂-Quelle aus.
Eine neue grüne Chemiebranche entsteht
Die Entwicklungen von ICODOS sind Teil eines größeren Trends: Die Entstehung einer neuen grünen Chemiebranche. Diese Branche konzentriert sich auf die Produktion nachhaltiger Chemikalien und Kraftstoffe unter Nutzung erneuerbarer Energien sowie CO₂ als Rohstoff – ein Paradigmenwechsel hin zu einer klimaneutralen Industrie.
Fazit: Ein starker Impuls für Deutschland
Mit der Eröffnung von „Mannheim 001“ setzt Deutschland einen neuen Maßstab in der Produktion nachhaltiger Kraftstoffe. Das Projekt vereint Forschung, Technologie und kommunale Zusammenarbeit – ein Vorbild für die globale Energiewende und ein starkes Signal für den Innovationsstandort Deutschland.
ICODOS steht an der Spitze dieser Entwicklung und wird auch in Zukunft eine Schlüsselrolle in der Transformation hin zu einer nachhaltigen Chemie- und Energiebranche spielen – mit weiteren Projekten bereits fest im Blick.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.
Das macht Hoffnung, vielen Dank für den Beitrag.