Der Verbrenner hat eine Zukunft: im Deutschen Museum

Autobauer wie Volkswagen brauchen keine neuen Verbrennungsmotoren, sondern überzeugende E-Autos

Überall in den wichtigsten Automärkten der Welt ist das Elektroauto dem Vormarsch. Kein Wunder: Das E-Auto ist viel mehr als eine Antriebswende. Es ist eine disruptive Innovation, die neue Spielregeln in den globalen Autosektor bringt. Mit dem global erreichten, exponentiellen Wachstum lässt sich die für Disruptionen typische S-Kurve aufmalen. Das zeigt: Der Verbrenner hat ganz sicher eine Zukunft – aber etwa im Deutschen Museum.

Die Nachricht aus dem Volkswagen-Konzern ist unglaublich: Hatte das Unternehmen 2023 180 Milliarden Euro für Elektroautos der nächsten Generation reserviert, wird VW nun ein Drittel hiervon in die Entwicklung von Verbrennungsmotoren umleiten.

Der Verbrenner als margenstarker Umsatzbringer auch in der Zukunft? Der Automarkt ist inmitten eines disruptiven Wandels, der durch autonomes Fahren und Dienstleistungen wie Ride-Hailing innerhalb weniger Jahre verstärkt werden wird.

In dieser Situation hat VW einerseits „Mobilität für alle“ ab 2027 angekündigt, dreht aber nun eine Extrarunde durch die milliardenschwere Entwicklung von Verbrennungsmotoren? Das ist sehr verwirrend und fordert regelrecht Widerspruch heraus.

Verbrenner-Debatte in Deutschland – und Europa

Vor der morgigen Europawahl gibt es in Deutschland und Italien eine von konservativen und rechten Politikern inszenierte Verbrenner-Debatte. Während Meloni die Regelung, dass ab 2035 kein Verbrenner mit Benzin und Diesel mehr zugelassen werden kann, als „Schwachsinn“ kritisiert, hauen CSU, CDU und FDP in dieselbe Kerbe.

Die Parteien riskieren die Verlängerung des fossilen Zeitalters, weil es absolut unrealistisch erscheint, dass ausreichend E-Fuels bis 2035 zur Verfügung stehen und bezahlbar sind, um Verbrennungsmotoren „sauber“ zu machen. Und wenn, dann würden die E-Fuels für den Fahrzeugbestand gebraucht, der bis dahin nicht gegen ein E-Auto getauscht wurde.

Das Handelsblatt kommentiert die Debatte und diagnostiziert „Realitätsverweigerung“. Immer deutlicher wird, dass die deutschen Parteien versuchen, noch ein paar Parteispenden abzugreifen – etwa von BMW-Inhaberin Klatten, BMW selbst oder der E-Fuels-Industrie. Netzwerke und Seilschaften, zu denen auch der VDA oder der mächtige Verbandsfunktionär Arndt Kirchhoff zählen, tun ihr übriges. Dies erscheint Merz, Söder und Lindner wichtiger als ein realistischer Kurs und das mittelfristige Überleben der deutschen Autoindustrie.

Die Fakten zeigen die Disruption

Es ist absolut unverständlich, worauf sich der Versuch, das Ende des Verbrenners zu verzögern, letztlich gründet. Die Autobauer waren bisher nicht diejenigen, die den Wandel nicht wollten. Aber sie haben Fehler gemacht, weil neue Märkte mit neuen Spielregeln bei den etablierten Marktteilnehmern zunächst vollkommen unattraktiv erscheinen. Doch disruptive Innovation macht sich ab einem gewissen Zeitpunkt so schnell breit, dass es den einstigen Platzhirschen dann nicht mehr gelingt, den Verlust von Marktanteilen doch noch aufzuhalten. Perfekt beschrieben wird das im Buch „The Innovator’s Dilemma“ (Provisions-Link zu Amazon), das allerdings auch eine Blaupause dafür liefert, wie Manager reagieren sollten.

Die Grafik „Mythos Elektroautoflaute“ (https://x.com/vinoveritas_in/status/1799108462686961854) zeigt, dass es selbst in Europa keine wirkliche Flaute auf dem E-Auto-Markt gibt. Im Gegenteil: Der Anteil der Elektrofahrzeuge bei den Neufahrzeugen wächst. Nur Deutschland und Italien schwächeln – wegen entsprechender Diskussionen im Inland.

Global ist die Disruption noch viel deutlicher zu erkennen. China überrollt gerade den europäischen Markt mit qualitativ ordentlichen, aber gleichzeitig günstigen Fahrzeugen. Noch haben BYD und Co. nicht endgültig Fuß gefasst im deutschen Markt – das ist aber nach Experteneinschätzungen nur eine Frage der Zeit. Und selbst der ADAC lobt Qualität, Verarbeitung und Ausstattung dieser Fahrzeuge.

Was braucht die Automobilindustrie wirklich?

Die Autobauer, die jetzt noch in Verbrenner investieren, schaufeln sich damit ihr eigenes Grab. Zumindest, wenn es den rechten und konservativen Kräften in der EU nicht gelingen sollte, Strafzahlungen bei der Nichteinhaltung von Flottenemissionen zu kippen. Doch ein solcher Rücksetzer der Politik – daneben wird auch der Green Deal neuerlich attackiert – wäre womöglich ganz kurzfristig hilfreich, aber mittel- und langfristig fatal.

Nehmen wir einen Automobilzulieferer wie das Familienunternehmen Kirchhoff als Beispiel: Dieses konzentriert sich beim eigenen Absatz auf den wichtigsten Markt Europa. Hier versucht Arndt Kirchhoff durch die Forderungen nach Technologieoffenheit mit E-Fuels die Verlängerung seines Geschäftsmodells zu erreichen. Und zwar stets unter dem Deckmantel „Klimaneutralität 2050“.

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Aber die Autobauer sind in einer anderen Situation. Sie brauchen die Weltmärkte, sie brauchen alle großen Märkte inklusive China. Doch beispielsweise dort wird längst über ein (echtes!) Verbrennerverbot debattiert. Das Dilemma wird für die, die ihre einstige Erfolgs-Innovation Verbrennungsmotor evolutionär weiterentwickeln wollen, immer größer werden. Bis hin zur Existenzgefährdung.

„Das Verhalten der Parteien ist erstaunlich“, schreibt das Handelsblatt. „Dass kurz vor den Wahlen in der Europäischen Union und unter dem Eindruck überfluteter Ortschaften in Bayern und Baden-Württemberg in Deutschland dennoch wieder eine Debatte über eine verlängerte Lebenszeit des CO2-emittierenden Verbrenners von konservativen und marktfreundlichen Parteien entfacht wird, zeugt von wirtschaftlicher und technologischer Unkenntnis.“

Was Volkswagen braucht, ist kein neuer Verbrenner, sondern ein überzeugendes E-Auto-Angebot, das die Massen begeistert. Hierauf sollte sich Konzernchef Blume konzentrieren. Nicht auf die todgeweihten Technologien von gestern.

Fazit: Verbrenner haben Zukunft im Deutschen Museum

Die „nostalgisch angehauchten Verbrenner-Debatten“ müssen überwunden werden. Denn der Verbrenner hat keine Zukunft mehr auf der Straße, sondern nur noch im Deutschen Museum.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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