Deutsch-norwegisches Cleantech-Unternehmen EnergyNest will mit den Infracapital-Millionen signifikant wachsen. Und der Industrie bei der Dekarbonisierung und dem Ersatz von russischem Gas helfen.
Das deutsch-norwegische Cleantech-Unternehmen EnergyNest hat mit dem Investmentfonds Infracapital einen neuen Geldgeber und Mehrheitsgesellschafter an Bord geholt. EnergyNest entwickelt thermische Energiespeicher. Infracapital investiert in EnergyNest 110 Millionen Euro – frisches Wachstumskapital, das dem Unternehmen nun einen entscheidenden Schub verleihen soll. Zuerst hatte das Handelsblatt über die Finanzierungsrunde berichtet. Entscheidend könnten die Thermobatterien des Unternehmens für die Abkehr der Industrie vom Gas und somit allgemein die Dekarbonisierung werden. Projekte mit den Energiespeichern in Europa laufen bereits.
EnergyNest ist eines der ersten thermischen Speicherunternehmen weltweit mit einer marktreifen Batterie und Projekten in der Ausführung. Zu den Pilotkunden zählen der norwegischen Ammoniak-Hersteller Yara und der italienische Energieukonzern Eni. Die nächste Installation soll noch in diesem Quartal stattfinden. Die zusätzliche Finanzierung wird die Skalierung des Einsatzes von EnergyNests Thermobatterien, die Energie in Form von Wärme speichern und zur Dekarbonisierung industrieller Wärmeprozesse beitragen.
Infracapital ist eine Tochter des britischen Vermögensverwalters M&G. Für die 110 Millionen Euro wird das britische Unternehmen 51 Prozent der Geschäftsanteile von EnergyNest übernehmen. Das strategische Interesse an dem Energiespeicher-Unternehmen zeigt, wie wichtig diese Technologien für die Energiewende in Zukunft werden dürften. Ein Milliarden-Markt bildet sich, der nicht von klassischen Batterien abgedeckt werden kann.
„Wir freuen uns sehr, diese Partnerschaft mit EnergyNest bekannt zu geben. Die Technologie bietet innovative ökologische und wirtschaftliche Vorteile. Da Regierungen auf der ganzen Welt ehrgeizige Ziele zur Reduzierung des Kohlenstoffausstoßes setzen, sehen wir ein großes Wachstumspotenzial. Wir freuen uns, eine Rolle bei der Bereitstellung einer Lösung zur Speicherung und Dekarbonisierung von Energie zu spielen und gleichzeitig langfristigen Wert für unsere Investoren zu schaffen.“
Andy Matthews, Head of Greenfield bei Infracapital
Fast die Hälfte des Gesamtenergiebedarfs weltweit wird für Wärme verwendet. Etwa zum Heizen von Gebäuden oder bei industriellen Prozessen. Der Wärmesektor kann durch die Kombination aus erneuerbaren Energien und entsprechender Wärmespeicher gezielt stabilisiert werden. Neben EnergyNest sind auch Kraftblock oder Highview Power als europäische Cleantech-Startups in dem Sektor aktiv.
EnergyNest hat zusammen mit Heidelberg Cement einen Spezialbeton entwickelt, der zur Speicherung großer Mengen Wärme genutzt wird. Die Roundtrip-Effizienz ist hoch, die Verluste gering. In Sizilien entsteht gerade die erste kommerzielle Thermobatterie beim Kunden Eni. Mehr zum Eni-Projekt gibt es auch hier.
Gemeinsam mit Infracapital können wir noch mehr Kunden vom ersten Tag an CO2- und Energiekosteneinsparungen bieten. Mit unseren voll finanzierten, schlüsselfertigen Lösungen machen wir es den Akteuren der Branche leichter, unsere klimafreundliche Technologie ohne Vorab-Investitionskosten zu adaptieren.
Christian Thiel, CEO EnergyNest
Entscheidend für den wirtschaftlichen Betrieb der Thermospeicher ist aber die Frage des CO2-Preises. Rund um COP26 gilt es als eine zentrale Aufgabe der Staatengemeinschaft, hierfür eine einheitliche Lösung zu finden. Denn nicht nur in diesem Bereich ist es entscheidend, einen angemessenen CO2-Peis zu haben – sondern auch in vielen weiteren Sektoren. Letztlich hängt die Dekarbonisierung der Industrie ganz maßgeblich davon ab.
Wie Energynest bei der Dekarbonisierung der Industrie helfen will
Die Thermobatterien des deutsch-norwegischen Cleantech-Unternehmens Energynest dienen zur Langzeitspeicherung von Wärme. Projekte in Europa, die die Dekarbonisierung unterstützen, sind mittlerweile im Bau. Der Industrie wird damit bei der Abkehr von Erdgas geholfen. Thermische Speicher dienen zur Kostenreduktion bei den Energiekosten – und tragen zugleich zur Dekarbonisierung des Energieverbrauchs entscheidend bei. Doch vor Energynest und anderen Playern liegt eine Mammutaufgabe.
Industrielle Emissionen machen heute ein Viertel der Treibhausgasemissionen aus, sind aber kaum im öffentlichen Bewusstsein angekommen. Es braucht das Zusammenspiel vieler guter Lösungen, die alle wirtschaftlich werden – oder vom Land gefördert werden. Einen größeren Hebel, Emissionen zu reduzieren, haben wir nicht. Thermische Batterien sind Teil der Lösung, weil sie die Versorgungssicherheit verbessern, die Energie bezahlbarer machen, und daneben umweltfreundlich sind.
„In den meisten Industrieunternehmen wird viel Hochtemperaturdampf benötigt. Wir bieten die Möglichkeit, diesen Dampf durchgehend erneuerbar zur Verfügung zu stellen“, erklärt Christian Thiel von Energynest. Thermobatterien würden wir mit erneuerbarer Elektrizität geladen. Und zwar immer dann, wenn diese elektrische Energie im Überfluss vorhanden, und somit günstig ist. Die Energie wird dann als Wärme in hohen Temperaturen gespeichert. Immer dann, wenn der Bedarf besonders hoch ist, kann er dann eingesetzt werden.
Doch der heilige Gral ist es, nicht den Strom von Außen zu nehmen, sondern die Abwärme der industriellen Prozesse aufzufangen und bei Bedarf nutzbar zu machen. Der Speicher verhindert das Verpuffen der Abwärme durch den Schornstein. Prozesswärme ist ein zentrales Thema für die industrielle Dekarbonisierung. Thiel: „Es wird künftig Möglichkeiten geben, dass Unternehmen ihren Erdgasverbrauch sogar komplett reduzieren“
Derzeit, so Thiel, baut Energynest Anlagen mit einer Speicherkapazität von sechs bis acht Megawattstunden – die Pläne gehen aber eher in Richtung 800 bis 1.000 Megawattstunden. Deren Einsatz ist mit enormem CO2-Vermeidungspotenzial verknüpft. Die Zukunft wird zeigen, wie schnell sich solche Lösungen tatsächlich durchsetzen können.
Dieser Beitrag über die Dekarbonisierung mit Thermobatterien entstand am 12. April 2021. Letztes Update am 8. Mai 2022.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.