Innocent Meat erhält drei Mio. Euro für kultiviertes Fleisch
„Plug and Produce“-Lösung des Cleantech-Unternehmens soll Fleischverarbeitern den Übergang zu zellbasiertem Fleisch ermöglichen.
Das Rostocker Cleantech-Unternehmen Innocent Meat, das Fleischverarbeitern den reibungslosen Übergang zu kultiviertem Fleisch ermöglichen möchte, hat in einer Finanzierungsrunde drei Millionen Euro Kapital eingeworben. Die Norddeutschen um die Gründer*innen Laura Gertenbach und Patrick Inomoto bezeichnen ihre Technologieplattform als „Plug and Produce“-Lösung. Langfristiges Ziel ist es, Fleischgenuss ohne Reue durch zellbasiertes Fleisch zu realisieren.
Die Finanzierungsrunde im März 2024 schlossen Gertenbach und Inomoto in herausforderndem Marktumfeld ab. Neben dem Genius Venture Capital Fonds MV steuerte auch ein nicht genauer genannter Privatinvestor 2,5 Millionen Euro bei. Mit dem frischen Kapital sollen die Biokomponenten weiterentwickelt, die Pilotanlage hochskaliert und die Zertifizierungsprozesse eingeleitet werden. Den ersten eigenen Investor hatte das Team des 2020 gegründeten Unternehmens in New York gefunden.
Das neunköpfige Team bearbeitet daneben auch Förderprojekte mit einem Volumen von einer Million Euro.
Automatisiertes Fertigungssystem von Innocent Meat
„Kulturfleisch hat noch einige Herausforderungen zu bewältigen, aber ich bin zuversichtlich, dass wir mit unserer Lösung einen wesentlichen Beitrag zur Lösung des drängenden Problems der Versorgung einer wachsenden Weltbevölkerung mit sicherem, bezahlbarem und nachhaltigem Fleisch leisten können“, sagt Co-Gründerin Laura Gertenbach, die sich als Chief Empowering Officer bezeichnet.
Die Rostocker Innovatoren arbeiten an einem automatisierten Fertigungssystem („Plug and Produce“), das es künftig jedem Verarbeiter ermöglichen soll, im eigenen Werk kultiviertes Fleisch selbst herzustellen. Bislang liegt der Fokus hierbei auf Schweinehackfleisch – aber auch andere Fleischarten sind möglich.
Konkret sollen Fleischverarbeiter von Innocent Meat sowohl Zellen und deren Futter als auch die Produktionssoftware sowie eine große Box erhalten. Diese vergleicht Gertenbach in der WirtschaftsWoche mit einem Bierbrautank – in der Fachsprache Bioreaktor genannt. Eine Art B2B-Amazon für die kultivierte Fleischindustrie also.
Zusammen mit der Universität Rostock ist eine Produktionsplattform für „rekombinante“ Proteine (FABA.BIO) im Aufbau. Auf dieser sind bereits die ersten Produkte verfügbar. So beispielsweise „Serumfreie Expansionszellmedien für primäre Muskelzellen vom Schwein.“ Dafür werden aus einem Gewebestück der Skelettmuskulatur eines Tieres Stammzellen isoliert, die anschließend in einem Bioreaktor und mithilfe eines Nährmediums vermehrt werden.
Kultiviertes Fleisch als saubere Alternative
Um Kostenparität mit herkömmlichem Fleisch herzustellen, hat sich Innocent Meat im Gegensatz zu Methoden etwa mit Mikroben für die Verwendung der Hülsenfrüchtler-Pflanzen (Fabaceae) entscheiden. Dies soll die Skalierbarkeit in Bioreaktoren vereinfachen. Mit dem frischen Kapital aus der Finanzierungsrunde soll die Kapazität der hauseigenen Bioreaktoren von bislang zwei Kilo Fleisch vervielfacht werden.
Die Produktion von Fleisch aus dem Bioreaktor kann eine Möglichkeit bieten, in Zukunft klimafreundlicher zu produzieren. Angesichts der steigenden Klimabelastung, wachsender Weltbevölkerung und der zunehmenden Kritik an nicht immer gewährleistetem Tierwohl ist dies ein wichtiges Thema für die Zukunft, das Gertenbach damals zur Entwicklung motiviert hat.
Einschätzung von Cleanthinking-Gründer Martin Jendrischik
Innocent Meat unterscheidet sich entscheidend von Kulturfleisch-Startups, die selbst produzieren und den Output an Konsumenten verkaufen wollen. Diese glänzen heute bereits häufig mit ausgefallenem Marketing, um sich von anderen Marken abzugrenzen.
Allerdings verfügt der Lebensmittelmarkt über starke Marken großer Konzerne. Daher ist der Ansatz von Innocent Meat geschmeidig, sich auf den technologischen Teil der Wertschöpfungskette zu konzentrieren.
Der Fortschritt mit der Finanzierungsrunde ist ermutigend – gelingt es in diesem Jahr, die ersten Anlagen zu platzieren, kann daraus rasch ein sinnvolles Business werden. Gerade aktuell gibt es viele Nachrichten rund um pflanzenbasiertes oder kultiviertes Fleisch – ein Sektor, der auch wegen des Klimawandels dringend in Schwung kommen muss. Alternative Proteine bieten eine ungenutzte Klimachance.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.