Invinity: Die Redox-Flow-Kommerzialisierer
Britisch-amerikanisches Cleantech-Unternehmen Invinity Energy Systems stabilisiert Solar, Wind und Wasserkraft mit Langzeit-Energiespeicher-Technologie.
Als sich die beiden Redox-Flow-Hersteller RedT Energy und Avalon Battery im ersten Quartal 2020 entschlossen, zu fusionieren, war das Ziel klar: Ein Cleantech-Unternehmen zu schaffen, dass die Energiespeicher-Technologie durch Großserienfertigung zum kommerziellen Erfolg führt. Dazu kombinierten die Unternehmer die Vanadium-Redox-Flow-Technologie von Avalon aus den USA mit den Kommerzialisierungs-Erfahrungen der britischen Gesellschaft redT – Invinity Energy Systems war aus der Taufe gehoben.
Greentechmedia kommentierte den Zusammenschluss der beiden Cleantech-Unternehmen damals, Konsolidierung könne genau das sein, was die noch junge Branche der Redox-Flow-Energiespeicher gebrauchen könne. Zwar gibt es eine Reihe von Startups in diesem Bereich – doch die allermeisten scheitern bei oder nach den ersten Projekten. Invinity Energy Systems hingegen schafft es aus mehreren Gründen offenbar, den entscheidenden Schritt zur Kommerzialisierung erfolgreich zu machen – und wird damit ein Redox-Flow-Kommerzialisierer.
Technologie: Produktion in Großserie
Ein Vanadium-Redox-Flow-Energiespeicher von Invinity besteht aus zwei Tanks mit in Wasser gelöstem Elektrolyt. Diese sind durch eine Protonenaustauschmembran voneinander getrennt. Beide Elektrolyte sind Vanadium in unterschiedlicher Oxidationsstufe. Beim Laden und Entladen werden die Vanadium-Ionen zwischen den Oxidationsstufen bewegt. Der Vorteil ist, dass dieser Vorgang zehntausend Male über einen Zeitraum von einem Jahrzehnt passieren kann. Die Fähigkeit der Vanadium-Lösungen, die Ladung zu halten, verschlechtert sich im Zeitverlauf nicht.
Invinity Energy Systems verfügt über eine Produktionsstätte in China, die im Unterschied zu Wettbewerbern, keinen rein manufakturellen Charakter hat. So ist auch zu erklären, dass das Unternehmen Vorteile in der Skalierung sieht.
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Hauptprodukt des Unternehmens ist der Invinity VS3 genannte Batteriespeicher. Nominell geeignet für eine Energiespeicherung zwischen 220 Kilowattstunden und 40 Megawattstunden bei einer Lebensdauer von 25 Jahren und unbegrenzter Zyklenzahl.
Lithium vs. Vanadium
Der Unterschied zu Lithium-Ionen-Batterien besteht darin, dass Lithium bei jeder Ladung und Entladung Lithium-Metall auf der Kathode abscheidet und ablagert. Obwohl diese Reaktion fast vollständig reversibel ist, führt sie nach ein paar tausend Zyklen zu einer Degradation und die Leistung nimmt ab. Daher ist die Vanadium-Redox-Flow-Technologie im Hinblick auf die Zyklenfestigkeit bzw. Lebensdauer deutlich überlegen.
Während also Lithium-Ionen-Batterien ideal für die Speicherung von Energie für zwei bis vier Stunden, etwa 50 Mal im Jahr geeignet sind, können Redox-Flow-Batterien problemlos vier Zyklen pro Tag leisten.
Lithium-Ionen-Batterien haben dagegen einen Vorteil bei der Energiedichte. Redox-Flow-Batterien eignen sich daher vor allem für stationäre Anwendungen, wo Größe und Gewicht meist kaum eine Rolle spielen. Im Netzmaßstab hingegen ist der Platzbedarf für den Betrieb ähnlich, weil Vanadium-Batterien dichter gepackt werden als Lithium-Akkus.
Ein weiterer Unterschied: Im Vergleich zu Lithium-Ionen-Batterien für netzgekoppelte Speicher besteht bei Vanadium-Redox-Flow-Technologien kein Brandrisiko. Lithium-Batterien müssen in größeren Abständen aufgestellt werden oder über einen ausreichenden Feuerschutz verfügen.
Der enorme Preisverfall der Lithium-Batterien von mehr als 80 Prozent in der vergangenen Dekade zeigt, dass dieser Speichertyp derzeit im Hinblick auf die Installationskosten im Vorteil ist. Da von Experten wie Tony Seba erwartet wird, dass die Preise für Lithium-Technologien bis 2030 um weitere 80 Prozent sinken werden, ist davon auszugehen, dass der grundsätzliche Preisvorteil bestehen bleibt.
Dieser Preisunterschied relativiert sich allerdings im Dauerbetrieb der Speichersysteme: Bezogen auf die Kosten der eigenen Technologie sagt das Unternehmen, die eigenen Lösungen würden zu einem Preis verkauft, der in der gleichen Größenordnung liegt wie der Preis für Lithium-Ionen-Speicher pro Megawattstunde im industrielen Markt. Hier kann die Vanadium-Technologie ihre Langlebigkeit ausspielen.
Rohstoff Vanadium
Vanadium ist ein sehr häufig in der Erdkruste vorkommendes metallisches Element. Es ist beispielsweise häufiger vorhanden als Kupfer, wird häufig in der Stahlherstellung eingesetzt. Es kommt in mehr als 100 verschiedenen Mineralien vor. Trotz dieser Verfügbarkeit gibt es nicht viele Unternehmen, die sich auf die Vanadium-Förderung konzentrieren – mehr dazu im Artikel über Vorteile und Nachteile der Redox-Flow-Batterien.
Wenn das Vanadium in Redox-Flow-Batterien verwendet wird, kann es recycelt und wiederverwendet werden. Durch den Wechsel des Oxidationszustandes beim Laden und Entladen geht also der Rohstoff nicht verloren. Allerdings kann Vanadium in manchem Aggregatzustand als giftig angesehen werden.
Projekte von Invinity im Überblick
Invinity Energy Systems hat einige Projekte in der Pipeline, die im Jahr 2021 abgeschlossen werden sollen. Hier gibt es einen Überblick über die wichtigsten Projekte des Cleantech-Unternehmens.
Derzeit (Stand Februar 2021) hat Invinity mehr als 50 Projekte realisiert und mehr als 25 Megawattstunden Energiespeicher auf fünf Kontinenten installiert.
Yadlamalka, Südaustralien
In Yadlamalka, Südaustralien, soll im Jahr 2021 die weltweit größte, solarbetriebene Vanadium-Redox-Flow-Batterie in Betrieb gehen. Dabei wird das Speichersystem von Invinity von einem Photovoltaikkraftwerk aufgeladen – und liefert exakt dann Strom in das lokale Netz, wenn dieser gebraucht wird. Das Projekt wird von ARENA, der australischen Agentur für erneuerbare Energien, mit einem Zuschuss von umgerechnet 3,7 Millionen Euro gefördert.
Der Energiespeicher agiert hier ähnlich wie die australischen Batteriespeicher: Er ist aber aufgrund seine Struktur anders ausgelegt – nicht allein auf kurzfristigen Ausgleich der Netzfrequenz, sondern eher darauf, rund um die Uhr Sonnenstrom liefern zu können. Die Überdimensionierung zeigt sich in der Auslegung der technischen Systeme: Einem 8-Megawattstunden-Speicher steht eine 6-Megawatt-Solaranlage gegenüber.
Das Projekt wird vom Yadlamalka Energy Trust umgesetzt. Es hat ein Volumen von 20 Millionen US-Dollar. Ziel ist es, kostengünstige, emissionsarme Energie für das australische Stromnetz bereitzustellen – und jährlich etwa 10 Gigawattstunden regelbaren Solarstrom zu erzeugen. Im Zusammenspiel zwischen solarer Energieerzeugung und dem Redox-Flow-Speicher werden die Nachteile erneuerbarer Energien ausgeglichen: Sie sind nicht rund um die Uhr verfügbar.
Zusätzlich zur zeitversetzten Stromlieferung liefert der Energiespeicher dem Australien Energy Market Operator AEMO auch sogenannte Frequenzregeldienste. Damit wird das Stromnetz flexibilisiert – und es können Spitzen in Nachfrage und Erzeugung ausgeglichen werden.
Neben Invinity Energy Systems ist Habitat Energy einer der wichtigsten Projektpartner: Habitat übernimmt die Regelung des Solarstroms. Habitat Energy bietet eine Optimierungs- und Handelsplattform für erneuerbare und netzgekoppelte Batteriespeicheranlagen – vergleichbar mit der Autobidder-Software von Tesla. Weitere Partner-Unternehmen im Yadlamalka-Projekt sind DCD Electric und die Projektmanager Switchco und Birdwood Energy.
Die Inbetriebnahme wird Ende 2021 erwartet.
Oxford, Großbritannien
Das bislang größte Projekt entsteht im ersten Halbjahr 2021 in Großbritannien; Der „Energy Suberhub Oxford“. Dort werden 27 Redox-Flow-Batterien zum Einsatz kommen. Dabei handelt es sich um ein Ladenetzwerk für Elektroautos, verbunden mit dem Höchstspannungsübertragunsnetz. Es soll dafür sorgen, dass eine große Menge Strom nach Oxford transportiert wird, um Fahrzeuge schnell aufzuladen, große Fahrzeugflotten mit elektrischer Energie zu versorgen und die Ladeinfrastruktur insgesamt auszubauen.
Die Hybridbatterie von Invinity Energy Systems kombiniert Lithium-Ionen- und Vanadium-Flow-Technologie miteinander. Dazu werden die Batteriespeicher mit einem neuen Overdrive-Modus für zusätzliche Leistung ausgestattet.
Der Energy Superhub Oxford (ESO) ist eines von vier Demonstrationsprojekten, die vom Industrial Strategy Challenge Fund der britischen Regierung im Rahmen des Programms „Prospering from the Energy Revolution“ (PFER) mitfinanziert werden. Im Rahmen des PFER-Programms geht es um die Bereitstellung von Innovationen für intelligente lokale Energiesysteme.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.
Hallo lieber Martin, die Redox-Flow Speicherung klingt sehr vielversprechend, wenn der Abbbau von Vanadium auch recht sauber von statten gehen kann. Setzen deutsche Konzerne noch nicht auf diese Technologie? Wird der angekündigte Bau von „Wasserstoffkraftwerken“ wenigstens ordentlich voran getrieben? Grüner Wasserstoff ist aus meiner persönlichen Sicht noch immer die beste Speichermöglichkeit, selbst wenn die Effizienz den herkömmlichen Batteriespeichern unterlegen ist. Bitte machen Sie so weiter! Vielen Dank für Ihre Reports, Ihr Klaus Eggert
Lieber Klaus — wir brauchen drei Ebenen von Speichertechnologien, denke ich. Einerseits den Batteriespeicher für den Haushalt, den Gewerbebetrieb, als Quartiersspeicher oder Unterstützung für kurzfristige Netzschwankungen. Dann die neueren Lösungen wie Redox-Flow, die deutlich länger und sehr leicht skalierbar speichern können, aber gleichzeitig auch viele Zyklen können. Und schließlich den Wasserstoff (Methan, Ammoniak), um echte Winterlücken zu überbrücken.
Ja, den Ankündigungen im Bereich Wasserstoff folgen jetzt auch sehr viele konkrete Projekte bis hin zur Initiative eines Wasserstoffnetzes.