Der chinesische Digitalriese Baidu und der Autokonzern Geely, zu dem auch Volvo, Zeekr, Polestar und Lynk & Co. gehören, haben mit dem autonom fahrenden Elektroauto JiYue 01 einen potenziellen Game-Changer auf den Markt gebracht, der den Start in eine neue Ära der Automobilindustrie markiert. Das E-Auto ist das erste Verbrauchermodell überhaupt, das mit Baidus Apollo-Technologie für autonomes Fahren ausgerüstet ist. Das Robocar darf in einigen Regionen Chinas bereits ohne Sicherheitsfahrer eingesetzt werden.
Vorgestellt wurde der JiYue 01 Ende Oktober 2023 – ohne große Medienresonanz überhaupt. Dabei ist es das erste Elektroauto, dass auf Level 4 autonom fahren kann. weil es mit der Apollo-Suite von Baidu sowie allerlei Kameras und Sensorik ausgestattet ist. Noch ist das Gebiet begrenzt, das mit dem Robocar ohne Fahrer gefahren werden kann – bis Ende 2024 strebt das Joint-Venture aus Baidu und Geely die deutliche Ausweitung an: Auf mehr als 200 Städte, überwiegend in China und 90 Prozent der chinesischen Autobahnen.
Das vollautonome, 4,83 Meter lange Elektroauto JiYue 01 ist ein SUV mit besonders großem Innenraum. Zentral und auffällig im Interieur ist der gewaltige Bildschirm, der so gut wie alle Tasten im Automobil überflüssig macht. Sprachsteuerung ist ebenso möglich wie Touchsteuerung. Als Fahrzeug-Cokpit-Chip kommt ein Qualcomm 8295 zum Einsatz. Daneben assistieren zwei Orin-Chips von NVIDIA. Mit zwei unterschiedlichen Batteriepacks schafft das Auto eine Reichweite von 580 bzw. 720 Kilometer – und wäre damit absolut europatauglich.
Nach Aussage der WirtschaftsWoche-Redakteure Thomas Stölzel und Martin Seiwert stimmt beim Elektroauto von Geely neben dem Design und der Reichweite auch die Verarbeitungsqualität. Konkret setzt Baidu bei seiner autonomen Fahrarchitektur auf 11 hochauflösende Kamers, 12 Ultraschallgeräte und 5-Millimeter-Radargeräte (LiDAR).
Trotz der fortschrittlichen Technologie und der Meinung von Elon Musk, der Lidar als teuer und überflüssig betrachtet, ist das Fahrzeug um 20.000 Euro günstiger als ein elektrischer BMW i5. In China wird der JiYue 01 in der Version mit einem Motor ab etwa 32.300 Euro angeboten, während der Preis für die Version mit zwei Motoren bei knapp 44.000 Euro liegt. Der erste JiYue unterbietet damit das Konkurrenzmodell Tesla Model Y auf dem chinesischen Markt deutlich.
JiYue plant nicht nur einen eigenen Vertrieb, Kundendienst und Marketing für den 01, sondern auch den Aufbau eines eigenen Ladenetzes in China für seine Fahrzeugmodelle.
JiYue 01: Video zeigt autonomes Fahren
Wie ausgereift die Fahreigenschaften ohne Fahrereingriff im Großstadtverkehr sind, zeigt beispielsweise dieses Video von Stathis Petropoulos:
Das Auto verbindet Design mit Connectivity, künstlicher Intelligenz und autonomem Fahren. Die kommenden Monate nach den ersten Auslieferungen im Jahr 2024 werden zeigen, inwieweit die bislang unbekannte Automarke der Partner Baidu und Geely im Heimatmarkt reüssieren kann. Klar ist, dass nur die Autobauer überleben werden, die in der Lage sind, mehr als drei Millionen Fahrzeuge pro Jahr herzustellen.
Baidu und Geely haben Konkurrenz
Bislang sind vor allem BYD und Tesla (mehr Tesla-News) auf gutem Weg, das zu schaffen – aber Geely könnte geschickt Synergien zwischen den vielen Marken geltend machen und so ebenfalls Skaleneffekte erzielen. BYD hat aber im Unterschied zu Geely bereits ein eigenes europäisches Werk in Aussicht gestellt (Ungarn) und Tesla ist auch in Europa präsent. Für die deutschen Autobauer hat die China-Invasion indes längst begonnen.
Lesen Sie auch: Automobilindustrie: Nach China-Desaster droht Invasion (cleanthinking.de)
Robocar als Game-Changer?
Nachdem Tesla (vgl. Livestream), Waymo und Cruise immer wieder mit Robotaxi-Fahrten bzw. Diensten für Schlagzeilen sorgen, geht der Blick nun nach Asien, wo autonomes Fahren schon einen Schritt weiter scheint als in den USA. Das Robocar von JiYue ist nun sogar ein Auto, das den Verbrauchern vollständig in die Hände gegeben wird. Damit ist es – wenn all die Verheißungen eingehalten werden – ein wirklicher Game-Changer.
Denn Experten wie Tony Seba sagen seit Jahren voraus, dass Transport as a Service-Dienstleistungen den klassischen Autobesitz ablösen werden. Neben dem elektrischen fahren ist dafür auch das autonome Vorankommen entscheidend. Das Zeitalter des autonomen Fahrens hat begonnen.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.