Käse der Zukunft: Studie zur Akzeptanz von tierfreier Nahrung mittels Präzisionsfermentation
Wissenschaftler der Universität Göttingen haben in einer aktuellen Studie eine überraschend hohe Akzeptanz bei deutschen Verbrauchern für „Käse der Zukunft“ festgestellt – eine tierfreie Alternative, die mittels Präzisionsfermentation hergestellt wird. Diese innovative Methode nutzt Mikroorganismen wie Bakterien und Hefen, um Milchproteine zu produzieren und könnte die Käseproduktion revolutionieren, indem sie sie effizienter und nachhaltiger macht. Doch welche Faktoren beeinflussen die Akzeptanz dieser tierfreien Alternative?
Die Technologie der Präzisionsfermentation ist Teil einer umfassenderen Bewegung, die beispielsweise von Disruptions-Experte Tony Seba als „Zweite Domestizierung von Pflanzen und Tieren“ bezeichnet wird. Dabei werden Mikroorganismen wie Bakterien und Hefen genutzt, um tierische Produkte wie Fleisch, Milch und andere komplexe organische Moleküle kostengünstiger, in höherer Qualität und nachhaltiger herzustellen.Quellen und ähnliche Inhalte
Die Studie „Beyond the cow: Consumer perceptions and information impact on acceptance of precision fermentation-produced cheese in Germany“ zeigt, dass die Akzeptanz von Käse der Zukunft aus Präzisionsfermentation vor allem durch zwei Faktoren positiv beeinflusst wird: Einerseits durch die Betonung einer konstant hohen Produktqualität und andererseits die Hervorhebung der Vorteile für Umwelt und Tierwohl.
Verbraucher sind demnach dazu bereit, neue Technologien zu akzeptieren, wenn sie davon überzeugt sind, dass diese zu besseren Produkten und einer nachhaltigeren Lebensmittelproduktion führen.
Transparenz und Kommunikation sind entscheidend
In der Tat gibt es auch Bedenken, insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen auf die traditionelle Landwirtschaft und der möglichen Entstehung von Monopolen einiger weniger großer Unternehmen. Um diese Bedenken auszuräumen und die Akzeptanz zu fördern, ist transparente Kommunikation über die Technologie und ihre Vorteile entscheidend.
Verbraucher müssen über die potenziellen positiven Auswirkungen auf Umwelt und Tierwohl informiert werden, ohne dabei die Sorgen der Landwirte und anderer Stakeholder zu ignorieren
Vorteile vom „Käse der Zukunft“
Der Bericht „Rethinking Food and Agriculture 2020-2030“ untermauert die Ergebnisse der Göttinger Studie. Tony Sebas Beitrag betont die vielfältigen Vorteile von Lebensmitteln, die mithilfe moderner Technologien wie der Präzisionsfermentation hergestellt werden. Diese Vorteile gehen über die reine Produktqualität hinaus und umfassen auch Aspekte wie:
Tierwohl: Da bei der Präzisionsfermentation keine Tiere eingesetzt werden, entfallen ethische Bedenken hinsichtlich Tierhaltung und -schlachtung.
Geringere Kosten: Lebensmittel aus Präzisionsfermentation können kostengünstiger produziert werden als herkömmliche tierische Produkte. Dies liegt daran, dass die Produktionsprozesse effizienter sind und weniger Ressourcen wie Land, Wasser und Futtermittel benötigen.
Verbesserte Produkteigenschaften: Moderne Lebensmittel können so gestaltet werden, dass sie in Bezug auf Geschmack, Textur und Nährwert den traditionellen Produkten entsprechen oder diese sogar übertreffen. So kann beispielsweise ein Burger aus pflanzlichen Proteinen, der durch Präzisionsfermentation hergestellt wurde, den gleichen Geschmack und die gleiche Textur wie ein Rindfleischburger haben, aber weniger Fett und mehr Vitamine enthalten.
Nachhaltigkeit: Die Herstellung von Lebensmitteln durch Präzisionsfermentation ist wesentlich nachhaltiger als die traditionelle Tierhaltung. Sie verursacht weniger Treibhausgasemissionen, verbraucht weniger Wasser und benötigt weniger Land.
Weitere Herausforderungen, Risiken und Vorteile beschreibt auch Biologe und Buchautor Martin Reich („Revolution aus dem Mikrokosmos„) in einem Klima-Podcast der Wiener Tageszeitung „Der Standard“ unter dem Titel Schluss mit Muh: Mikroorganismen könnten künftig Milch.
Letztlich dürfte Präzisionsfermentation die Käseproduktion nachhaltiger verändern, als wir uns das heute vorstellen können. Wenn zu den großen Produktvorteilen gerade im Hinblick auf die Lösung des Klimawandels auch noch die rasche Akzeptanz durch die Verbraucher hinzukommen, steht dieser bahnbrechenden Disruption nicht viel im Wege. Vorausgesetzt, die Politik hört mit rückwärtsgewandten Kulturkämpfen auf und entscheidet sich für eine fortschrittsorientierte Politik, die die notwendigen Rahmenbedingungen setzt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl die Studie der Forscher der Uni Göttingen als auch der Bericht von RethinkX darauf hindeuten, dass die Präzisionsfermentation genau dieses Potenzial hat, die Käseproduktion vollständig umzukrempeln. Es ist eine Disruption, die sich teilweise durch eine Veränderung von Komponenten bei der Nahrungsmittelherstellung abspielt (Mozzarella auf Tiefkühlpizza), und teilweise sichtbar und schmeckbar werden wird: Bei PF-Milch (Remilk) neuen Käsesorten etwa.
Die Akzeptanz der Verbraucher rund um den Käse der Zukunft wird jedoch entscheidend davon abhängen, wie transparent und überzeugend die Vorteile dieser Technologie kommuniziert werden.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.