Bundesregierung beschließt beim Elektroauto-Gipfel die Verdopplung der Kaufprämie und den Ausbau der Ladeinfrastruktur.
Zehn Millionen Elektroautos bis 2030 – die Bundesregierung, die das Ziel eine Million Elektrofahrzeuge bis 2020 krachend verfehlt hat, will nun im kommenden Jahrzehnt dem Elektroauto zum endgültigen Durchbruch verhelfen. Notwendig sind dafür diverse Zutaten: Ein Erfolg des VW ID.3 dessen Serienproduktion heute begann. Der Ausbau von Ladeinfrastruktur sowie der Ausbau der staatlichen Kaufprämie. Und: Andere Hersteller, die Tesla und Volkswagen mit echten Ambitionen ins Elektroauto-Zeitalter folgen.
Heute Abend traf sich Bundeskanzlerin Angela Merkel – mal wieder – mit den Spitzen der Autokonzerne zum Elektroauto-Gipfel im Kanzleramt. Eines der Themen: Die Erhöhung der Kaufprämien für Elektroautos um 50 Prozent, wie manager-magazin.de berichtet. Dabei sollen Autos mit elektrischem Antrieb, die weniger als 40.000 Listenpreis haben, auf 6.000 Euro angehoben werden. Plug-In-Hybride sollen statt mit 3.000 mit 4.500 Euro gefördert werden. Autos, die mehr als 40.000 Euro kosten sollen mit 5.000 (Elektroauto) bzw. 4.000 Euro (Plug-In-Hybrid) bezuschusst werden.
Daneben wird darüber beraten, welchen Beitrag die Autoindustrie zum Aufbau der Ladeinfrastruktur leisten soll. Bis 2030, so die Pläne der Regierung, soll es eine Million Ladepunkte geben. Dafür stellt die Regierung 3,5 Milliarden Euro in den kommenden Jahren bereit. Was wird die Industrie beisteuern, die bereits unter der Last, Elektroautos entwickeln zu müssen, leidet?
All diese Maßnahmen werden an einem besonderen Tag beschlossen, der als ein Tag des Durchbruchs für Elektromobilität in die Geschichte eingehen könnte. Volkswagen hat gestern sein Zwickauer Werk eröffnet, in dem ausschließlich Elektroautos für VW, Seat und Audi gebaut werden sollen. Mit dem Start der Serienfertigung des ID.3 geht Volkswagen-Chef Herbert Diess volles Risiko: Wird der ID.3 ein Erfolg, wird VW überleben. Wenn nicht, könnte es eng werden für den heute bedeutendsten Autobauer des Landes.
Einige Fakten zum ID.3 zeigen, weshalb das Auto der Hoffnungsträger schlechthin ist:
- Rechnerisch ist der ID.3 ein klimaneutral hergestelltes Fahrzeug
- Batteriepack 45 kWh: bis zu 330 Kilometer Reichweite
- Batteriepack 58 kWh: bis zu 420 Kilometer Reichweite
- Batteriepack 77 kWh: bis zu 550 Kilometer Reichweite
- Der Einstiegspreis soll bei weniger als 30.000 Euro ohne staatliche Förderung liegen
- Der ID.3 ist mit bis zu 100 Kilowatt schnellladefähig
Volkswagen erweitert mit diesem Fahrzeug den Kreis derjenigen, für die ab kommendem Jahr das Elektroauto die wirtschaftlich günstigste Variante sein wird, die voll alltagstauglich ist. Heutige Elektroautos erfüllen die Voraussetzungen nur zum Teil: Ein Hyundai Kona, der aufgrund bester Effizienzwerte in seiner 64 kWh-Version locker 500 Kilometer Reichweite bringt, ist nicht unter 45.000 Euro zu haben. Ein Ampera-E von Opel (der nicht mehr verkauft wird) lädt seine Batterien im Schneckentempo. Selbst der aktuelle Nissan Leaf ist aufgrund von Problemen beim Laden nicht langstreckentauglich.
Zehn Mio. Elektroautos bis 2030 – ein realistisches Ziel?
Die obige Grafik (hier wird von reinen batterieelektrischen Elektroautos ausgegangen) zeigt exemplarisch (nicht wissenschaftlich fundiert!), wie sich die Verkaufszahlen von Elektroautos entwickeln müssten, um das Ziel der Regierung von zehn Millionen Elektroautos zu erreichen. Dabei wird davon ausgegangen, dass insbesondere die folgenden Treiber zu hohen Zuwachsraten führen:
- EU-Vorgaben zu Flottenemissionen ab 2020
- Kaufprämie für Elektroautos bis 2025
- Breite Modellpalette fast aller Hersteller ab 2022
- Verbot von Neufahrzeugen mit Verbrennungsmotor ab 2035
In dem skizzierten Szenario wird von hohen Zuwachsraten in 2020 und 2022 (jeweils 50 Prozent) und 2034/2035 (1,4 bzw. 1,32 Prozent) ausgegangen. Dazwischen liegt das Wachstum der Elektroautos zwischen acht und 25 Prozent. Zehn Millionen Fahrzeuge würden demnach exakt 2030 erreicht. Im Jahr 2035 wären 22,5 Millionen reine Elektroautos auf den Straßen – bei einem heutigen Fahrzeugbestand von 44 Millionen Fahrzeugen nur rund die Hälfte aller Autos.
Volkswagen-Chef Diess sagte heute mit Recht, im kommenden Jahrzehnt sei die Brennstoffzelle für den PKW-Sektor schlicht zu teuer. Das zeigt, dass der Kampf um den besten Antrieb entschieden ist, auch wenn Hyundai oder Toyota mit Luxusmodellen versuchen, einen anderen Weg einzuschlagen. Diess folgt auf diesem Pfad Elon Musk, der die Brennstoffzellen nicht Fuel Cells, sondern Fool Cells nennt.
Entscheidend wird sein, wie schnell die Hersteller in der Lage sein werden, die genannten Kinderkrankheiten oder Komforteinbußen ihrer Elektroautos abzustellen und rundum alltagstaugliche Fahrzeuge zu erschwinglichen Preisen auf den Markt zu bringen. Mit dem zu erwartenden Trend zum autonome Fahren und zum Carsharing könnte der Markthochlauf im kommenden Jahrzehnt in vielen wichtigen Automärkten global gelingen.
Auch und gerade mit zehn Millionen Elektroautos in Deutschland bis 2030…
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.