High Hopes Labs aus Israel entwickelt einen Klima-Ballon, der Kohlendioxid in 16 Kilometern Höhe einfangen und zur Erde bringen soll.
Erst vor wenigen Tagen hat Elon Musk 100 Millionen Dollar für exzellente Ideen zur Abscheidung von CO2 aus der Atmosphäre ausgelobt – und Bill Gates unterstützt Cleantech-Unternehmen wie Climeworks oder Carbon Engineering, die das Treibhausgas auf der Erde energieintensiv durch Ventilatoren jagen und so einfangen. Jetzt kommen zwei israelisches Unternehmer, die mit ihrem Unternehmen High Hopes Labs einen anderen Plan verfolgen: Sie wollen das Kohlendioxid nicht auf der Erde, sondern in 16 Kilometern Höhe einfangen.
Der Knackpunkt der Idee: In diesen Höhenschichten herrschen Temperaturen von -70 Grad Celsius – wird es noch 8,5 Grad weiter abgekühlt, gefriert es zu einer Art Schneeflocken – bei -78,5 Grad Celsius findet die Sublimation statt – wird aus dem Gas also ein fester Stoff. Diesen Einfall hatte der in Stuttgart ansässige Wissenschaftler und Unternehmer Eran Oren mitten in der Nacht vor etwa 18 Monaten. Damals rief er seinen Freund und späteren Mitgründer Nadav Mansdorf an, und überzeugte ihn von der Idee, damit das größte Problem der Menschheit zu bekämpfen.
Am 16. April, also vor 11 Tagen, gelang Oren und Mansdorf der grundsätzliche Nachweis, dass die Technologie funktionieren kann. Sie ließen in Deutschland einen entsprechend ausgestatteten Klima-Ballon aufsteigen. Für die Tests wurden kleine Ballons verwendet. Die Grund-Technologie arbeitet ähnlich wie ein Kühlschrank, besteht also aus einem Kompressor und Kühlflüssigkeit.
In Zukunft soll die Box ungefähr die Größe haben, die zwei gewöhnliche Kühlschränke brauchen. Die benötigten Ballons, die die Kühlschrank-Boxen in die Atmosphäre auf 16 Kilometer Höhe bringen, sind etwa so groß wie die Ballons von Googles Satelliten-Internet-Technologie namens Project Loon.
Ein solcher Klima-Ballon, der die Kühlschrank-Boxen in die Atmosphäre hievt, ist acht bis zehn Stunden unterwegs, bevor er mit der direkten Sammlung von CO2 beginnen kann. Der Kohlenstoff wird durch zusätzliche Abkühlung quasi aus der Luft ‚herausgefroren‘ und in einem Adsorptionsmittel aufgefangen. Ist das Adsorptionsmittel ‚aufgeladen‘, kehrt der Ballon zu einer Bodenstation zurück, wo das CO2 speicher- oder nutzbar gemacht wird. Anschließend kann es unterirdisch gespeichert oder für die unterschiedlichsten Produkte als Rohstoff verwendet werden – sozusagen vom Vodka über Nahrung und bis hin zu Kraftstoff.
Ein solcher Ballon soll laut High Hopes Labs eine Tonne Kohlendioxid pro Tag einfangen können – zu Kosten von zunächst 100 Dollar pro Tonne, bei Skalierung womöglich von 50 Dollar. Kosten, die verglichen mit den Anlagen von Climeworks oder Carbon Engineering relativ gering sind. Dort kostet die Tonne Kohlendioxid, gefiltert aus der Umgebungsluft, 250 bis 500 Dollar.
Während die Lösungen von Climeworks und Carbon Engineering den Pferdefuß haben, dass sie sehr viel Energie zur Filterung brauchen, hat der Ansatz von High Hopes zwar durchaus Charme, ist aber auch durchaus ambitioniert. Die Vorteile sind, dass relativ wenig Energie notwendig ist, um das Kohlendioxid einzusammeln. Denn der starke Wind in 16 Kilometern Höhe drückt ständig Luft in die Ballons – große Ventilatoren sind unnötig. Nachteilig ist, dass die Ballons nicht rund um die Uhr CO2 abscheiden können – sondern viel Flugzeit benötigen.
Trotzdem sind die Dimensionen gewaltig, die nötig wären, um mit der Geoengineering-Idee wirklich Impact zu erzielen. Bis 2045 müssen 1.850 Millionen Tonnen CO2 aus der Luft abgesaugt und gespeichert werden, um den CO2-Gehalt der Atomsphäre auf erträglichem Maß zu belassen. Die erste Anlage – so der Größenvergleich – von High Hopes Labs wird in der Lage sein, 100 Ballons zu starten und so etwa pro Jahr 30.000 Tonnen CO2 einzufangen.
Wird die Technologie skaliert, müssen sehr große Auffangstationen gebaut werden, um die Ballons ständig in Bewegung halten zu können. Wie würden sich zigtausend Klimaballons von High Hopes Labs auf das Klima auswirken? Natürlich sind noch ganz viele Fragen rund um das Cleantech-Startup, dass diese frische Idee nun der Öffentlichkeit präsentiert, offen. Aber einen Versuch ist es angesichts der dramatischen Entwicklungen rund um den Klimawandel allemal wert.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.