Serielle Sanierung: Wie die Renovierungswelle in Europa gelingen kann
Anbieter wie Ampeers Energy oder Ecoworks stehen für modulare Sanierungslösungen in der Wohnungswirtschaft.
Deutschland und Europa brauchen neue Lösungen, um die notwendige Renovierungswelle anzustoßen. Kann serielle Sanierung von Bestandsgebäuden hierbei eine Schlüsselrolle einnehmen? Immer mehr Anbieter setzen auf Elemente, die aus dem Fertighausbau bekannt sind: Modular vorgefertigte Dach- oder Fassadenelemente ermöglichen eine Standardisierung der Sanierung und verkürzen Baustellenzeiten vor Ort. Aber was genau bedeutet serielle Gebäudesanierung, und welche Anbieter gibt es?
Fakten rund um serielles Sanieren im Überblick
- Beschleunigt die Gebäudesanierung
- Digitalisierung und industrielle Vorfertigung als zentrale Bausteine
- Serielle Sanierung ist in Deutschland in den Anfängen
- Cleantech-Startups wie Energiesprong oder Ecoworks setzen darauf
- Bundesregierung fördert serielles Sanieren seit 2023
- Gebäude müssen bestimmte Anforderungen erfüllen
Serielle Sanierung ist eine Methode der energetischen Gebäudesanierung, die sich von konventionellen Lösungen stark unterscheidet. Serielles Sanieren basiert entscheidend auf modular vorgefertigten Elementen, die unter anderem zur Dämmung von Dächern und Fassaden eingesetzt werden. Moderne Anbieter für serielle Gebäudesanierung standardisieren Prozesse und kombinieren die Vorfertigung von Fassaden- und Dachelementen sowie Energiemodulen mit digitalen Planungsverfahren.
Die Deutsche Energie-Agentur treibt das sogenannte Energiesprong-Konzept voran. So wurde im März 2021 das erste Pilotprojekt für die serielle Sanierung nach dem Prinzip realisiert – und zwar in Hameln, wie diese Übersicht dazu zeigt. Mittlerweile gilt unter anderem Hannover als Vorzeigeregion für entsprechende Projekte:
In der Region Hannover gibt es rund 580.000 Wohnungen. 64 Prozent der Bestandsgebäude wurden zwischen den 50er und 80er Jahren erbaut und werden größtenteils fossil beheizt. Einerseits droht diesen Gebäuden ohne Sanierung ein Wertverlust. Andererseits wird klassisches Bauen und Sanieren durch die sinkende Zahl an Fachkräften, Lieferkettenprobleme und steigende Finanzierungskosten zunehmend schwieriger. Das Prinzip „Serielles Sanieren“ kann hierfür eine Lösung sein und zudem für die Bauwirtschaft einen neuen Wirtschaftszweig schaffen bzw. neue Chancen für die Wohnungswirtschaft eröffnen.
Die Klimaschutzziele der Bundesregierung sehen vor, dass der Gebäudebestand bis 2050 allumfassend energetisch saniert werden muss. Erneuerbare Energie spielt dabei eine besondere Rolle. Bisherigen Methoden konventioneller Sanierung stehen Fachkräftemangel und der Faktor Zeit entscheidend entgegen. Und auch die Kosten sind hoch, weil die zu sanierenden Gebäude häufig in er Sanierungszeit gar nicht bewohnbar sind – so müssen für die Mieter Ausweichquartiere gefunden werden.
Serielles Sanieren, das moderne Möglichkeiten der industriellen Fertigung mit smarten Software-Lösungen kombiniert, kann für die Schaffung einer Renovierungswelle durchaus eine Schlüsselrolle einnehmen. Denn die Vorteile serieller Sanierung sind vielfältig und können die Kosten und Qualität der Maßnahmen entscheidend senken.
Wie Ecoworks den Gebäudebestand klimafreundlich macht
Das Berliner Cleantech-Unternehmen Ecoworks hat sich ganz der klimaneutralen seriellen Sanierung verschrieben und verspricht, innerhalb weniger Wochen aus energetisch schlecht gedämmten Altbauten moderne, energieeffiziente Wohnhäuser zu machen – von Energieeffizienzklasse H zu A+. Dabei wird der Wohnraum in der Regel um 40 Prozent vergrößert, eine Dachaufstockung vorgenommen, Fassade und Keller-Geschossdecke gedämmt und die Energieversorgung im Keller modernisiert.
Moderne Software-Lösungen und KI-Methoden helfen dabei, den Gebäudebestand zu analysieren und somit die Zeit von der Planung bis zum sanierten Haus auf wenige Wochen zu reduzieren. In die Fassadenelemente, die an die existierende Gebäudehülle montiert werden, sind Lüftung, Fenster oder Dämmung bereits fabrikseitig integriert – ganz ähnlich wie beim Fertighausbau. Für Gebäudeeigentümer und Mieter oder Wohnungseigentümer wird die Zeit der Sanierung stark verkürzt.
Ecoworks hat sich zum Ziel gesetzt, die CO2-Emissionen im Gebäudesektor zu reduzieren.
Ecoworks ist in der Lage, Mehrfamilienhäuser mithilfe einer besonders effizienten Gebäudehülle auf einen „Net Zero“-Standard umzubauen. Aus Sicht der Gebäudeeigentümer ist dabei vor allem die Wertsteigerung der Immobilie relevant: Um bis zu 100 Prozent lässt sich dieser Gebäudewert durch die Renovierung, Sanierung und Modernisierung erhöhen. Seit einigen Jahren setzt Ecoworks seine Lösungen rund um serielles Sanieren schon in einer Vielzahl von Gebäuden in Deutschland ein.
Beispiel: Sanierung eines Gebäudes aus dem Jahr 1965 in Bochum
In Bochum sind drei Mehrfamilienhäuser der VBW Bochum durch Ecoworks seriell saniert worden. Wohnfläche? 1.436 Quadratmeter. Durch die Montage von vorgefertigten und hoch isolierenden Fassaden an den Außenwänden und die Nutzung von erneuerbaren Energien können hier zukünftig 133 Tonnen CO₂ pro Jahr eingespart werden. Die Sanierungsmaßnahmen ermöglichen den Mieter*innen das klimaneutrale Wohnen in kürzester Zeit.
Die Maßnahmen im Überblick:
- Fassade: Die alten Fassaden werden durch 32 Zentimeter dicke, industriell vorgefertigte Fassadenmodule energetisch ertüchtigt. Die mit Douglasienholz verkleideten Fassaden sind hoch gedämmt und erfüllen den KfW55 EE-Standard.
- Dach: Das bestehende Dach verfügt über eine Zwischensparrendämmung aus Mineralwolle. Die Dacheindeckung wird entfernt und mit neuen Dachmodulen bedeckt, die nahezu vollflächig mit Photovoltaikmodulen belegt werden.
- Fenster: Die alten Fenster werden minimalinvasiv nach außen entfernt und die Fensterlaibungen werden mit einem hochwertigen Blendrahmen verkleidet. Außerdem wird ein außenliegender Sonnenschutz durch elektrisch steuerbare Rollläden in allen Wohnungsfenstern installiert.
- Energie: Die Gasheizung wird zurückgebaut und durch eine Wärmepumpe ersetzt, die aus einem Mix an selbstproduziertem Strom der hauseigenen Photovoltaikanlage und eingekauftem Grünstrom betrieben wird.
- Keller: Die Kellerdecke wird mit Mineralwolle gedämmt.
Serielle Sanierung: Welche Vorteile und Nachteile gibt es?
Die serielle Sanierung bietet eine Vielzahl von Vorteilen, wenn es um die Modernisierung und den Umbau von Gebäuden geht:
- Kostenersparnis: Durch die serielle Sanierung können Kosten eingespart werden, da sie in Phasen durchgeführt werden kann. Dies ermöglicht eine bessere Planung und Budgetierung der anstehenden Arbeiten. Zudem können Synergien genutzt werden, beispielsweise beim Einsatz von Maschinen und beim Kauf von Materialien.
- Bewahrung des Gebäudebestands: Die serielle Sanierung unterstützt die Bewahrung historischer oder architektonisch wertvoller Gebäude. Anstatt ein Gebäude komplett abzureißen und neu zu bauen, werden einzelne Sanierungsmaßnahmen durchgeführt, um den Charakter und die Geschichte des Gebäudes zu erhalten.
- Nachhaltigkeit: Durch die serielle Sanierung kann der Ressourcenverbrauch minimiert werden. Anstatt Materialien komplett zu ersetzen, können bestehende Elemente wiederverwendet oder aufgerüstet werden. Dadurch werden sowohl Material- als auch Energieeinsparungen erzielt.
- Flexibilität: Die serielle Sanierung ermöglicht es, Arbeiten in einem Gebäude abschnittsweise durchzuführen. Dies bietet den Vorteil, dass Räume weiterhin genutzt werden können, während andere Bereiche saniert werden. So ist es beispielsweise möglich, den Betrieb in Bürogebäuden oder Schulen während der Sanierungsarbeiten aufrechtzuerhalten.
- Verbesserung der Energieeffizienz: Durch die serielle Sanierung können energetische Verbesserungen schrittweise umgesetzt werden. Dies ermöglicht es, den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen kontinuierlich zu reduzieren, ohne dass große finanzielle Investitionen auf einmal erforderlich sind.
- Wertsteigerung: Eine serielle Sanierung kann den Wert einer Immobilie steigern. Durch die schrittweise Modernisierung können Gebäude den aktuellen Anforderungen und Standards angepasst werden, was sich positiv auf den Verkaufs- oder Vermietungswert auswirkt.
Diese Vorteile zeigen, dass die serielle Sanierung eine nachhaltige, kosteneffiziente und flexible Methode ist, um Gebäude zu modernisieren. Sie ermöglicht es, den Gebäudebestand zu erhalten und gleichzeitig die Energieeffizienz zu verbessern, was letztendlich zu einer nachhaltigeren und zukunftsfähigen Bauweise führt.
Obwohl die serielle Sanierung einige Vorteile bietet, gibt es auch einige Nachteile, die bei der Entscheidung für diese Methode berücksichtigt werden sollten:
- Zeitlicher Aufwand: Die serielle Sanierung erfordert eine längere Zeitspanne im Vergleich zu einem kompletten Neubau. Da die Arbeiten schrittweise durchgeführt werden, kann es zu längeren Bauphasen kommen, was zu Unannehmlichkeiten und Beeinträchtigungen für die Bewohner oder Nutzer des Gebäudes führen kann.
- Unterbrechungen im Betrieb: Die Durchführung von Sanierungsarbeiten in einem Gebäude kann den normalen Betrieb stören. Dies kann zu Beeinträchtigungen der Arbeitsabläufe oder des Komforts der Bewohner führen, insbesondere wenn Arbeiten in bewohnten Gebäuden oder Arbeitsstätten stattfinden.
- Kostenerhöhung: Obwohl die serielle Sanierung Vorteile in Bezug auf Kostenersparnis bieten kann, ist es auch möglich, dass sich die Kosten während des Projekts erhöhen. Dies kann durch unvorhergesehene Probleme oder Änderungen im Design oder den Anforderungen bedingt sein. Eine gründliche Planung und Kostenkontrolle sind daher unerlässlich.
- Schwierigkeiten mit Auflagen und Genehmigungen: Bei der seriellen Sanierung historischer Gebäude oder denkmalgeschützter Immobilien können zusätzliche Einschränkungen und Auflagen gelten. Dies kann den Prozess erschweren und zu Verzögerungen führen. Es ist wichtig, die gesetzlichen Bestimmungen und Anforderungen im Vorfeld zu prüfen, um möglichen Schwierigkeiten vorzubeugen.
- Beschränkte Gestaltungsfreiheit: Bei der seriellen Sanierung ist die Gestaltungsfreiheit möglicherweise begrenzt, da bestehende Strukturen und Elemente berücksichtigt werden müssen. Dies kann die Möglichkeit einschränken, ein Gebäude komplett neu zu gestalten oder individuelle Wünsche umzusetzen.
- Potenzielle Nachrüstungsprobleme: Je nach Bauweise und Alter des Gebäudes können bei der seriellen Sanierung bestimmte Bauteile oder Systeme schwer nachzurüsten sein. Dies kann zu Kompromissen bei der Energieeffizienz oder dem Komfort führen.
Es ist wichtig, diese potenziellen Nachteile abzuwägen und sorgfältig zu prüfen, ob die serielle Sanierung die richtige Lösung für ein bestimmtes Gebäudeprojekt ist. Eine umfassende Planung, Beratung und Bewertung der individuellen Bedürfnisse und Umstände sind unerlässlich, um die bestmögliche Entscheidung zu treffen.
Was ist die Bundesförderung Serielles Sanieren?
Die Bundesförderung Serielles Sanieren, auch bekannt als BAFA – Bundesförderung Serielles Sanieren, ist ein Förderprogramm des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Deutschland. Das Programm hat das Ziel, die serielle Sanierung von Gebäuden zu fördern und den energetischen Standard bestehender Gebäude zu verbessern.
Die Förderung richtet sich an Eigentümer von Wohngebäuden, die größere Bestandsgebäude in bestimmten Mengen seriell sanieren möchten. Dabei werden mehrere Gebäude gleichzeitig mit einem einheitlichen Konzept und standardisierten Bauteilen saniert.
Zu den geförderten Maßnahmen zählen beispielsweise die Dämmung von Außenwänden, der Austausch von Fenstern und Türen, die Optimierung der Heizungsanlage und die Installation von erneuerbaren Energiesystemen. Der Förderbetrag richtet sich nach dem Umfang der Sanierungsmaßnahmen und kann bis zu einem bestimmten Prozentsatz der förderfähigen Kosten betragen.
Die Bundesförderung Serielles Sanieren bietet finanzielle Anreize für serielle Sanierungsvorhaben und trägt somit zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes im Gebäudesektor bei.
Wissenschaftliche Studien zum Thema
Insbesondere das Umweltbundesamt hat sich mit der klimafreundlichen, seriellen Sanierung wissenschaftlich befasst. Diese Studie beleuchtet das Potenzial in Deutschland und Europa. Daneben bietet das Cleantech-Unternehmen Ampeers Energy ein Whitepaper zum Thema.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.