
KlimaKillerKoalition? Wenn der Fortschritt zum Rückschritt wird
Arbeitsgruppen-Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD sind erschreckend – von gegensätzlich bis fossilfreundlich und klimaschädlich.
Die politische Bühne bebt, denn die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD scheinen eine Richtung einzuschlagen, die Umweltschützern den Angstschweiß auf die Stirn treibt. Erste Ergebnisse sickern durch, und der Tenor ist alarmierend: Statt eines Aufbruchs in eine klimafreundlichere Zukunft droht ein Rückfall in alte Denkmuster. Schnell macht der Begriff „KlimaKillerKoalition“ (KKK) die Runde, ein Ausdruck des wachsenden Unmuts über die vermeintliche Ambitionslosigkeit in Sachen Klimaschutz.
Die geplanten Maßnahmen wirken wie ein Schlag ins Gesicht all jener, die auf eine konsequente Klimapolitik gehofft hatten. Der Kohleausstieg, einst als Meilenstein gefeiert, soll nun bis 2038 aufgeschoben werden – ein fatales Signal, das die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen unnötig verlängert. Während andere Länder längst auf erneuerbare Energien setzen, scheint Deutschland auf der Bremse zu stehen.
Besonders schmerzlich ist die geplante „Entkernung“ des Gebäudeenergiegesetzes. Anstatt die dringend benötigte Wärmewende voranzutreiben, droht nun eine Verwässerung der ohnehin schon wenig ambitionierten Vorgaben. Umweltverbände schlagen Alarm und warnen vor einem fatalen Rückschritt.
Dabei wäre es gerade jetzt wichtig, den Gebäudesektor konsequent auf Klimafreundlichkeit umzustellen. „Die nun an die Öffentlichkeit gelangten Ergebnisse weisen an vielen Stellen in die richtige Richtung“, räumt Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energien (BEE) ein, mahnt aber gleichzeitig, dass es entscheidend sei, „die Absicherung der Investitionen in Erneuerbare Energien durchgängig über alle Sektoren und Leistungsklassen hinweg [zu] gewährleisten.“
Auch die einseitige Fixierung auf Erdgas als „Brückentechnologie“ und die Ausweitung von CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) etwa in der Stahlindustrie sind höchst fragwürdig. Diese Technologien lenken von den eigentlichen Lösungen ab: dem massiven Ausbau erneuerbarer Energien und der Steigerung der Energieeffizienz. CCS ist zudem teuer und umstritten, ein riskantes Spiel mit ungewissem Ausgang.
KlimaKillerKoalition: Verzicht auf Klimageld und sozialen Ausgleich?
Ein weiterer Wermutstropfen ist der Verzicht auf das geplante Klimageld. Dieses hätte einen wichtigen sozialen Ausgleich geschaffen und die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen erhöht. Stattdessen scheinen Union und SPD andere Wege zu suchen, um die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten – ob diese jedoch genauso effektiv und sozial gerecht sind, bleibt abzuwarten.
Die Pläne, einen Teil der Klimaziele durch CO2-Gutschriften aus anderen Ländern zu erreichen, sind schlichtweg inakzeptabel. Sie untergraben die Glaubwürdigkeit der deutschen Klimapolitik und reduzieren den Anreiz für Innovationen im eigenen Land. Es ist an der Zeit, die Verantwortung für den Klimaschutz selbst zu übernehmen, anstatt sie auf andere abzuwälzen.
Mehr fossile Emissionen: Ticketsteuer soll sinken
Auch in der Verkehrspolitik zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Die geplante Reduzierung der Luftverkehrssteuer (Ticketsteuert) ist ein völlig falsches Signal. In Zeiten der Klimakrise sollte Fliegen teurer und nicht billiger werden. Das Öko-Institut empfiehlt die deutliche Erhöhung der Ticketsteuer, um eine Lenkungswirkung zugunsten des Klimas zu bewirken. Mindestens aber sollten die Einnahmen von 1,5 Milliarden Euro für ökologische Zwecke verwendet werden.
Auch die geplante Verteuerung des Deutschlandtickets ist kontraproduktiv. Stattdessen sollte der öffentliche Nahverkehr massiv ausgebaut und attraktiver gemacht werden. Doch das scheinen nicht die Pläne der KlimaKillerKoalition zu sein.
Strompreise sinken, Probleme bleiben
Die geplante Senkung der Strompreise ist zwar grundsätzlich positiv, doch viele Verbraucher profitieren nicht davon, weil sie in überteuerten Grundversorgertarifen festsitzen oder zu wenig Anreize haben, in günstigere Tarife zu wechseln. Hier ist ein stärkerer Verbraucherschutz notwendig, um die Vorteile der Energiewende tatsächlich bei den Menschen ankommen zu lassen.
Peter betont in diesem Zusammenhang: „Es braucht daher weniger einen Neustart als vielmehr Verlässlichkeit und Planbarkeit für weitere Milliardeninvestitionen in den Standort und eine heimische, sichere und bezahlbare Energieversorgung.“
Statement von Bastian Gierull, Octopus Energy Germany:
Bastian Gierull, CEO von Octopus Energy Germany, bringt es auf den Punkt: „Die Bundesregierung bleibt bei der Energiewende zwar auf Kurs, fährt aber mit angezogener Handbremse.“ Er bemängelt, dass konkrete Maßnahmen für ein kosteneffizientes, zukunftsfähiges Energiesystem fehlen und stattdessen auf Lösungen aus der alten Energiewelt gesetzt wird.
Die ersten Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen sind ein Weckruf für alle, denen der Klimaschutz am Herzen liegt. Wenn Union und SPD an diesem Kurs festhalten, droht ein massiver Rückschritt, der die Klimaziele in weite Ferne rücken lässt. Es ist höchste Zeit, dass die Verantwortlichen umdenken und eine ambitionierte Klimapolitik in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen.
Die Zukunft unseres Planeten steht auf dem Spiel, und es liegt an uns allen, den Druck auf die Politik zu erhöhen, damit sie endlich handelt. Da können wir alle keine KlimaKillerKoalition gebrauchen.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.