Mit seiner breit angelegten Initiative will der Software-Gigant Microsoft CO2-negativ werden.
Es ist ein beeindruckender, wichtiger Schachzug: Der Software-Gigant Microsoft will ab 2030 mehr CO2 aus der Atmosphäre entfernen als produzieren. Etwas holprig wird das als „CO2-negativ“ bezeichnet. Bis 2050 will der Konzern den gesamten Kohlenstoff, den er seit seiner Gründung 1975 direkt, indirekt oder in der Lieferkette verbraucht hat, aus der Atmosphäre zurückholen. Dazu investiert Microsoft eine Milliarde in einen Innovationsfonds, um entsprechende saubere Technologien zu entwickeln.
Bei einer Veranstaltung auf dem Microsoft Campus in Redmond gaben Microsoft CEO Satya Nadella, President Brad Smith, Chief Financial Officer Amy Hood und Chief Environmental Officer Lucas Joppa die neuen Ziele des Unternehmens und einen detaillierten Plan zur Senkung des Kohlendioxidausstoßes bekannt.
Microsoft startet Debatte über Negativ-Emissionen
Mit dieser Ankündigung bringt Microsoft eine neue Debatte über Negativ-Emissionen in Schwung, die bislang eher schleppend verlief. Zwar hat auch der IPCC-Bericht von 2018 den Bedarf für die CO2-Entfernung aus der Atmosphäre eindeutig dargelegt – aber bislang sind die Mengen, die etwa Carbon Engineering oder Climeworks tatsächlich aus der Luft zurückholen eher klein.
Zunehmend entsteht aber eine Kohlenstoff-Industrie, die das CO2 industriell verwerten will. Beispiele dafür sind das Cleantech-Startup Solar Foods oder der Wodka-Hersteller Air Co.
2030 wird Microsoft CO2-negativ sein und bis 2050 den gesamten Kohlenstoff aus der Atmosphäre entfernen, den das Unternehmen seit seiner Gründung im Jahr 1975 entweder direkt oder durch seinen Stromverbrauch emittiert hat.
Microsoft-President Brad Smith
Scope 1, Scope 2, Scope 3
Microsoft schließt bei seiner Ankündigung sowohl Scope 1, wie auch Scope 2 und Scope 3-Emissionen ausdrücklich mit ein.
- Scope 1: Direkte Emissionen etwa durch Autos der Belegschaft
- Scope 2: Indirekte Emissionen etwa durch Energieverbrauch ausgelöst
- Scope 3: Emissionen, die beispielsweise ein von Microsoft genutztes Rechenzentrum durch Lieferung, Produktion und Transport von Rechenpower auslöst.
Oft sind die Scope 3-Emissionen von eher dienstleistungsorientierten Unternehmen wie Microsoft weit höher als die Scope 1 und Scope 2-Emissionen zusammen. Daher legt Microsoft einen besonderen Fokus darauf, in einer neuen Initiative auch Lieferanten und Kunden des Unternehmens, dabei zu unterstützen, den eigenen CO2-Fußabdruck zu verringern.
Das umfassende Programm, mit dem Microsoft seinen CO2-Ausstoß bis 2030 um mehr als die Hälfte verringern will, zielt somit sowohl auf die direkten Emissionen des Unternehmens als auch auf den CO2-Ausstoß in der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette. Das Ziel ist es, sowohl die eigenen direkten Emissionen als auch die Emissionen durch Stromverbrauch bis Mitte dieses Jahrzehnts auf nahezu Null zu reduzieren.
Erreicht werden sollen diese Ziele durch ein Portfolio von Maßnahmen, zu denen Aufforstungsprojekte zählen, Maßnahmen zur Bindung von Kohlenstoff im Boden, Bioenergie in Verbindung mit CO2-Abscheidung und -Speicherung, sowie direkte CO2-Rückgewinnung aus der Luft.
Innovationsfonds für Technologien zur CO2-Entfernung
Mit einem neuen Klima-Innovationsfonds wird Microsoft in den nächsten vier Jahren eine Milliarde US-Dollar investieren, um die Entwicklung von Technologien zur Reduzierung, Abscheidung und Beseitigung von CO2 weltweit zu beschleunigen. Ab dem nächsten Jahr wird das Unternehmen die Reduzierung von CO2-Emissionen auch zu einem expliziten Bestandteil seiner Beschaffungsprozesse in der gesamten Lieferkette machen.
Weitere Hintergründe hat der Konzern auch in einem Blogbeitrag veröffentlicht.
Das Signal von Microsoft ist herausragend. Es zeigt, wie sich die Starken – also etwa reiche Dienstleistungs- oder Industriekonzerne – an die Spitze der Bemühungen um weniger CO2-Emissionen setzen müssen. Mit ihrer Macht sorgen sie nicht nur dafür, dass Technologien zur Lösung entstehen oder schneller günstiger werden, sondern ziehen auch schwächere Unternehmen im eigenen Umfeld mit.
Und: Die Ankündigung von Microsoft setzt auch andere Konzerne unter Druck, ähnlich zu agieren. Natürlich verspricht sich das Microsoft-Management davon auch einen Marketing-Effekt. Aber, angesichts der dramatischen Entwicklung im Hinblick auf die Klimakrise sind die Ambitionen glaubwürdig. Jetzt muss Microsoft konsequent liefern – und andere müssen nachziehen.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.