Konjunkturpaket: Regierung beschließt mutige und zukunftsorientierte Maßnahmen
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Mehrwertsteuer wird vorübergehend gesenkt, EEG-Umlage bis 2022 gedeckelt, Wasserstoff-, Elektroautos- und ÖPNV gefördert.
Die Bundesregierung hat gestern Nacht ein umfassendes, mutiges und zum großen Teil zukunftsorientiertes Konjunkturpaket im Umfang von 130 Milliarden Euro beschlossen. Zentral ist, dass die Mehrwertsteuer für sechs Monate auf 16 bzw. 5 Prozent gesenkt wird, um zu Konsumentscheidungen zu motivieren und die Binnennachfrage breit zu stärken. Im sogenannten Zukunftspaket stehen Klimaschutz-Maßnahmen im Vordergrund: KFZ-Steuer, Elektroautos, Ladeinfrastruktur, ÖPNV, Wasserstoff oder Sektorkopplung.
Etwas überraschend hat die Bundesregierung ein weit größeres Konjunkturpaket mit integriertem Zukunftspaket vorgestellt, als erwartet. Der Umfang: 130 Milliarden Euro, wenngleich manch enthaltene Maßnahme bereits in der Vergangenheit beschlossen worden war. Die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer auf 16 bzw. 5 Prozent bis Jahresende 2020 schafft Konsumanreize und stärkt somit indirekt auch die gebeutelte Autoindustrie oder den Tourismus. Zusätzlich wird es einen Kinderbonus in Höhe von 300 Euro für jedes Kind geben.
Wichtig für Kommunen ist, dass die krisenbedingungen Ausfälle der Gewerbesteuer zu 50 Prozent vom Bund ausgeglichen werden (Kommunaler Solidarpakt). Außerdem werden degressive Abschreibungen für Unternehmen und das Körperschaftssteuerrecht ermöglicht. Das Vergaberecht soll, so die Ankündigung der Bundesregierung, temporär vereinfacht werden, etwa durch eine Verkürzung der Vergabefristen bei EU-Vergabeverfahren und die Anpassung der Schwellenwerte für beschränkte Ausschreibungen und freihändige Vergaben in Deutschland
Zukunftspaket: 50 Milliarden für Forschung und Investitionen
Mit dem Zukunftspaket in Höhe von 50 Milliarden Euro stärkt die Regierung gezielt die Forschung: So ist eine Forschungszulage für Unternehmen im Umfang von einer Milliarde Euro vorgesehen. Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen werden gefördert, indem Mitfinanzierungspflichten von Unternehmen durch den Bund übernommen werden. Projektbezogene Forschung wie beispielsweise die Reallabore der Energiewende werden fortgesetzt.
Umfassend sind die Maßnahmen innerhalb des Konjunkturpakets im Bereich Mobilität:
- Die KFZ-Steuer wird stärker an CO2-Emissionen ausgerichtet.
- Die KFZ-Steuerbefreiung von Elektroautos, die bis 2025 galt, wird bis 2030 verlängert.
- Innovationsprämie: Die Prämie beim Neukauf von Elektroautos, Hybridfahrzeugen und Plugin-Hybriden wird verdoppelt. Ein Elektroauto mit einem Nettolistenpreis von 40.000 Euro wird nun mit 6.000 Euro gefördert. Die Prämien der Hersteller bleiben davon unberührt – lange diskutierte Kaufprämien für Verbrenner sind damit vom Tisch
- Die Zulieferindustrie wird in 2020 und 2021 beim Umbau und der Neuausrichtung unterstützt.
- Weitere Maßnahmen sind u.a. ein Flottenaustauschprogramm „Handwerker“ sowie eines im Bereich „Sozial & Mobil“ – außerdem gibt es ein Flottenmodernisierungsprogramm für schwere Nutzfahrzeuge, was die Anschaffung von Fahrzeugen der Abgasnorm Euro VI fördert
- Zusätzlich werden 2,5 Milliarden aufgebracht, um den Ausbau der Ladeinfrastruktur zu beschleunigen. Auch die Batteriezellfertigung soll stärker gefördert werden.
- Der Bund beteiligt sich bis 2030 sukzessive mit pro Jahr einer Milliarde zusätzlichen Eigenkapital an der Deutschen Bahn, um die Zukunftsfähigkeit zu stärken.
- Im Bereich der Schifffahrt wird speziell der LNG-Antrieb unterstützt.
- Die Umstellung von Flugzeugflotten auf modernere Flugzeuge wird gezielt unterstützt – moderne Flugzeuge emittieren 30 Prozent weniger CO2.
Nationale Wasserstoffstrategie: 10 Gigawatt bis 2035
Im Rahmen der Beratungen hat sich der Koalitionsausschuss auch auf die Eckpunkte der Nationalen Wasserstoffstrategie verständigt. Diese werde in Kürze in vollem Umfang vorgelegt, einen Einblick gibt es bereits im jetzt vorgelegten Zukunftspaket. Demnach setzt sich Deutschland das Ziel, Wasserstoff-Kapazitäten von fünf Gigawatt bis 2030 aufzubauen, und weitere fünf Gigawatt bis 2035 oder spätestens 2040.
Neben der Prüfung, ob die Wasserstoffproduktion über Ausschreibungen von Elektrolyseleistungen gefördert werden kann, soll der Umstieg von
fossilen Energieträgern auf Wasserstoff insbesondere bei industriellen Prozessen in der Entwicklung und Prozessumstellung gefördert werden, heißt es im Zukunftspaket der Bundesregierung. Angestrebt wird, dass die Produktion von grünem Wasserstoff von der EEG-Umlage befreit wird – eine alte Forderung der Branche wird damit Realität.
Ebenfalls positiv: Die RED II-Richtlinie der EU soll ambitionierter umgesetzt werden als es die EU-Vorgaben vorsehen, die regulatorischen Rahmenbedingungen für den Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur rasch geschaffen werden. Weitere Prüfaufträge sind ebenfalls enthalten: So wird über eine PtL-Quote für Flugbenzin und eine Nachfragequote für klimafreundlichen Stahl nachgedacht. Auch eine Förderung von „Wasserstoff-ready“-Anlagen über das KWK-Gesetzt soll untersucht werden.
Einher geht der Aufbau von Kapazitäten für grünen Wasserstoff mit dem beschleunigten Ausbau der Offshore-Windenergie: 20 Gigawatt bis 2030 und 40 Gigawatt bis 2040.
EEG-Umlage wird 2021 und 2022 gedeckelt
Die EEG-Umlage drohte aufgrund der in der Corona-Krise gesunkenen Großhandelspreise für das kommende Jahr zu explodieren. Experten errechneten eine Umlage von bis zu 10 Cent pro Kilowattstunde – und rund 8,5 Prozent bei Reduzierung durch die Einnahmen aus dem Brennstoffemissionshandel (CO2-Abgabe). Jetzt hat sich die Koalition entschieden, diesen Effekt durch den Bundeshaushalt aufzufangen.
Ein weiterer Zuschuss wird also die EEG-Umlage für 2021 auf 6,5 Cent pro Kilowattstunde und im Jahr 2022 auf 6,0 Cent pro Kilowattstunde deckeln. Aktuell liegt die Umlage bei 6,756 Cent pro Kilowattstunde. Somit kommt es zu einer minimalen Reduzierung der Umlage insgesamt, was sowohl der Wirtschaft als auch den Haushalten hilft. Aber: Ein Restrisiko bleibt, weil noch nicht klar ist, wie stark die Netzentgelte ansteigen werden. Von einem leichten Strompreisanstieg ist auszugehen.
Aber: Ab 2021 fallen die ersten Photovoltaik- und Windkraftanlagen aus der 20jährigen Förderung heraus. Also diejenigen, die besonders hohe Vergütungen je Kilowattstunde erhalten haben, müssen künftig ohne diese hohe Förderung auskommen. Dadurch ist davon auszugehen, dass das EEG-Konto spürbar entlastet werden wird. Der Scheitelpunkt, also die höchste EEG-Umlage der Geschichte, dürfte also mit 2019 nun erreicht worden sein.
Fazit zum Konjunkturpaket und Investitionspaket der Regierung
Die Bundesregierung hat ein wirklich zukunftsorientiertes Gesamtpaket vorgelegt, das das Zeug hat, Deutschland mit einem Technologie-Sprung mittel- und langfristig zu stärken. Kurzfristige und teure Steuerentlastungen sind auf wenige Monate befristet, was teure Kaufentscheidungen erleichtern wird.
Aus Cleantech-Sicht ist die 10 Milliarden Euro schwere Nationale Wasserstoffstrategie ein wichtiger Hebel, um Deutschland zukunftsfähig zu machen. Endlich werden hier auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen wie etwa die Umsetzung der RED II in deutsches Recht oder die Befreiung von Wasserstoff-Produktion von der EEG-Umlage angepackt.
Für die Abschaffung des Solardeckels gibt es mittlerweile übrigens einen festen Termin: Heute in zwei Wochen wird das Gesetz, kurz vor der Sommerpause, beschlossen.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.