Kristall-Batterie für dreifache Reichweite: Theion plant Massenproduktion bis 2025
Cleantech-Startup kommerzialisiert Lithium-Schwefel-Zellen mit hoher Energiedichte. Enpal investiert. Gerhard Cromme leitet Beirat.
Das Berliner Cleantech-Unternehmen Theion, über das Cleanthinking zuerst am 25. März 2021 berichtete, will bis 2025 eine Schwefel-Kristall-Batterie auf den Markt bringen, die die Nutzungsdauer oder Reichweite mobiler Anwendungen verdreifachen soll. „Problem war bisher die Zyklenlebensdauer von Lithium-Schwefel-Zellen. Für dieses Problem haben wir eine Lösung gefunden“, sagt Dr. Ulrich Ehmes, der neue CEO des Unternehmens. Schon 2026 soll die Massenproduktion von Zellen mit hoher Energiedichte auf Basis von Lithum-Schwefel und Natrium-Schwefel starten.
Die Lithium-Schwefel-Zellen von Theion kommen ohne Rohstoffe aus, die aufgrund hoher Nachfrage und langsam wachsendem Angebot hohe Kosten verursachen: So etwa Nickel, Kobalt, Mangan sowie Aluminium- und Kupferfolien. Insbesondere Nickel, Kobalt und Mangan als sogenannte Kathodenmaterialien ersetzt Theion in der Kristall-Batterie durch Schwefel in seiner kristallinen Form. In diesem Zustand ist es in großen Mengen weltweit verfügbar. Und preislich erschwinglich: Schwefel kostet 20 Cent im Vergleich zu 20 Euro für NMC811 (Nickel, Mangan, Kobalt).
Ein Ansatz geht sogar soweit, Schwefel, das als Abfallstoff in industriellen Prozessen anfällt, für die Batterieherstellung zu recyceln. Als Resultat reduziert Theion durch den Einsatz von Schwefel die Kosten für die Kathodenmaterialien um sagenhafte 99 Prozent – und macht die Batterie gleichzeitig deutlich nachhaltiger. Konkret soll der Energieverbrauch in der Produktion von der Mine bis fertige Zelle bei 15 kWh el/1 kWh c liegen. Und trotz dieser immensen Kostenersparnis zielt die Technologie der Berliner darauf ab, die Energiedichte zu verdreifachen.
Genügend Energiedichte für Flugtaxis?
Dabei soll sowohl die Energiedichte pro Gewichtseinheit (gravimetrisch, ≥ 1.000 Wh/kg (Gen 4) als auch die pro Volumeneinheit (volumetrische Energiedichte, ≥ 1.500 Wh/l) entsprechend höher sein im Vergleich zu heute gängigen Lithium-Ionen-Zellen auf NMC-Basis. Gerade dieser Umstand macht die neue Batterie von Theion so attraktiv für eine Vielzahl von mobilen Anwendungen: Für Flugtaxis oder gar Elektroflugzeuge spielt das Gewicht der Batterien die Hauptrolle, während bei mobilen Endgeräten das Volumen maßgeblich ist.
Bedeutet konkret: Pro Kilogramm Gewicht will Theion drei mal mehr Energie speichern. Heutige Energiedichten von NMC-Batterien mit 300 Wattstunden pro Kilogramm sollen von der Lithium-Schwefel-Technologie von Theion abgelöst werden – mit 1.000 Wattstunden pro Kilogramm.
Das Kernproblem von Schwefel-Kathoden, die Zyklenlebensdauer, haben die Berliner, die eine Vielzahl von Patenten angemeldet haben, nach eigenem Bekunden gelöst. Zu der Verlängerung der Lebensdauer (Ziel: ≥ 1.000 Zyklen bei 1 C) tragen innovative Produktionsprozesse bei, indem die kristallinen Materialeigenschaften von Schwefel mit Kohlenstoff-Nanoröhren und einem gewöhnlichen Festelektrolyten kombiniert werden. Spannend: Zur Kohlenstoff-Nutzung hat Theion eine Partnerschaft mit UP Catalyst geschlossen – ein Cleantech-Unternehmen aus Estland, das Kohlendioxid aus der Luft filtert und daraus Graphit macht.
Die von Theion entwickelten nachhaltigen Produktionsprozesse benötigen 90 Prozent weniger Energie sowie nur ein Drittel des Platzbedarfs und der Investitionskosten im Vergleich zu den derzeitigen Gigafabriken, bei vergleichbarem Produktionsausstoß.
Wie weit ist die Kristall-Batterie von Theion?
Im September 2023 verkündete Theion einen wichtigen technologischen Meilenstein. So sei die Etablierung einer Schlüsseltechnologie gelungen. Konkret geht es dabei um die sogenannte Lithium-Metall-Wirtsanode, mit der die Probleme bisheriger Lithium-Metall-Anoden gelöst werden sollen.
Auf der Linkedin-Seite von Theion heißt es dazu: „Mit unserer Lösung erreichten wir eine dichte Li-Beschichtung a) mit niedrigen Überspannungen (im Bereich von < 0,01 V), selbst bei extremen Stromdichten (> 70 mA/cm2) zusammen mit hohen Flächenkapazitäten (>70 mAh/cm2). Dies bedeutet, dass wir in der Lage sind, das Li in unserem LMHA so zu beschichten, dass die theoretische volumetrische Kapazität von Li, d. h. 2061 mAh/cm3, erreicht wird, natürlich unter Berücksichtigung des Volumens, das der Wirt einnimmt.“
Die technische Beschreibung zeigt, dass Theion sich auf einem guten Pfad wähnt, um die angestrebten hohen Energiedichten zu erreichen. Gleichzeitig zeigt es aber auch, dass noch reichlich Zeit ins Land geht, bevor die Zyklenfestigkeit und andere Parameter hoch genug sind.
Im Jahr 2022 wurden erste Entwicklungsmuster der Kristall-Batterie ausgeliefert – zunächst an Kunden aus der Luft- und Raumfahrt. Anschließend sollen weitere Pilotkunden beliefert werden, die etwa aus den Bereichen Drohnen, Mobiltelefone oder Laptops kommen können. Ab 2024 soll dann der Elektroflug- und Automobilsektor ebenfalls bedient werden. Die Großserienproduktion – mittelfristig mit Gigafabriken auf mehreren Kontinenten geplant – soll 2026 bereit sein. Die Massenproduktion der Kristall-Batterie ist für 2028 vorgesehen.
Um diesen Pfad bewältigen zu können, plant Theion bis Ende des Jahres eine Series A-Finanzierungsrunde abzuschließen. Bislang hat unter anderem der Internetpionier Lukasz Gadowski in das Kristall-Batterie-Startup investiert, und dieses mit einem mittleren einstelligen Millionenbetrag ausgestattet. Dabei ist Gadowski mit seinem Team Global nicht nur als Geldgeber, sondern auch als strategischer Partner interessant: Denn Team Global hat etwa in Volocopter oder Archer investiert; zwei Cleantech-Unternehmen aus dem Mobilitätsbereich, für die die Batterie mit den Schwefel-Kristallen prädestiniert sein dürfte.
Dr. Ulrich Ehmes als CEO bringt seine Erfahrung etwa aus der Arbeit für den Entwickler von Lithium-Ionen-Batterien Leclanché aus der Schweiz mit, um die Lithium-Schwefel-Kathodentechnologie von Theion zu einem kommerziellen Erfolg zu machen.
Theion hat seinen Hauptsitz in Berlin und verfügt über drei Standorte in der Stadt, die auf Zelldesign, Prototyping und Tests spezialisiert sind. Um seine Roadmap auf dem Weg zur Massenproduktion zu beschleunigen, sind Produktionsstätten in Europa, Asien und den USA geplant. Die genauen Standorte für die späteren Giga-Fabriken, die die Kristall-Batterie eines Tages herstellen sollen, stehen noch nicht fest, sollen aber strategisch nah bei den relevanten Kunden errichtet werden.
Gerhard Cromme wird Beiratsvorsitzender
Mit Gerhard Cromme hat sich Theion im August 2022 die Dienste eines ehemaligen Spitzenmanagers gesichert, der u.a. von ThyssenKrupp und Siemens wirkte. Der heute 79jährige Gerhard Cromme wird den Beirat von Theion leiten – und etwa bei der Professionalisierung des Unternehmens, dem Finden passender Köpfe und schließlich der Finanzierung behilflich sein.
Neben Gerhard Cromme komplettieren Stine Rolstad Brenna von Team Global und Osman Dumbuya das neu geschaffene Gremium. Dumbuya ist Chefin des Softwareunternehmens Incari.
Enpal investiert in theion
Das Berliner Cleantech-Unternehmen Enpal, das sich gerne als grünes Einhorn bezeichnet, hat in Theion investiert, um strategisch den europäischen Energiewende-Sektor mit einem auf Theion-Technologie basierenden Stromspeicher angehen zu können. Die Verbindung zwischen den Cleantech-Unternehmen ist klar: Star-Investor Lukasz Gadowski ist in Theion wie auch in Enpal investiert.
Für Batterien für den Mobilitätsmarkt kombiniert Theion Schwefel mit Lithium als Anodenmaterial. Für Energiespeicheranwendungen hingegen nutzt Theion Natrium, einem Bestandteil von Kochsalz, als Anodenmaterial.
Henning Rath, Chief Supply Chain Officer bei Enpal, der dem Beirat des Cleantech-Startups beitreten wird: „Die nachhaltige und kosteneffiziente schwefelbasierte Technologie wird eine Hochleistungsbatterie für stationäre Speicher zu stabilen Preisen liefern und erhöht damit die Unabhängigkeit unserer Lieferkette.“
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Dieser Beitrag erschien ursprünglich am 29. März 2022. Letztes Update ist vom 11. September 2022.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.
Als ein gewisser Herr Slavik noch mitmischte, ein selbsternannter „Batterieexperte“ und „weltweit führender Wissenschaftler“ tönte Theion (oder the ion?) von Produktionsstart 2023 und wunderbaren gravimetrischen Energiedichten. Lesenswert: https://www.golem.de/news/theion-fragwuerdige-wunderakkus-aus-berlin-2208-167435.html