Lithium aus Serbien: EU-Deal trotz massiver Umweltproteste im Jadar-Tal

Lithium aus Serbien? Im Jadar-Tal soll eine der größten Lithium-Minen der Welt entstehen. Das Projekt des Bergbaukonzerns Rio Tinto verspricht, die EU unabhängiger von Importen zu machen und so die Elektromobilität voranzutreiben. Allerdings ist das Vorhaben wegen erheblicher Umweltbedenken, wie der potenziellen Grundwasserverschmutzung, umstritten. Trotz jahrelanger Proteste haben der Beitrittskandidat und die EU im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz eine Absichtserklärung unterzeichnet, die den Weg für den Lithiumabbau ebnet. Die Frage bleibt: Kann dieses Lithium-Deal wirklich umweltfreundliches Li-Karbonat für Europa liefern?

Lithium für Elektroautos ist heutzutage unverzichtbar. Zwar kommen Alternativen wie etwa Natrium-Batterien auf den Markt, aber das „weiße Gold“ ist derzeit der einzigartige Garant für hohe Energiedichten und somit hohe Elektroauto-Reichweiten. Mit der Ansiedlung von immer mehr Batteriefabriken in Europa, etwa durch CATL, LG oder Northvolt, will die Staatengemeinschaft die Wertschöpfung durch eigene Rohstoffe verbreitern. Das Jadar-Projekt könnte ein wichtiger Baustein dieser Strategie sein, birgt aber gleichzeitig erhebliche Risiken für Umwelt und Anwohner.

Jahrelange Umweltproteste in Serbiens Jadar-Tal

Schon seit 2021 gibt es um Umweltproteste im Jadar-Tal wegen des möglichen Lithiumabbaus durch den Bergbaukonzern Rio Tinto. Die Vorkommen in Serbien sind in etwa 400 Metern Tiefe, so dass ein erheblicher Eingriff in die Natur notwendig ist, um das weiße Gold, das für Elektroauto-Batterien so wichtig ist, zu fördern. Laut Medienberichten ist von 200 Millionen Tonnen die Rede – eines der größten Lithium-Vorkommen weltweit.

Neben der möglichen Verschmutzung des Grundwassers machen Umweltschützer und Anwohner sich Sorgen über die Zerstörung fruchtbarer Felder, den Verlust der Artenvielfalt und die Freisetzung von Schadstoffen wie Feinstaub in die Atmosphäre. Das Jadar-Tal beherbergt hauptsächlich Bauern, die Mais und Weizen anpflanzen oder Milchwirtschaft betreiben, um sich selbst und ihre Umgebung zu versorgen.

Zu all diesen Bedenken hat Rio Tinto Analysen durchgeführt und auf der eigenen serbischen Webseite für das Milliarden-Projekt veröffentlicht:

Über mehrere Jahre verfolgte auch die serbische Regierung eine zurückhaltende Auffassung rund um Lithium aus Serbien im Jadar-Projekt. Erst im Juni 2024 wurde in Medienberichten bekannt, dass das Projekt überhaupt wieder zur Diskussion steht. Am 19. Juli 2024 schließlich schlossen die EU und das südeuropäische Land nun die Absichtserklärung ab, um ein Signal zu senden, dass das Vorhaben nun seinen Gang gehen wird.

Expertenstimme: Claudia Kemfert zu Lithium aus Serbien

Für Energieökonomin ist die Diversifizierung von Rohstoff-Importen ein guter Ansatz. Daneben begrüßt sie, dass es beim Vorhaben um Klimaschutz im weitesten Sinne geht, weil damit die Verkehrswende zum effizienteren Elektroauto unterstützt wird. Allerdings, so Kemfert im Deutschlandfunk, müsse die Bundesregierung bei Interesse an den Rohstoffen auf die Einhaltung von Standards achten, so dass beispielsweise keine Gefahr durch Schwermetalle im Grundwasser auftreten kann.

Generell betonte die Professorin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung DIW, es gehe bei der Verkehrswende auch darum, den Rohstoffbedarf nicht immer weiter steigen zu lassen, sondern durch Recycling und Kreislaufwirtschaft sorgfältiger damit umzugehen. Und, so gibt sie weiter zu bedenken, es müsse auch insgesamt um weniger Autos als individuelle Verkehrsmittel gehen.

Zu diesem Ziel könnte in den kommenden Jahrzehnten besonders autonomes Fahren und Mobility as a Service beitragen. Ein weiterführendes Interview zur Thematik gibt es auch bei der Heinrich-Böll-Stiftung.

Bedeutung von serbischem Lithium für Europas Autoindustrie

Am Rande eines Gipfels äußerte sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz zum Lithium-Deal, der die EU nun unabhängiger von China und Südamerika machen soll – was unterstreicht, dass sich Scholz ganz offensichtlich für den Deal stark machte und Zugriff auf Batterien mit Lithium aus Serbien für deutsche Elektroautos erwartet.

Das Rohstoff-Abkommen ist von großer Bedeutung für beide Parteien. Es stellt die größte ausländische Direktinvestition in der Geschichte Serbiens dar. Die Regierung in Belgrad strebt die Schaffung einer Wertschöpfungskette für Elektromobilität an, die den gesamten Prozess vom Rohstoffabbau bis zur Batterieproduktion umfasst. Dies führt zu Staatseinnahmen, Arbeitsplätzen und Investitionen, die Serbiens Präsident Vucic auf sechs Milliarden Euro geschätzt hat. Scholz hat ihm laut tagesschau.de zugesichert, dass Serbien auch eine Batteriefabrik bekommen wird.

Laut Medienberichten sind Mercedes-Benz und Stellantis als potenzielle Abnehmer für das Lithium-Karbonat in Verhandlungen mit Rio Tinto. Die in Serbien vorhandenen Vorräte und Abbau-Potenziale sind so groß, dass mindestens 17 Prozent des heutigen Lithium-Bedarfs Europas gedeckt werden können – 58.000 Tonnen pro Jahr. Für die Klimaziele ist das ein bedeutender Schritt.

EU-Kommission erwartet zunehmende Lithium-Nachfrage

Laut der Europäischen Kommission wird der Bedarf an Lithium für Elektrofahrzeugbatterien und Energiespeicher bis 2030 im Vergleich zur aktuellen Versorgung der gesamten EU-Wirtschaft um das 18-fache steigen. Die Lithiumförderung in Europa steckt noch in den Anfängen, es sind jedoch weitere Minenprojekte in Portugal und Spanien geplant. Auch dort gibt es Widerstand seitens der Bevölkerung, was durchaus begründet ist, da Umweltschäden kaum zu vermeiden sind.

Der gegenwärtige Zustand sieht so aus, dass die EU fast den gesamten Bedarf an Lithium aus dem Ausland importiert. Hauptsächlich stammt dieses Lithium aus Chile, wo es unter ähnlich bedenklichen Bedingungen abgebaut wird. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen und den EU Green Deal umzusetzen, wäre es notwendig, kritische Rohstoffe innerhalb Europas abzubauen und zu verarbeiten.

Jedoch ist der hohe Verbrauch von Rohstoffen kein neuartiges Phänomen der ökologischen Transformation. Schon seit mehr als 50 Jahren wächst der Rohstoffverbrauch der Industriegesellschaften kontinuierlich. Neben elektronischen Geräten, Wind- und Solarenergieanlagen ist vor allem der Individualverkehr einer der Haupttreiber des gesteigerten Bedarfs an Rohstoffen.

Update vom 30. Juli 2024: Weiter Proteste gegen serbisches Lithium

Die Proteste gegen das Rio Tinto-Vorhaben „Lithium aus Serbien“ reißen nicht ab. Kurz nach der Regierungsentscheidung, die Förderung wieder aufzunehmen, haben zahlreiche Bürger gegen Abbauprojekt protestiert. In den Städten Arandjelovac, Sabac, Kraljevo und Ljig zogen die Demonstranten unter dem Slogan Rio Tinto go away durch die Straßen. Nach Angaben des serbischen Fernsehens nahmen an mindestens drei der Kundgebungen mehr als tausend Menschen teil.

„Unsere Flüsse und Wälder sind von ihnen besetzt worden“, erklärte der Aktivist Nebojsa Kovandzic während einer Kundgebung in Kraljevo laut tagesschau.de. Alles, was die Regierung tut, geschieht ausschließlich zum eigenen Vorteil und niemals zum Wohl der Bürger. Die Menschenmenge rief lautstark: „Diebe, Diebe“.

Die kommenden Tage werden entscheiden, ob der Lithium-Deal von Serbien mit der EU im Namen von Rio Tinto erhalten bleibt oder es zu schwereren Protesten rund um serbisches Lithium kommen wird. Lithium aus Serbien wird es aber ohnehin frühestens 2028 geben.

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Eine erfolgreiche Verkehrswende muss daher auch eine Veränderung im Umgang mit Rohstoffen mit sich bringen. Denn lokale Umweltschutzmaßnahmen, ein bewussterer Umgang mit Rohstoffen sowie eine Veränderung im Verkehrssektor und im Klimaschutz müssen als untrennbare Einheit betrachtet werden.

(Der Artikel entstand am 19. Juli 2024. Letztes Update am 30. Juli 2024)

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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