Von Arzberg bis Bollingstedt: Mega-Batterien als Schlüssel zur Energiewende
Batteriegroßspeicher: Die heimlichen Helden der Energiewende. Während die Debatte um Windräder und Solaranlagen die Öffentlichkeit beherrscht, vollzieht sich im Hintergrund eine stille Revolution: Mega-Batterien, die oft unscheinbar in Containern oder Hallen untergebracht sind, erobern Deutschlands Stromnetz. Sie sind die heimlichen Helden der Energiewende, die dafür sorgen, dass wir auch dann genug Strom haben, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Ein Blick auf die aktuelle Lage und zwei der Mega-Projekte in Arzberg und Bollingstedt.
Die Herausforderungen der Energiewende
Die Energiewende stellt das deutsche Stromnetz vor nie dagewesene Herausforderungen. Der zunehmende Anteil volatiler erneuerbarer Energien – also von Sonne und Wind – macht das Stromnetz anfälliger für Schwankungen. Diese Schwankungen entstehen, weil die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen nicht immer mit dem Strombedarf übereinstimmt. Wenn beispielsweise viel Wind weht oder die Sonne stark scheint, wird mehr Strom erzeugt, als verbraucht wird. Umgekehrt kann es zu Engpässen kommen, wenn die Sonne nicht scheint und Flaute herrscht.
Gleichzeitig steigt der Strombedarf, getrieben durch die zunehmende Elektrifizierung von Industrie, Verkehr und Gebäuden. Elektroautos, Wärmepumpen und andere elektrische Geräte erhöhen den Stromverbrauch und verstärken die Schwankungen im Stromnetz. Um diese Herausforderungen zu meistern, sind flexible und leistungsstarke Energiespeicher unerlässlich.
Batteriespeicher als Lösung
Batteriespeicher können überschüssigen Strom aus erneuerbaren Quellen speichern und bei Bedarf wieder ins Netz einspeisen. Dadurch dienen sie als Puffer und gewährleisten die Versorgungssicherheit, auch wenn die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen schwankt. Batteriespeicher sind darüber hinaus in der Lage, eine Vielzahl von netzdienlichen Leistungen zu erbringen, die zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen.
Der Markt für Mega-Batterien boomt
Die Nachfrage nach Mega-Batterien ist enorm – und das trotz teilweise ungeklärter Rahmenbedingungen. So sind doppelte Netzentgelte – also Gebühren für die Nutzung des Stromnetzes – für Batteriespeicher zwar temporär ausgeschlossen, aber langfristig gibt es hier noch keine Sicherheit. Dennoch boomt der Markt für Mega-Batterien.
Wie Christian Stoecker im Spiegel berichtet, verzeichnen die Übertragungsnetzbetreiber eine Rekordzahl an Genehmigungsersuchen für Batteriespeicher. Im Jahr 2023 bearbeitete die Bundesnetzagentur 760 Anträge für den Anschluss von Batteriespeichern mit einer Gesamtleistung von 41 Gigawatt. Wenn alle diese Projekte umgesetzt würden, entspräche das einer Kapazität von rund 80 Gigawattstunden. Das ist fast so viel, wie die Bundesregierung in ihrem Netzentwicklungsplan (NEP) 2037/2045 für das Jahr 2045 vorgesehen hat (89 Gigawattstunden).
Experten schätzen, dass Deutschland bis 2030 Batteriespeicher mit einer Kapazität von mindestens 100 Gigawattstunden (GWh) benötigt, um die Energiewende zu bewältigen. Zum Vergleich: Die deutschen Pumpspeicherkraftwerke können pro Zyklus rund 40 GWh Energie speichern. Heimspeicher machen derzeit nur einen Bruchteil davon aus – ihre gesamte Kapazität liegt bei wenigen GWh.
Auch die bereits installierten Batteriespeicher im industriellen Maßstab reichen bei weitem nicht aus, um den zukünftigen Bedarf zu decken. Ein großes Potenzial liegt in der Nutzung von Elektroauto-Akkus als Zwischenspeicher. Wenn diese intelligent ins Stromnetz integriert werden, könnten sie einen erheblichen Beitrag zur Stabilisierung der Stromversorgung leisten.
Es ist also ein massiver Ausbau der Speicherkapazität erforderlich, um die schwankende Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen auszugleichen und eine zuverlässige Stromversorgung zu gewährleisten.
Vorteile von Mega-Batterien
Neben der Stabilisierung des Stromnetzes übernehmen Mega-Batterien eine Vielzahl weiterer Aufgaben im Energiesystem:
- Frequenzhaltung: Sie helfen, die Frequenz im Stromnetz konstant bei 50 Hertz zu halten, indem sie innerhalb von Millisekunden auf Schwankungen reagieren und entweder Energie einspeisen oder aufnehmen. Die Frequenzhaltung ist entscheidend für die Stabilität des Stromnetzes. Schon geringe Abweichungen von der Sollfrequenz können zu Störungen und im schlimmsten Fall zum Ausfall des gesamten Netzes führen.
- Spannungshaltung: Sie können dazu beitragen, die Spannung im Stromnetz stabil zu halten, indem sie Blindleistung bereitstellen. Die Spannungshaltung ist ebenfalls wichtig für die Stabilität des Stromnetzes und den sicheren Betrieb elektrischer Geräte.
- Schwarzstartfähigkeit: Im Falle eines kompletten Netzausfalls können sie helfen, das Stromnetz wieder hochzufahren. Die Schwarzstartfähigkeit ist eine wichtige Sicherheitsfunktion, die im Falle eines Blackouts die schnelle Wiederherstellung der Stromversorgung ermöglicht.
- Arbitrage: Sie können günstigen Strom speichern, um ihn später bei höheren Preisen wieder zu verkaufen. Arbitrage ist eine wirtschaftliche Funktion, die dazu beiträgt, die Strompreise zu stabilisieren und die Rentabilität von Batteriespeichern zu erhöhen.
- Peak Shaving: Sie können Lastspitzen kappen, indem sie Energie in Zeiten hohen Bedarfs bereitstellen. Peak Shaving entlastet das Stromnetz und verhindert teure Netzausbaumaßnahmen.
Arzberg und weitere Batteriespeicher-Projekte in Deutschland
Ein großes Batteriespeicher-Projekt wurde kürzlich in Arzberg (Bayern) in Betrieb genommen. Mit einer Leistung von 75 MW und einer Kapazität von 100 MWh kann die Anlage den gesamten Landkreis Wunsiedel für mehrere Stunden mit Strom versorgen.
Der Batteriespeicher ist direkt an eine Hochspannungsleitung angeschlossen und kann über ein eigenes Umspannwerk bei Bedarf sofort überschüssigen Strom aufnehmen oder ins Netz einspeisen. „Dieses Projekt ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer zukunftsfähigen Energieversorgung“, sagte Ministerpräsident Markus Söder bei der Einweihung.
Neben Arzberg gibt es in Deutschland bereits eine Reihe weiterer Mega-Batterien, die einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten. Hier eine kleine Auswahl:
- Batteriepark Jardelund (Schleswig-Holstein): Mit 48 MW Leistung und 50 MWh Kapazität war Jardelund bei seiner Inbetriebnahme im Jahr 2018 der größte Batteriespeicher Europas.
- Batteriepark Feldheim (Brandenburg): Dieser Speicher ging 2015 ans Netz und hat eine Leistung von 10 MW und eine Kapazität von 10 MWh.
- Batteriepark Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern): Mit 5 MW Leistung und 5 MWh Kapazität wurde dieser Speicher bereits 2014 in Betrieb genommen.
- Mega-Batterie Lingen (Niedersachsen): Mit einer Leistung von 117 MW ist dieser Speicher einer der größten in Deutschland. Er wurde Anfang 2023 in Betrieb genommen.
Bollingstedt: 238,5 Megawattstunden für Deutschlands Stromnetz
Noch größer ist das Batteriespeicher-Projekt Eco Power One in Bollingstedt (Schleswig-Holstein), das im Januar 2025 ans Netz gehen soll. Mit einer Leistung von 103,5 MW und einer Kapazität von 238,5 Megawattstunden (MWh) – genug um 30.000 Haushalte für einen ganzen Tag mit Strom zu versorgen – wird er einer der größten Batteriespeicher Deutschlands sein.
Errichtet und betrieben wird die Anlage von der Eco Stor GmbH, einem Unternehmen, das sich auf die Entwicklung und den Betrieb von nachhaltigen Energieprojekten spezialisiert hat. Eco Stor verfolgt dabei einen klaren Fokus: 100% erneuerbare Energien, Investition in die Zukunft und Zusammenarbeit mit erfahrenen Partnern.
Die Partner im Projekt Bollingstedt
Im Projekt Bollingstedt bündeln drei Partner ihre Kompetenzen:
- Entelios: Der Demand-Response-Spezialist – vergleichbar mit einem Börsenmakler für Strom – übernimmt die Direktvermarktung des gespeicherten Stroms und sorgt für optimale Erlöse am Energiemarkt.
- enspired: Das Technologieunternehmen – die „Gehirne“ hinter dem Speicher – steuert den Batteriespeicher mit intelligenten Algorithmen, um maximale Effizienz und Netzstabilität zu gewährleisten.
- Eco Stor: Als Projektentwickler und Betreiber verantwortet Eco Stor die Planung, den Bau und den Betrieb des Speichers.
Bollingstedt: Ein wichtiger Beitrag zur Energiewende
Das Projekt Bollingstedt ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie innovative Technologien und die Zusammenarbeit verschiedener Akteure die Energiewende voranbringen können. Der Batteriespeicher leistet einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Stromnetze, zur Integration erneuerbarer Energien und zum Klimaschutz.
Die Energierevolution ist im vollen Gange
Mega-Batterien wie in Bollingstedt und Arzberg spielen eine entscheidende Rolle bei der Transformation unseres Energiesystems. Sie ermöglichen die Integration erneuerbarer Energien, stabilisieren die Stromnetze und tragen zu einer sicheren und bezahlbaren Energieversorgung bei. Die Energierevolution ist im vollen Gange, und Projekte wie Eco Power One in Bollingstedt zeigen, wie die Zukunft der Energie aussehen kann.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.
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Was ist denn aus dem Gravitations-Batteriespeicher von Energy Vault geworden? In Rodong in China soll doch dieses Jahr ein Testspeicher ans Netz gegangen sein, aber man liest nirgends etwas davon, geschweige denn von Folgeprojekten.
Wurden mit dem Projekt in Rodong 2023 noch 123 Millionen Dollar Umsatz für Energy Vault generiert, waren es 2024 bisher Null Dollar.
Herr Jendrischik, ihr Artikel suggeriert, dass man mit den Gross-Batterien jetzt die Probleme der Sonnen- und Windenergie endgültig in Griff bekommen wird.
Mit den Gross-Batterien, die zur Zeit installiert werden, will man die Stromnetze stabilisieren – wie sie ja richtig schreiben.
Damit lassen sich aber Dunkelflauten oder gar die saisonalen Schwankungen nicht ausgleichen. Dafür sind sie um den Faktor 1000 zu klein.
Die Batterien für die Stabilisierung sind ein lukratives Geschäft für die Betreiber, da diese Batterien in sehr kurzen zeitlichen Abständen beladen und entladen werden und bei jeder dieser Aktion Geld zu verdienen ist.
Bei den Batterien für die Dunkelflauten oder gar für die saisonalen Schwankungen ist das Beladen und Entladen wesentlich seltener, bei der saisonalen Beladung und Entladung gar nur einmal im Jahr. Es liegt auf der Hand, dass in ein solches Geschäft niemand investieren wird.
Wenn die Batterien für die Stabilisierung schon den Strompreis weiter nach oben treiben, würden die Batterien für die Dunkelflauten und saisonale Schwankungen den Strompreise ins Unermessliche treiben, abgesehen davon, dass man sich nicht vorstellen kann, wie diese gigantische Menge an Batterien produziert werden können und dann auch noch aufgestellt werden müssen.
Ich bin Meinung, dass man auch bei den positiven Entwicklung der Energiewende, wie den Batterien für die Stabilisierung, den Menschen reinen Wein einschenken sollte und die Einordnung in das Große und Ganze mit erwähnt werden müsste.
Hans-Peter Sollinger
Lieber Hans-Peter,
vielen Dank für Ihre Einschätzung, die sich sehr wertvoll finde.
Ich denke nicht, dass der Beitrag „suggeriert“, dass man mit Großbatterien, die Probleme der Sonnen- und Windenergie endgültig in den Griff bekommen wird. Von saisonaler Stromspeicherung etc. steht nichts in meinem Beitrag.
Batteriespeicher werden eine viel größere Rolle bei der notwendigen Speicherung spielen als noch vor wenigen Jahren angenommen. Deshalb ist dieser Fokus meines Artikels aus meiner Sicht absolut berechtigt. Es braucht aber Stromspeicherung auf vielen Ebenen: Häuser, Quartiere, Netzebene, strategische Langzeitreserve.
Ihre Argumentation rund um „Dunkelflauten“ – der Begriff passt meines Erachtens nicht ansatzweise – kann ich nur bedingt nachvollziehen. Auch derzeit haben wir mit Gas eine strategische Langzeitreserve in Gasspeichern. Diese wird es künftig wasserstoff-basiert geben. Da ändert sich von der Wirtschaftlichkeit her nicht so furchtbar viel. Beim Gas ist es auch so, dass welches den Speichern entnommen wird – und dann wieder zusätzlich Gas aus dem Ausland eingespeichert wird.
Entscheidend ist aber aus meiner Sicht: Je mehr Batterien abfedern können, umso kleiner kann die strategische Langzeitreserve ausfallen. Meines Erachtens sind nicht Batterien die Preistreiber, sondern die Größe der Langzeitreserve.
BG Martin Jendrischik
Viele Grüße,
Martin Jendrischik