Clean Meat: Eat Just mit seiner Marke Good Meat und Upside Foods sind die Laborfleisch-Pioniere.
In den USA kann man schon sehr bald Laborfleisch in ausgewählten (Spitzen-)Restaurants kaufen. Denn die amerikanischen Behörden erlauben es ab sofort den Cleantech-Unternehmen Eat Just und Upside Foods, aus Zellen kultiviertes Fleisch zu verkaufen. Damit erreicht die innovative Lebensmittelindustrie einen gewaltigen Meilenstein. Bislang war Singapur das einzige Land weltweit, das den Verkauf von Clean Meat zugelassen hat. Das Wettrennen um die Ernährung der Zukunft zwischen Asien, USA und Europa hat mit dem historischen 22. Juni 2023 endgültig begonnen.
Die Massentierhaltung ist eines der größten Probleme der Menschheit. Der damit einhergehende Ressourcenverbrauch sowie die direkt oder indirekt damit verbundenen Kohlendioxid- und Methan-Emissionen sind maßgeblich für den menschengemachten Klimawandel verantwortlich. Immer mehr Menschen auf der Erde werden zu Fleischessern – mit bald zehn Milliarden Menschen, die ernährt werden wollen, gibt es kaum Aussichten, diese Herausforderungen mit den bestehenden Systemen zu bewältigen.
„Die weltweite Nachfrage nach Fleisch wird sich bis 2050 voraussichtlich verdoppeln. Bahnbrechende Innovationen wie kultiviertes Fleisch ermöglichen es der Welt, die Proteinproduktion zu diversifizieren und gleichzeitig die Emissionen zu senken, die Ernährungssicherheit zu erhöhen, die Risiken für die öffentliche Gesundheit zu verringern und Land für die Renaturierung freizumachen“, so Bruce Friedrich, Präsident vom Good Food Institute. Und weiter: „Die Umstellung auf kultiviertes Fleisch und andere alternative Proteine ist genauso wichtig wie der Übergang zu Erneuerbaren Energien. Und genau wie bei den Erneuerbaren Energien sind massive öffentliche Investitionen der Schlüssel dazu, dass diese neuen nachhaltigen Lebensmittel die Breite der Gesellschaft erreichen und neue zukunftsfeste Arbeitsplätze schaffen.”
Glücklicherweise steht die Lebensmittelindustrie vor kräftigen Umwälzungen. Mit der erstmaligen Zulassung von kultiviertem Hähnchen in den USA, ist im Hinblick auf diese Zukunft der sogenannten zellulären Landwirtschaft ein ganz wichtiger Meilenstein erreicht worden. Laborfleisch ist – das geben wissenschaftliche Untersuchungen sowie die Aussagen zahlreicher Unternehmen her – eine gewaltige Chance, die zu erwartende Ernährungskrise zu lösen. Oder kurz: Ein Meilenstein für Laborfleisch.
Einer der Laborfleisch-Pioniere ist Eat Just, das Cleantech-Unternehmen, das mit Marken wie Just Egg und Good Meat auftritt und seine Produktionskapazitäten für kultiviertes Fleisch konsequent vergrößert. Ein erster bedeutender Meilenstein war dem Unternehmen Ende 2022 gelungen – damals bescheinigte eine Behörde, sie habe keine weiteren Fragen mehr an den Laborfleisch-Spezialisten. Bedeutet: Hunderte Seiten Erläuterung führten dazu, dass das Hähnchenfleisch der Marke Good Meat als für den Menschen verträglich eingestuft wurde.
Finale Genehmigung für erstes Laborfleisch in den USA
Die jetzt erteilte finale Genehmigung, die neben Eat Just auch Upside Foods erhielt, untersuchte schließlich die Produktionsanlagen. Die USA lassen somit erstmals kultiviertes Hähnchen zum Verkauf und Verzehr zu. Damit haben beide Unternehmen die vollständige Genehmigung erhalten, Laborfleisch – zunächst kultiviertes Hähnchen – beispielsweise in Restaurants anzubieten. Zuletzt hatte sich auch der Deutsche Bundestag mit dem Potenzial für Kultiviertes Fleisch beschäftigt.
„Ich freue mich sehr, Ihnen mitteilen zu können, dass kultiviertes Fleisch nun für Verbraucher in den USA verfügbar sein wird“, sagte Dr. Uma Valeti, CEO und Gründerin von UPSIDE Foods. „Diese Zulassung wird die Art und Weise, wie Fleisch auf unseren Tisch kommt, grundlegend verändern. Es ist ein riesiger Schritt vorwärts in Richtung einer nachhaltigeren Zukunft – eine, die Wahlmöglichkeiten und Leben bewahrt.“
Good Meat, das Produkte in Singapur verkauft, bewirbt sein Produkt als „Fleisch ohne Schlachtung“, eine humanere Herangehensweise an den Verzehr von Fleisch. Die Befürworter hoffen, dass kultiviertes Fleisch zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen wird, indem es den Bedarf an traditioneller Tierhaltung verringert, die Treibhausgase ausstößt.
Kultiviertes Fleisch in Sterne-Restaurants
Das Unternehmen hatte zuvor angekündigt, dass es mit dem Koch und Gastronomen José Andrés zusammenarbeitet, um das im Labor gezüchtete Hähnchenfleisch in ein Restaurant in Washington, DC, zu bringen. Das Unternehmen arbeitet mit seinem Team an einem Start, hat aber laut einem Unternehmenssprecher derzeit keine spezifischen Informationen zum Zeitpunkt.
Gegenüber Reuters verkündete Upside Foods, es werde in Kürze den Standort einer weiteren Produktionsstätte in den USA bekanntgeben – mit einer Kapazität, die 10 bis 20 mal größer sein soll als die des bestehenden Werks in Emeryville in Kalifornien.
Fleisch-Wettrennen zwischen Asien und USA – und Europa?
Die Ankündigung zeigt: Wie bei Elektroautos, Wärmepumpen oder Photovoltaik-Modulen hat auch beim Thema Cultured Meat ein Wettrennen zwischen den USA, Asien und Europa begonnen um die Ansiedlung entsprechender Unternehmen und Produktionsstätten. Und, ähnlich wie beim Elektroauto, hinkt Europa auch in diesem Fall hinterher.
Einschätzung von Martin Jendrischik, Chefredakteur von Cleanthinking.de:
Die Fleisch-Revolution ist auf dem Weg auf unsere Teller. Nicht morgen, aber in der Dekade bis 2032 wird sich im Hinblick auf zellkultiviertes Fleisch eine ganze Menge bewegen. Und das ist verdammt notwendig, um Emissionen zu reduzieren und mit Cleantech die Klimakrise einzudämmen. Aber: Die Klimakatastrophe kommt schnell – manche Kipppunkte stehen unmittelbar bevor.
Daher ist es umso wertvoller, dass nun eine der als „Super-Kipppunkte“ identifizierten Chancen nun wieder ein Stück realistischer geworden ist. Da das Laborfleisch zunächst in Sterne-Restaurants gebracht wird, kann man nur allen, die dort gewöhnlich verkehren, zurufen: Bestellt das neue Fleisch, genießt es, und helft durch euren Genuss mit, dass es schnell günstiger und breit verfügbar wird.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.