Krempelt MingYang den europäischen Markt für Offshore-Windenergie um?

Ist die Ankündigung des chinesischen Cleantech-Unternehmens MingYang, mit seinen günstigen Offshore-Windturbinen auch nach Europa zu kommen, ein Wendepunkt für die Branche?

Das Cleantech-Unternehmen MingYang Smart Energy ist zu Chinas größtem Windturbinen-Hersteller geworden. Neben großen Onshore-Windkraftanlagen vertreibt MingYang auch die gewaltigsten Offshore-Windturbinen der Welt. Bislang konzentrierte sich das Unternehmen auf den einheimischen Markt, der alleine im vergangenen Jahr um 17 Gigawatt Offshore-Windkapazität wuchs. Jede Fünfte vor der Küste installierte Turbine stammt von MingYang. Dieser Erfolg auf dem Heimatmarkt hat viele Gründe. Krempelt das Cleantech-Unternehmen nun den europäischen Markt für Offshore-Windenergie um?

Der Aufschwung der Offshore-Windenergie in China ist bemerkenswert. Auf die führenden Hersteller entsprechender Windturbinen aus China, entfallen mittlerweile zirka 60 Prozent der globalen Produktion. Seit dem Auslaufen bevorzugter Einspeisetarife 2021 sind die Preise für Offshore-Windturbinen im Heimatmarkt dieser herstellen deutlich gefallen.

Diese Kostenvorteile resultieren aus Chinas umfangreicher Stahlproduktion, dem Setzen geeigneter politischer Rahmenbedingungen sowie der Existenz einheimischer Lieferketten. Während nicht-chinesische Turbinenhersteller Schwierigkeiten haben, an Seltene Erden wie Neodym oder Terbium heranzukommen, haben die chinesischen Hersteller wie Marktführer MingYang diese Rohstoffe vor der Haustüre.

Im Ergebnis bietet China mittlerweile die günstigsten Windkraftanlagen der Welt an – mit Bruttomargen, die im Schnitt 14 Prozent höher sind als die internationaler Turbinenanbieter. Das Angebot an entsprechenden Turbinen im Land der aufgehenden Sonne ist ausgeweitet worden: 11 Turbinenhersteller mit vier unterschiedlichen Generator-Technologien bilden einen Gesamtmarkt von 33 Modellen mit mehr als sieben Megawatt Leistung.

MingYang drängt nach Europa

Schon Ende 2021 hat MingYang angekündigt, innerhalb von drei Jahren eine Windturbinen-Fabrik in Süddeutschland bauen zu wollen. Gleichzeitig strebt das Cleantech-Unternehmen entsprechende Produktionskapazitäten in Großbritannien an. Die Gründe sind klar: Laut BoombergNEF wird der globale Offshore-Windsektor sich in 15 Jahren verzehnfachen. Und Europa wird bei diesem Wachstum einen großen Teil der Expansion ausmachen.

Während MingYang mit großer finanzieller Ausstattung nach Europa strebt, haben die hiesigen Offshore-Windenergie-Spezialisten wie Orsted oder Siemens Gamesa noch Schwierigkeiten, wirtschaftlich zu agieren. MingYang investiert große Beträge in Forschung und Entwicklung – und ist stets dabei, wenn es darum geht, die nächst größere Anlagenklasse von Turbinen zu präsentieren (wie etwa diese 16-GW-Turbine). Qualitätsprobleme sind mittlerweile Vergangenheit.

Für Norman Waite vom Energiefinanzanalysten IEEFA ist klar, dass der Markteinstieg der Chinesen in Europa ei Wendepunkt sein könnte: „Die Expansion von Mingyang in Übersee könnte die Turbinengröße erhöhen, die Preise für die Entwicklung von Windparks senken und die Versorgung mit Offshore-Windenergie in vielen Märkten auf der ganzen Welt fördern“, schreibt Waite in einem aktuellen Bericht.

China erlaubt gemischte Modellfarmen

Noch einen Vorteil haben die chinesischen Anbieter: In den bisherigen 18 Offshore-Windparks im Land ist es erlaubt, „gemischte Modellfarmen“ zu bilden. Das ist außerhalb Chinas bislang selten, erleichtert aber die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Technologien und Designs.

Die Stromgestehungskosten (LCOE) von Offshore-Wind (76 US-Dollar pro Megawattstunde) haben in China mittlerweile die Größenordnung der Kohle (78 Dollar pro MWh) erreicht. Dabei spielt es eine besondere Rolle, dass die Chinesen mit MingYang an der Spitze besonders große Turbinen bauen. Je kleiner die Anzahl der Turbinen in einem Offshore-Windpark, umso niedriger werden diese Kosten.

„Mingyang hat immer den Weg zu größeren Offshore-Anlagen in China angeführt und scheint dies auch weiterhin zu tun“, sagt Waite. „Es war das erste Unternehmen, das 6,5-MW-, 8-MW- und 11-MW-Offshore-Windturbinen auf dem lokalen Markt einführte.“

Marktführer setzt auf Permanentmagnet-Synchrongeneratoren

Auf der Suche nach größeren Offshore-Turbinen hat sich Mingyang als eines der ersten Unternehmen für eine Art Permanentmagnet-Synchrongenerator entschieden, der als mittelschnelles Hybridgetriebe (MSPMSG) bekannt ist. Bis heute hat sich Mingyang bereits zum weltweit größten Anbieter von Hybrid-MSPMSG-Turbinen entwickelt und im vergangenen Jahr fast 90 Prozent der Hybridantriebe in China geliefert.

Im Gegensatz zu anderen chinesischen Turbinenherstellern hat MingYang einen Großteil seiner Produktion ins eigene Haus verlagert. Das Unternehmen setzt aus Redundanzgründen auf externe Lieferanten, führt jedoch einen Großteil seiner Produktion von Rotorblättern, Antriebsgetrieben und anderen Systemen selbst durch, um sein geistiges Eigentum zu schützen.

Während die deutsche Fertigungsfirma Aerodyn Mitte der 2000er Jahre Partnerschaften mit vielen anderen Zulieferern eingegangen war, hatte Mingyang den Vorteil eines Pionierunternehmens, um über die Lizenzierung von Aerodyn-Designs hinauszugehen und die gemeinsame Entwicklung neuer Modelle zu initiieren.

IEEFA schätzt, dass 50-55 Prozent der Einnahmen von Mingyang immer noch von Onshore-Turbinenmodellen stammen. Dieses Verhältnis könnte jedoch zurückgehen, da die Forschung und Entwicklung des Unternehmens weiterhin direkt auf Offshore-Technologien ausgerichtet ist.

Sind günstige Turbinen für Offshore-Windkraft aus China ein Wendepunkt für den europäischen Markt? Das ist sehr gut möglich, dass sich mit den günstigeren, chinesischen Turbinen wie denen von MingYang eine neue Dynamik einstellen wird. Inwieweit Orsted oder Siemens Games mithalten können, muss die Zukunft zeigen.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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