Mehr oder weniger Lebensqualität durch aktive Fortbewegung, Recycling und fleischfreie Ernährung – MCC-Forscher veröffentlichen Ergebnisse in Nature Climate Change.
In einem aufwändigen Forschungsprojekt ist jetzt untersucht worden, wie sich sogenannte „nachfrageseitige Klima-Lösungen“ auf die Lebensqualität auswirken. Geht es uns also allen schlechter, wenn wir energieeffizient wohnen, essen und reisen? Mit dem nachfrageseitigen Klima-Lösungen soll insbesondere der Energieverbrauch in privaten Haushalten reduziert werden. Dabei betrachten die Forscher vom Berliner MCC die Bereiche Gebäude, Verkehr, Ernährung und Konsumprodukte. Die Erkenntnisse sind jetzt in Nature Climate Change veröffentlicht worden.
In dem aufwändigen Forschungsprojekt untersuchte ein Team aus Fachleuten aus der ganzen Welt – insgesamt aus 17 Ländern – den Zusammenhang zwischen nachfrageseitigen Klima-Lösungen einerseits und menschlichem Wohlergehen andererseits. Die Ergebnisse sind interessant, weil in der öffentlichen Debatte insbesondere eine Verzichts- und Kosten-Debatte im Mittelpunkt steht, selten aber die Antwort auf die Frage, wie sich die Lebensqualität durch die ökologische Transformation verändert. Die Federführung des Projekts hatte das Berliner Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change.
Das Potenzial nachfrageseitiger Klima-Lösungen ist erheblich: Sie können in den Sektoren Gebäude, Verkehr, Ernährung und Konsumprodukte 40 bis 80 Prozent der Treibhausgas-Emissionen einsparen. Nach Einschätzung der Forscher geht dabei eben gerade nicht um Verzicht, sondern im Wesentlichen sogar ein „Mehr an Lebensqualität“
„Wir haben die wichtigsten nachfrageseitigen Lösungen identifiziert“, sagt MCC-Wissenschaftlerin Leila Niamir. „Dazu zählen aktive Fortbewegung etwa zu Fuß oder per Fahrrad, eine Umstellung der Ernährung hin zu gesundem und fleischfreiem Protein sowie das Wiederverwerten und Recycling von Material.“
Die Forscher haben demnach die Wirkung auf Klima, Umwelt und menschliches Wohlergehen analysiert und gezeigt, dass sie – anders als vielfach wahrgenommen – der Lebensqualität und dem Komfort nicht entgegenstehen. Leitautorin Niamir: „Tatsächlich haben sie günstige Effekte auf das menschliche Wohlergehen und großes Potential für den Klimaschutz.“
Das Forschungsteam filterte aus 54.000 wissenschaftlich begutachteten Fachartikeln rund 600 relevante Arbeiten heraus, bewertete in einem strukturierten Prozess die für die Studie wichtigen Aussagen und codierte diese nach einem einheitlichen Schema. In einer interaktiven Datenbank ist hinterlegt, wie sich für die 306 untersuchten Teilaspekte der Zusammenhang von Klimaschutz und Lebensqualität herleitet und was sich an Emissionen einsparen lässt.
Der Effekt auf die Lebensqualität ist zu 79 Prozent positiv, zu 18 Prozent neutral und nur zu 3 Prozent problematisch. Beispielsweise geht es um höhere Lebenserwartung bei einer mehr pflanzenbasierten Ernährung, um die Luftqualität beim Ersatz von Kohle und Öl und im den sozialen Zusammenhalt in klimafreundlichen Städten.
Die Studie räumt auch mit der Vorstellung auf, dass es bei nachfrageseitigen Klima-Lösungen letztlich auf den individuellen Klimaschutz aus eigenem Antrieb ankomme. Die Politik sei hier genauso gefordert wie auf der Angebotsseite beim Ausbau der erneuerbaren Energien, betont Felix Creutzig, ebenfalls Leitautor der Studie. „Verhaltensänderungen erfolgen nicht im luftleeren Raum, sie hängen ganz wesentlich an Infrastruktur-Angeboten und neuen Dienstleistungssystemen – wie etwa sichere Fahrradwege und Kantinen, die hochwertig vegan kochen. Und es geht hier auch um soziale Normen, die ja nicht in Stein gemeißelt sondern formbar sind, wie es ja im Kontext der Corona-Pandemie derzeit intensiv diskutiert wird.“
Das Forschungsprojekt erfolgte nicht zuletzt mit Blick auf den 6. Sachstandsberichts des Weltklimarats IPCC, speziell den für das Frühjahr 2022 erwarteten Teilbericht zum Klimaschutz. Dort ist MCC-Forscher Creutzig als Koordinierender Leitautor federführend für das erstmals vorgesehene Kapitel zu nachfrageseitigen Klima-Lösungen. „Energieeffizient wohnen, essen, reisen – solche Themen werden ganz wichtig, wenn wir katastrophalen Klimawandel abwenden wollen“, sagt er. „Unsere jetzt vorgelegte Studie bewertet das erstmals konsistent, sowohl mit Blick auf die Emissionen als auch auf die Lebensqualität.“
Die Studie ist hier in Nature Climate Change erschienen.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.