Cleantech-Startup Carbo Culture packt 3,2 Tonnen Kohlendioxid in jede Tonne Biokohle, die in Böden eingebracht werden kann.
Es gibt weltweit eine Reihe von Cleantech-Startups, die daran arbeiten, die perfekte Biokohle herzustellen, die einerseits die obersten Bodenschichten verbessert, und andererseits möglichst viel Kohlendioxid sicher, langfristig und möglichst preisgünstig bindet. Auch das kalifornisch-finnische Startup Carbo Culture befasst sich mit entsprechenden Pyrolyse-Technologien, um auf Basis von Biomasse-Resten zur CO2-Entfernung geeigneten Biokohlenstoff herstellen zu können. Jetzt hat Carbo Culture einen bedeutenden Meilenstein erreicht.
Die Biokohle von Carbo Culture ist seit Mitte Dezember offiziell als Methode zur CO2-Entfernung zertifiziert. Beim ersten Marktplatz für Negativ-Emissionen, Puro Earth, kann die Methode nun ausgewählt werden. Dabei entfernt, so verifiziert es Puro Earth, jede Tonne Biokohle 3,2 Tonnen Kohlendioxid. Ähnliche Entfernungsergebnisse will auch das schwäbische Cleantech-Unternehmen Carbonauten erreichen.
Die Herstellung der Biokohle findet im Demo-Reaktor von Carbo Culture in Kalifornien statt. Während mit der Flash-Pyrolyse grundsätzlich vor allem Holzabfälle genutzt werden sollen, werden dort Nussschalen aus der Umgebung verwendet. Nach eigener Aussage hat die eingesetzte Technologie mehrere Vorteile: Nur vier Prozent beträgt der Energieaufwand, um den Reaktor in Betrieb zu nehmen.
Außerdem soll die Qualität der erzeugten Biokohle besonders gut sein: Das sichert die für die Aufnahme in den Marktplatz von Puro Earth wichtige Dauerhaftigkeit zu: 1.000 oder mehr Jahre soll der Kohlenstoff fest und sicher gebunden bleiben, „auf nahezu unzerstörbare Weise“.
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Biokohlenstoff ist laut Weltklimarat IPCC eine der sichersten, dauerhaftesten und schnellsten Möglichkeiten, Kohlenstoff abzubauen. Eine Studie von Hepburn & al. schätzt das Abbaupotenzial auf 300 Megatonnen bis zwei Gigatonnen jährlich. Carbo Culture hat sich der Mission verschrieben, eine Gigatonne CO2 jährlich aus der Atmosphäre zu entfernen.
Ein weiterer Vorteil der Technologie soll in der Modularität und der Geschwindigkeit der Wandlung in Biokohle liegen. Die Planung für künftige Anlagen von Carbo Culture ab diesem Jahr sieht vor, dass die Technologie möglichst nah am jeweiligen Ort genutzt werden soll, wo die Biomasse-Reste anfallen, um zusätzliche Transporte zu vermeiden.
Biokohle hilft, die Böden zu reparieren
„Es gibt zu viel Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre. Unsere Boden- und Nahrungsmittelsysteme sind kaputt“, sagt . „Keiner von uns wird ohne Mutterboden am Leben bleiben.“
Henrietta Kekäläinen, CEO von Carbo Culture
Es ist eine beeindruckende Zahl: 95 Prozent unserer Nahrungsmittel wachsen heute in der obersten Schicht des Bodens. Doch diese Bodenschicht ist nach vielen Jahrzehnten konventioneller Landwirtschaft ausgelaugt. Der sogenannte Mutterboden braucht dringend neue Nährstoffe, um wiederbelebt zu werden. Böden werden widerstandsfähiger.
Biokohle wie die von Carbo Culture, kann entscheidend sein: Sie hilft, die Nährstoff- und Wasserspeicherung zu fördern, und trägt dazu bei, die mikrobielle Aktivität zu verbessern. Studien wie diese der Universität Washington belegen den Effekt: Die Nutzung von Biokohle erhöht den Kohlenstoffgehalt im Boden um ca. 32 Prozent.
„Statt mit Direct Air Capture das CO2 aus der Atmosphäre einzufangen, lassen wir die Photosynthese in Pflanzenmaterial die Arbeit erledigen“, sagt Kekäläinen. „Statt es verrotten zu lassen, verwandeln wir es in festen Kohlenstoff – er für Hunderte bis Tausende von Jahren stabil bleibt und nicht wieder in die Atmosphäre gelangt. Auf diese Weise beschleunigen wir die natürliche Kohlenstoffbindung um das 50-fache.“
Das ist bedeutsam, weil die Auswaschung von Nährstoffen in vielen Teilen der Welt ein großes Problem für die Wasserqualität darstellt. Mehr Kohlenstoff im Boden hilft, Bindungen zu bilden, und somit den Abfluss mit dem Regenwasser zu verhindern. Auch die Oxidation wird verringert.
Durch die Wandlung von Biomasse (Holzreste, Nussschalen) in Biokohle, wir der Kohlenstoff langfristig in fester Form in den Boden eingebracht. So werden langfristig Negativ-Emissionen generiert, die einen Marktwert haben. Denn immer mehr Unternehmen und Privatpersonen suchen nach Möglichkeiten, unvermeidbare Emissionen auszugleichen – „echte“ Negativ-Emissionen sind dabei Mangelware, bislang.
Neben der Speicherung im Boden kann die Biokohle auch zur Herstellung von Plastikersatz genutzt werden – auch die Bindung von Kohlendioxid in Materialien, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Oft ist noch die Preisfrage ausschlaggebend, dass nicht jede Möglichkeit genutzt wird. Umso bedeutsamer, dass es mit Puro Earth einen ersten Marktplatz gibt, der die Lösungen transparent macht – und den Zugang zu Negativ-Emissionen jeder Art vereinfacht.
Carbo Culture in Kalifornien
Gegründet wurde Carbo Culture als Cleantech-Startup in Finnland, einem der Sitze von Henrietta Kekäläinen. Doch ihre zweite Heimat ist Kalifornien, wo auch Mitgründer und CTO Christopher Carstens aktiv ist. Mit der Hilfe von Venture Capital entstand hier im Central Valley Kaliforniens die Demo-Anlage des Unternehmens, die 500 lbs/h (ungefähr 250 Kilogramm pro Stunde) verarbeiten kann.
In Kalifornien ist die Luftverschmutzung – trotz Vorreiterrolle in Sachen Erneuerbare Energien – hoch. Wichtigster Grund: Holzige Biomasseabfälle werden nicht mehr energetisch verwertet, sondern offen verbrannt. Früher wurden die Abfälle für 50 US-Dollar pro Tonne an Energieversorger verkauft – mit dem Boom der Erneuerbaren Energien flachte dieses Geschäft ab.
Mit der Zunahme an Pyrolyse-Technologien, die 2021 ausgerollt werden sollen, besteht allerdings Hoffnung, dass diese klimaschädliche Art der Verwertung beendet werden kann. „“Ich glaube, in der Zukunft wird es so etwas wie Abfall nicht mehr geben – alles Material wird in Zukunft upgecycelt und zu unserem Nutzen umgewandelt“, findet Kekäläinen.
Die Etablierung einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft, die möglichst alle Materialien, Abfälle mit einschließt, ist eine der Kernaufgaben dieses Jahrzehnts, wenn die Erderwärmung begrenzt werden soll. Initiativen wie die von Carbo Culture – und vielen anderen wie Biofabrik, Nextfuel oder Vow Asa – machen Hoffnung. Wichtig ist nun, geeignete Businessmodelle zu finden, damit Biokohle rasch statt 1.000 Dollar pro Tonne maximal noch die Hälfte kosten wird.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.