DemoUpCARMA: Schweizer Kohlendioxid dauerhaft im isländischen Boden speichern
Einlagerung von atmosphärischem CO2 im Untergrund in Island.
Die Firma Neustark testet die Einlagerung von atmosphärischem CO2 aus der Schweiz im isländischen Untergrund. Dabei kooperiert Neustark – ähnlich wie der CO2-Filterer Climeworks – mit dem in Island ansässigen Unternehmen CarbFix. Daneben arbeitet das Cleantech-Unternehmen im Forschungsprojekt DemoUpCARMA daran, Kohlendioxid in Beton einzubringen und sicher zu speichern.
Der Weg, den das Kohlendioxid im Forschungsprojekt DemoUpCARMA zurücklegen muss, ist lang: Gefiltert wird es vom Cleantech-Unternehmen Neustark bei der Ara Bern aus Biogasanlagen. Anschließend wird es von der Salzmann AG verflüssigt nach Weil am Rhein transportiert. Von dort geht es mit dem Zug weiter nach Rotterdam und schließlich per Schiff nach Island. „Dort wird das Kohlendioxid mit Wasser vermengt und von CarbFix unter die Erde gepumpt (DemoUpStorage).
„CarbFix, unsere Partnerfirma in Island, befördert Wasser aus dem Untergrund an die Oberfläche. Das CO2 wird darin gelöst und anschließend wieder ins Gestein gepresst“, erklärt Neustark CEO Valentin Gutknecht den Vorgang rund um DemoUpCARMA. Im Basalt schließlich reagiert das Klimagas innerhalb weniger Monate bis teilweise Jahre mit dem Wasser und wird zu Kalkgestein.
Ziel von DemoUpCARMA ist es, zwei Pfade aufzuzeigen, mit denen negative Emissionen erzeugt werden können. Einerseits das bisherige Kerngeschäft von Neustark: Nutzung und dauerhafte Speicherung von CO2 in Primär- und Recyclingbeton. Und andererseits die dauerhafte Speicherung in einem geologischen Reservoir im Ausland – inklusive Transportkette bis dorthin. Wichtig ist, dass das Kohlendioxid aus Prozessen stammt, deren CO2-Ausstoß auch künftig nicht vermieden werden kann.
Kohlendioxid im Beton speichern
Mit mehr als einer Milliarde Tonnen pro Jahr ist Beton aus Bau- und Abbrucharbeiten der größte Abfallstrom der Welt. Neustark hat eine Methode entwickelt, um diesen Abfallstrom in eine Kohlenstoffsenke zu verwandeln und so der Atmosphäre dauerhaft CO2 zu entziehen und negative Emissionen zu erzeugen. Das Kohlendioxid wird mineralisiert und in rezyklierten Betonzuschlagstoffen gespeichert. Im Jahr 2017 begann das Unternehmen mit der Entwicklung dieses Prozesses und konnte ihn 2022 im Rahmen von DemoUpCARMA im industriellen Maßstab einsetzen.
Um den heimischen Weg der Kohlendioxidabscheidung, -verwertung und -speicherung (CCUS) zu untersuchen, arbeitet Neustark mit dem Betonhersteller Kästli zusammen. Kästli stellt zwei recycelte Produkte her, die CO2 binden können: Betonzuschlag und Betonschlämme.
Ziel von Neustark ist es, dieses Verfahren und die zugrundeliegende Technologie auf breiter Basis einzusetzen. Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für den industriellen Einsatz ist die nahtlose Integration der CO2-Speichertechnologie in die bestehenden Anlagen der Betonhersteller.
Potenzial der geologischen CO2-Speicherung
„Theoretisch, aus geologischer Sicht, würden sich die gesamten je verursachten CO2-Emissionen im Boden Islands speichern lassen“, erklärt Gutknecht. Allerdings werden pro Jahr nicht 1.000 Tonnen sondern 40 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre gebracht. „Wir gehen davon aus, dass sich der Transport von Klimagasen in Zukunft in der gleichen Größenordnung wie heute der Mineralöl-Transport bewegen wird“, meint Gutknecht. Dafür werde es wahrscheinlich Pipelines brauchen.
Die Erkenntnisse, die Neustark und die anderen Forschungspartner in den beiden Projekten sammeln, werden wegweisend sein für die Frage, wie negative Emissionen erzeugt werden können. Carbon Capture and Usage scheint der Weg des kleineren Aufwandes zu sein – aber womöglich ergibt auch der physische Transport und die unterirdische Einlagerung des Treibhausgases wirtschaftlich Sinn. Im europäischen Emissionshandel ist der Preis für die Tonne CO2 gerade auf 100 Euro gestiegen – ein Signal, das viele Technologien rentabel machen kann.
Hintergrund zu Neustark
Das Cleantech-Unternehmen Neustark gründeten Johannes Tiefenthaler und Valentin Gutknecht (zuvor bei Climeworks) im Jahr 2019 als Spinoff der ETH Zürich. Die beiden Unternehmer wurden durch ihre gemeinsame Vision einer Lösung zur Verwertung und Speicherung von CO₂ zusammengebracht.
Im Jahr 2020 wurde die erste Pilotanlage von Neustark in die Produktionslinie eines Betonwerks integriert, um CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen und dauerhaft im Beton zu speichern. Das so angereicherte Material ermöglicht die Reduktion des Zementanteils im Frischbeton auf das regulatorische Mindestmaß. So wird nicht nur Kohlendioxid gebunden, sondern auch Neuemissionen im Produktionsprozess vermindert.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.