Niederlande investieren 60 Millionen Euro in Fleisch und Milch auf Zellbasis
Wichtiger Schritt der niederländischen Regierung für zelluläre Landwirtschaft – Aufbau eines Ökosystems angestrebt.
In den Niederlanden bewegt sich etwas im Hinblick auf nachhaltige Ernährung: Die niederländische Regierung hat letzte Woche angekündigt, 60 Millionen Euro für den Aufbau eines Ökosystems rund um die sogenannte zelluläre Landwirtschaft zu investieren. Dabei geht es um Technologien zur Herstellung tierischer Produkte wie Milch und Fleisch direkt aus Zellen. Dem Sektor wird – etwa von Toby Sebas Think Tank RethinkX – Umwälzpotenzial vorhergesagt: Mit der größten, öffentlichen Finanzierung für Landwirtschaft auf Zellbasis setzen sich die Niederlande an die Spitze.
Die Vergabe der Mittel ist ein gewaltiger Schritt für die gesamte Industrie rund um zelluläre Landwirtschaft, also Nahrungsmittelproduktion auf Zellbasis. Die Mittel sollen unter den Bedingungen des Nationalen Wachstumsfonds der Niederlande vergeben werden. Dieser zielt darauf ab, strukturelles Wirtschaftswachstum zu schaffen, indem er in den öffentlichen Bereich investiert, um innovative Wirtschaftssektoren zu unterstützen.
Dieser erste, finanzielle Impuls ist ein erster Schritt zur Finanzierung eines umfassenderen Wachstumsplans, der Investitionen in Höhe von 252 bis 382 Millionen Euro in die zellulare Landwirtschaft vorsieht. Damit sollen vor allem folgende Bereiche gestärkt werden:
- Ausbildung in der zellulären Landwirtschaft
- Akademische Forschung
- öffentlich zugängliche Scale-up-Einrichtungen
- Integration der Gesellschaft, besonders Landwirte und Verbraucher
- Innovationsförderung
Der breit angelegte Wachstumsplan soll das niederländische Bruttoinlandsprodukt bis 2050 um zehn bis 14 Milliarden pro Jahr steigern, was erhebliche Vorteile für Klima, Umwelt und Gesundheit mit sich bringt. So sollen jährlich zirka 12 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent und 100-130 kt Ammoniak im Jahr 2050 vermieden werden.
Der Ausschuss für den Wachstumsfonds sieht großes Potenzial für die Zellbasis-Landwirtschaft: „Obwohl die Produkte noch nicht in den Regalen stehen, ist die Wissenschaft vielversprechend und die ersten Unternehmen sind bereits aktiv. Der Ausschuss ist erfreut über das Potenzial und die beteiligten Parteien.“
Cellular Agriculture Netherlands
Der Antrag auf Finanzierung wurde von einem neu gegründeten Konsortium aus 12 Organisationen (Hochschulen, NRO, Start-ups, Industrie) mit dem Namen Cellular Agriculture Netherlands gestellt. Hierzu zählen u.a.: BPF, CE Delft, DSM, KindEarth.Tech, Meatable, Mosa Meat, Nutreco, Planet B.io, RESPECTfarms, SDG NL, Those Vegan Cowboys, TU Delft, Unilever und WUR. Die Gruppe stellt derzeit die Führungsteams und die Leitungsstruktur zusammen, um mit der Umsetzung des vorgeschlagenen Wachstumsplans unter den vom Ausschuss festgelegten Bedingungen zu beginnen. Die Mittel werden voraussichtlich gegen Ende 2022 zur Verfügung stehen.
„Wir freuen uns sehr über die visionäre Führung, die die niederländische Regierung heute wieder unter Beweis stellt“, sagte Ira van Eelen im Namen der Dutch Cellular Agriculture Foundation. „Die Niederlande sind der ideale Ort für eine florierende zelluläre Landwirtschaft. Sie haben eine reiche Geschichte bei der Schaffung der globalen Grundlagen der zellulären Landwirtschaft. Sie sind ein globales Kraftzentrum für alternative Protein- und Lebensmittelinnovationen. Sie sind weltweit führend in der Biotechnologie und der Landwirtschaft. Es ist der zweitgrößte Exporteur traditioneller landwirtschaftlicher Erzeugnisse in der Welt. Und vergessen wir nicht, dass es das erste Land war, das die Erforschung von kultiviertem Fleisch öffentlich finanzierte und der Welt den ersten Proof-of-Concept-Hamburger präsentierte. Dies ist eine großartige Möglichkeit, nachhaltig zu wachsen, während unser Wachstum derzeit unter Druck steht.“
Die Niederlande haben eine lange Tradition in der Innovation der Lebensmittelproduktion. Diese öffentliche Investition in die zelluläre Landwirtschaft ist ein Beweis für das Engagement der niederländischen Regierung für den Aufbau eines gesunden und nachhaltigen landwirtschaftlichen Ökosystems. In Kombination mit Reformen in der traditionellen Landwirtschaft kann die zelluläre Landwirtschaft ein zusätzliches Instrument sein, um den wachsenden Hunger der Weltbevölkerung nach Proteinen zu stillen.
Während einzelne Unternehmen der Landwirtschaft auf Zellbasis erfolgreich private Mittel anziehen konnten, zielt die Finanzierung durch den Wachstumsfonds ausdrücklich darauf ab, den öffentlichen Teil des Ökosystems zu unterstützen. Es wird erwartet, dass dieser Impuls in den nächsten Jahren mehr Unternehmen, mehr Finanzmittel und mehr Zusammenarbeit im Bereich der zellulären Landwirtschaft in und mit den Niederlanden anziehen wird. Diese Ankündigung ändert nichts an dem Verfahren, das die einzelnen Unternehmen durchlaufen müssen, um eine behördliche Genehmigung für den Verkauf ihrer Produkte zu erhalten, nämlich das europäische Verfahren für neuartige Lebensmittel.
Nationaler Wachstumsfonds
Mit dem Nationalen Wachstumsfonds wird die niederländische Regierung in den nächsten fünf Jahren 20 Milliarden Euro für Projektinvestitionen in drei Bereichen bereitstellen, die das größte Potenzial für ein strukturelles und dauerhaftes Wirtschaftswachstum haben. Hierzu zählt auch die Landwirtschaft auf Zellbasis.
Cellular Agriculture Netherlands ist ein Konsortium aus niederländischen Universitäten, Start-ups, Nichtregierungsorganisationen und Partnern der Wertschöpfungskette. Unterstützt werden sie von über 40 Organisationen wie regionalen Entwicklungsbehörden, Bildungseinrichtungen, Supermärkten und Lebensmittelherstellern (von einzelnen Landwirten bis hin zu globalen multinationalen Unternehmen), die sich alle für die Schaffung eines lebensfähigen, nachhaltigen Sektors der zellulären Landwirtschaft innerhalb und außerhalb der Niederlande einsetzen.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.