Omnivore Recycling: Wie Insektenlarven organische Reststoffe zu wertvollen Ressourcen machen
Organische Entsorgung als innovatives Beispiel für Kreislaufwirtschaft – Cleantech-Unternehmen zeigt, wie es geht.
Was sich Omnivore Recycling auf die Fahnen geschrieben hat, ist eine ganz besondere Art der Kreislaufwirtschaft zu etablieren. Das Cleantech-Unternehmen entwickelt und betreibt dezentrale Container-Anlagen, die organische Stoffe wie Lebensmittelreste mit der Hilfe von Larven der Schwarzen Soldatenfliege recyceln. Die organische Entsorgung, auf die auch großen Recycler wie preZero setzen, hat großes Potenzial – u.a. auch in Entwicklungsländern, in denen Lebensmittel knapp sind.
Das Ziel der Kreislaufwirtschaft besteht darin, Systeme zu etablieren, in denen Ressourcen wiederverwendet werden, um den Bedarf an neuen Rohstoffen zu verringern. Lebensmittelreste sind eine bedeutende Ressource, die oft durch Kompostierung, Verbrennung oder Ablagerung auf Deponien verschwendet wird.
Diese Reststoffe haben jedoch großes Potenzial: Sie können in wertvolles Tierfutter umgewandelt werden, was die negativen Auswirkungen der Futtermittelproduktion auf globale Ökosysteme reduziert. Zum Beispiel wäre es nicht notwendig, die Regenwälder im Amazonasgebiet abzuholzen, um so Soja als Viehfutter anbauen zu können.
„Mit Insekten wird aus organischen Reststoffen ein höherer Wert erzeugt“, sagt Geschäftsführer Dr. Marius Wenning im Gespräch mit Cleanthinking. Hierzulande läuft das Prinzip des Omnivore Recyclings so: Lebensmittelunternehmen wie etwa Supermarktketten oder Produzenten sammeln ihre organischen Reststoffe, die zu nahegelegenen landwirtschaftlichen Betrieben gebracht werden.
Dort steht die containerbasierte Recycling-Anlage von Omnivore Recycling, die aus den Reststoffen Futtersubstrat für das Wachstum der Insektenlarven macht. Die so aufgezogenen Insekten werden anschließend etwa an Hühner in Legehennenbetrieben verfüttert. „Durch das Lebendfutter wird beispielsweise Amazonas-Soja als Tierfutter durch eine sinnvolle Alternative ersetzt“, berichtet Wenning.
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Die Herausforderung für das kleine Team des Aachener Cleantech-Unternehmens besteht darin, die Larven hungrig zu halten. Bedeutet: Die Feuchtigkeit darf beispielsweise nicht zu hoch sein. Diese Bedingungen überwacht Omnivore in Deutschland über Sensordaten und eine dazugehörige App. Hierzulande läuft die Anlage vollständig automatisiert.
Warum schwarze Soldatenfliege?
Insektenlarven wie die der schwarzen Soldatenfliege sind wahre Nährstoff-Wunder. Sie enthalten eine Fülle essenzieller Nährstoffe wie Eiweiß, gesunde Fette und Aminosäuren. Durch die Zugabe von lebenden Insektenlarven zum Hühnerfutter wird die gesamte Nährstoffaufnahme gesteigert. Das unterstützt die Gesundheit und die Widerstandskraft des Geflügels.
Hühner sind von Natur aus Sammler. Wenn sie lebende Insekten in ihre Nahrung aufnehmen, befriedigen sie exakt dieses angeborenes Verhalten. Dies trägt zu einer gesteigerten Zufriedenheit und Gesundheit der Tiere bei und reduziert das schädliche Federpicken auf ein Minimum.
Omnivore Recycling bei Avocado-Produktion in Afrika
Doch das Potenzial der Technologie aus Aachen geht weit über die Nutzung in Deutschland hinaus. So kann die Omnivore-Lösung auch beispielsweise bei der Avocado-Produktion in Afrika zum Einsatz kommt. Doppelter Nutzen: Dort fallen organische Reststoffe an, die gewöhnlich deponiert werden. Das setzt das klimaschädliche Treibhausgas Methan frei.
Durch den Recyclingprozess wird diese Deponierung – 18 Prozent der Methan-Emissionen stammen von Deponien! – vermieden. Der Kot der Insektenlarven wird als Dünger eingesetzt – denn auch Dünger ist in vielen afrikanischen Regionen knapp. „Ostafrika etwa stellt keine eigenen Düngemittel her. Es fehlt an Devisen für den Import – genau das bedroht die Nahrungsmittelsicherheit selbst in den entwickelteren Regionen“, erklärt Wenning.
Im Kontrast zu typischen Großanlagen zur Herstellung von Insektenproteinen, die in der Regel eine umfangreiche Automatisierungstechnologie und damit verbundene hohe Investitionskosten erfordern, ermöglicht das System von Omnivore Recycling die vollautomatische Umwandlung von Lebensmittelabfällen in Insektenproteine zu geringeren Investitionskosten.
Das Cleantech-Unternehmen Omnivore Recycling hat das Ziel, die Amortisationszeit auf fünf Jahre zu reduzieren und versichert, dass die Anlage kostengünstig arbeitet, selbst bei weniger als einer Tonne täglichem Lebensmittelabfall. Dies wird erreicht, indem Container verwendet werden, deren einfache Installation und Inbetriebnahme langwierige Planungszeiten und aufwändiges Engineering überflüssig machen. Omnivore behauptet, dass das innovative System eine effiziente Aufzucht der Larven ermöglicht – auch bei relativ geringen Einsatzmengen von 500 bis 1000 Kilogramm pro Tag.
Pilotprojekt in Kenia ab Frühjahr 2024
Omnivore Recycling entstand im Jahr 2021 als eigenständiges Unternehmen aus der RWTH Aachen. Im Verlauf des Jahres 2022 beteiligte sich ein Business Angel und das Cleantech-Startup erhielt zudem eine Förderung von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt.
Die Produktion des ersten Prototyps wurde im Jahr 2022 gestartet und ist bis heute fortgesetzt worden. Das Pilotprojekt, dessen Ziel die Installation der ersten Anlage an einem Standort in Kenia ist, soll im Frühjahr 2024 ihren Betrieb aufnehmen. Das Team von Omnivore Recycling kooperiert hierzu bereits mit einem Nahrungsmittelunternehmen vor Ort, das große Mengen an Lebensmittelreststoffen generiert.
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Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.