On-Demand-Shuttle der Zukunft: Holon Mover, Zoox und Co. – wer macht das Rennen?

Selbstfahrende Kleinbusse, oft als People Mover bezeichnet, sollen den Autobedarf in Städten reduzieren. Wann kommen die autonomen Fahrzeuge?

Der Schutz vor der Erderwärmung führt zwangsläufig zu Veränderungen im Verkehr: Ersatz von Diesel- und Benzinfahrzeugen durch intermodale, elektrifizierte Mobilitätskonzepte. Den Kern dabei bilden sogenannte On-Demand-Shuttles, die selbstfahrend, aber ohne Fahrer und auf Abruf innerhalb weniger Minuten zur Verfügung stehen. Hamburg will 10.000 solcher On-Demand-Shuttle („People Mover“) bis 2030 autonom fahren lassen – längst hat ein Wettrennen um Elektroshuttles und „Mobility as a Service“-Konzepte begonnen.

Der Holon Mover ist eines dieser On-Demand-Shuttles, die vollelektrisch und selbstfahrend Menschen – beispielsweise Pendler und Touristen – auf Abruf zum Ziel bringen sollen. Der Plan ist es dabei, den öffentlichen Nahverkehr nicht zu ersetzen, sondern intelligent zu ergänzen. „Intermodal“ nennen es Wissenschaftler, wenn beispielsweise eine Smartphone-App alle denkbaren Transportmittel in die Reiseplanung mit einbezieht.

On-Demand-Shuttles: Potenzial intermodaler Mobilitätskonzepte

Wissenschaftliche Studien zeigen das Potenzial solcher Mobilitätskonzepte auf. Neben positiven Umweltauswirkungen und der Verbesserung der Luftqualität in Städten, liefern die Forschungsergebnisse vor allem zwei zentrale Aussagen:

  • Demnach tragen intermodale Mobilitätsdienstleistungen, die Verkehrsmittel wie ÖPNV, Sharing-Dienste und Mikromobilität kombinieren, zur Reduzierung des Individualverkehrs bei.
  • Und: Gibt es den flächendeckenden öffentlichen Nahverkehr, stärkt das die Nutzung von ÖPNV-Angeboten.

Allerdings verweist die Studie auch auf die Herausforderungen bei der Umsetzung intermodaler Mobilitätsangebote. Hierzu zählen insbesondere:

  • die Integration verschiedener Verkehrsträger,
  • der Datenaustausch und Datenschutz sowie
  • die Akzeptanz und das Nutzerverhalten.

McKinsey & Company prognostiziert ein starkes Wachstum des Marktes für Fahrerassistenzsysteme und autonomes Fahren bis 2030, obwohl das vollautonome Fahren (SAE-Level 5) noch nicht erreicht ist. Demnach soll das Umsatzvolumen von heute 50 Milliarden Dollar auf 300 bis 400 Milliarden Dollar im Jahr 2030 wachsen. Allerdings ist das vollautonome Fahren, also Level-5-Autonomie, noch immer nicht erreicht – obwohl es sehr optimistische Prognosen von Tesla, Nissan und anderen Autobauern im Hinblick hierauf gegeben hat.

Auch deshalb schreibt McKinsey in der Studie „Autonomous driving’s future: Convenient and connected“ (Autonome Zukunft des Fahrens: Komfortabel und vernetzt, 2023), dass kurzfristig Fahrassistenzsysteme das größte Potenzial haben – langfristig aber autonomes Fahren mit Roboshuttles und Robotaxis den Verkehrssektor umwälzen könnte (Disruption).

Saudis investieren in Holon-Shuttle

Die Paderborner Holon GmbH, die Holon-Shuttle entwickelt und produziert, ist ein Cleantech-Unternehmen aus der Benteler Gruppe. Gegründet im November 2022 sorgte Holon im bereits im Januar 2023 auf der CES in Las Vegas mit einer Weltpremiere des Elektroshuttles für Furore – und im Februar 2024 mit der Ankündigung, dass Tasaru Mobility Investments aus Saudi-Arabien die Absicht erklärt habe, einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag in mehreren Tranchen in das junge Unternehmen zu investieren – für 38 Prozent der Firmenanteile.

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Holon kooperiert bereits mit dem Rhein-Main-Verkehrsverbund und will insbesondere zu den ambitionierten Plänen Hamburgs beitragen: Die Hansestadt plant, bis 2030 10.000 Roboshuttles auf die Straße zu bringen, um jedem Bürger innerhalb von fünf Minuten ein öffentliches Verkehrsmittel anzubieten. Hamburg-Takt nennt es der Verkehrssenator. Partner hierbei ist neben Holon auch der Ridepooling-Anbieter Moia aus dem Volkswagen-Konzern.

Das Hamburger Projekt wird vom Bundesverkehrsministerium mit 17 Millionen Euro unterstützt – und federführend von der Hochbahn AG geleitet. Der Holon Mover soll autonom im öffentlichen Straßenverkehr der Stadt zum Einsatz kommen. Nach Aussage von Benteler ist er führend bei Sicherheit, Fahrkomfort und Produktionsqualität. Es schafft 60 Kilometer pro Stunde und kann 15 Passagiere bequem transportieren – Ridepooling, Ride-Hailing, aber auch normaler Linienverkehr sind möglich.

Das Cleantech-Unternehmen aus dem Benteler-Universum gibt an, unter Mithilfe von Cognizant Mobility, der Intel-Tochter Mobileye und anderen Partnern, eine serienreife Elektrofahrzeug-Plattform für autonomes Fahren geschaffen zu haben. Holon plant, mit dem frischen Kapital aus Saudi-Arabien, drei Produktionsstätten für das Holon-Shuttle in Saudi-Arabien, den USA und Europa aufzubauen.

Zoox: Roboshuttle von Amazon

Weniger Platz als das Elektroshuttle aus Deutschland bietet das Robotaxi von Zoox – aus dem Imperium von Amazon. Dieses ist schon 2020 präsentiert worden und fährt mittlerweile unter anderem durch Las Vegas. Das Fahrzeug bietet Platz für bis zu vier Passagiere und ist für den Einsatz in städtischen Gebieten konzipiert.

Zoox entwickelt vollständig autonome, elektrische Fahrzeuge ohne Lenkrad und Pedale, die in beide Richtungen fahren können. Das außergewöhnliche Design ermöglicht die flexible Nutzung im städtischen Umfeld. Das Unternehmen setzt auf eine Kombination aus Kameras, Radar und Lidar-Sensoren, um eine 360-Grad-Wahrnehmung der Umgebung sicherzustellen.

Mehr zu Zoox lesen Sie hier: Amazon-Tochter Zoox zeigt Robotaxi für Dauerbetrieb

Conti, ZF, Easymile – die Elektroshuttles kommen

Aber Holon und Zoox sind nicht alleine. Unter deutschen Automobilzulieferern ist ein regelrechtes Wettrennen ausgebrochen um die besten Lösungen: Continental ist dabei, und eben Benteler. ZF hingegen hat sich aus dem Komplettgeschäft Ende 2023 zurückgezogen, aber Komponenten für das Roboshuttle von Zoox geliefert.

Daneben gibt es Jung-Unternehmen wie Easymile oder das in Berlin ansässige Unternehmen Motor AI, die Lösungen und Dienste angekündigt haben oder im Pilotmaßstab bereits umsetzen.

Unklar ist überdies, was Elon Musk im August 2024 vorstellen wird. Nicht ausgeschlossen, dass neben einem kleinen Robotaxi („Cybercab„) auch ein Elektro-Van vorgestellt wird, der mit den angesprochenen Systemen im On-Demand-Shuttle-Einsatz mithalten kann.

Roboshuttles bald im Schwarm-Einsatz?

Über die genannten Einsatzzwecke hinaus, ist es auch denkbar, dass solche On-Demand-Shuttles kooperativ agieren. Ein Projekt, an dem auch Holon beteiligt ist, ist das Projekt NeMo.bil. Dieses entwickelt ein innovatives, schwarmartiges Mobilitätssystem für den ländlichen Raum. Es kombiniert automatisiert fahrende Ultraleichtfahrzeuge (NeMo.Cab) mit größeren Zugfahrzeugen (NeMo.Pro). Die NeMo.Cabs (von Holon) bedienen die ersten und letzten Meilen, während die NeMo.Pros (von Inyo Mobility) die längeren Strecken fahren und als mobile Ladestationen dienen. Das System ermöglicht einen individualisierten öffentlichen Nahverkehr ohne Umsteigen.

Die Ziele des Projekts sind die Verbesserung der Nutzerakzeptanz, die Reduzierung von Kosten, Ressourcen und Emissionen sowie die Förderung der digitalen Transformation. Das Projekt wird von einem Konsortium aus 20 Unternehmen und Organisationen gefördert und geleitet, das zuletzt auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder besucht hatte. Gefördert wird das Vorhaben mit bis zu 30 Millionen Euro vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWK).

Das Entenküken-Prinzip der RWTH Aachen ist allerdings gescheitert – war aber auch auf Pakettransport ausgelegt.

Fazit zu On-Demand-Shuttles von Martin Jendrischik

On-Demand-Shuttles haben reichlich Potenzial als Teil intermodaler Verkehrskonzepte. Sind unterschiedliche Verkehrsmittel gut aufeinander abgestimmt, verliert der Fahrzeugwechsel – der bislang mit Komfortverlust assoziiert wird – seinen Schrecken. Viele Anbieter sind auf dem Weg, interessante Konzepte und Lösungen zu bieten. Aber auffällig ist auch, dass die Software-Hardware-Kombination, die für autonomes Fahren gebraucht wird, häufig vom gleichen Anbieter kommt: Mobileye.

Unklar ist derzeit aber, inwieweit die Intel-Tochter flächendeckend autonomes Fahren anbieten kann. Denn das Unternehmen hat nicht die Möglichkeiten von Tesla, Milliarden Fahrmeilen zu sammeln (jedenfalls nicht offensichtlich). Womöglich ist Mobileye deshalb in so vielen Projekten involviert – weil es damit dieses Defizit beseitigen will. Klar ist auch: On-Demand-Shuttles nur für den Stadtverkehr sind heute technologisch machbar.

Die kommenden Jahre werden spannend und zeigen, ob der Busfahrermangel und die gefühlte Zweitklassigkeit ländlicher Räume durch intermodale Verkehrskonzepte verändert werden können.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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