Französische Forscher wollen natürlichen, chemischen Prozess beschleunigen, um orangen Wasserstoff zu ernten.
Grüner Wasserstoff und seine erneuerbaren Derivate Ammoniak und Methanol sind die entscheidenden Energieträger für Transformation und Energiewende. Vielleicht kommt oranger Wasserstoff dazu. Damit meinen französische Wissenschaftler natürlichen, weißen Wasserstoff, der durch Verwitterung bestimmter Steine entsteht. Die Wissenschaftler wollen diese natürlichen Prozesse beschleunigen – und damit die Farbe des Gases in Orange wandeln.
Umweltfreundlicher Wasserstoff wird nach heutigen Erkenntnissen bis 2040 ein knappes Gut bleiben. Daher ist es so wichtig, das erneuerbare Gas in den Bereichen einzusetzen, die darauf besonders angewiesen sind. So wird die Stahlbranche beispielsweise konsequent auf die Nutzung von grünem Wasserstoff umgerüstet – einer der Vorreiter ist die Salzgitter Flachstahl AG mit ihrer GrinHy-Strategie.
Kann für die Stahl-, Chemie- oder Zementindustrie auch oranger Wasserstoff eine gewichtige Rolle spielen? Französische Forscher haben in einem Artikel in Nature Geoscience dargelegt, wie die Förderung von natürlichem Wasserstoff in der Erdkruste gelingen könnte. Dabei ist die Grundlage ein chemischer Prozess: Eisenreiche Gesteine kommen mit Wasser in Berührung. Anschließend reagieren sie zu Eisenoxid.
Nach Ansicht der Forschenden ist es möglich, die chemische Reaktion in bekannten Gesteinsschichten aktiv in Gang zu bringen, um natürlichen Wasserstoff zu generieren. Dazu wäre es nötig, Wasser in den Untergrund zu bringen, das Gestein bzw. Eisen damit reagieren zu lassen und das Gas in weiteren Bohrungen rund um das erste Loch schließlich abzufangen. So könnte oranger Wasserstoff mit deutlich weniger Aufwand gewonnen werden.
Denkbar wäre obendrein, die entsprechenden, frei werdenden Lagerstätten des Gases im Untergrund zur Speicherung von Kohlendioxid zu nutzen. Man würde also das tun, was CarbFix beispielsweise auf Island macht – auch dort macht man sich bei der Injizierung von CO2 und Wasser die chemische Reaktion der Versteinerung zunutze.
Schätzungen besagen, dass 20 Millionen Tonnen des natürlichen Wasserstoffs pro Jahr in die Atmosphäre gehen.
Natürlicher Wasserstoff: Wie nah ist der Traum?
Die Forschenden stehen ganz am Anfang ihrer Überlegungen und Analysen. Die Herausforderung besteht darin, erdnahe Gesteinsschichten zu finden, die entsprechende Reaktionen auslösen können. Denn dort, wo der natürliche Wasserstoff zumeist vorkommt, sind Vulkane meist nicht weit und muss mit hohen Temperaturen gerechnet werden.
CarbFix geht bei der Speicherung von Kohlendioxid etwa 1.500 Meter in die Tiefe. Findet man auf dieser Höhe geeignete Steinsschichten, kann es durchaus etwas werden mit oranger Wasserstoff aus der Tiefe. Ob diese vage Hoffnung aber zur Mangelbeseitigung bei grünem Wasserstoff beitragen wird, ist unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist, dass auf Wasserstoff aus Atomkraft gesetzt wird.
Auch wenn es die Forschenden mit ihrer Überschrift suggerieren wollen: Nein, Orange ist Stand heute nicht das neue Grün… und die Stahlbranche muss auch weiterhin ohne orangen Wasserstoff auskommen.
Goldener Wasserstoff aus Spanien?
In Spanien und Polen gibt es sogar unternehmerische Pläne, natürlichen Wasserstoff zu fördern. Das Projekt Helios Aragaon, hinter dem ein Unternehmen aus Singapur steckt, hat hier Probebohrungen absolviert und neben Wasserstoff auch Helium gefunden.
Noch bis 2026 darf das Unternehmen entsprechende Bohrungen in Spanien durchführen. Ob es zu einem echten kommerziellen Projekt kommt, steht derzeit aber in den Sternen. Problem ist, dass Spanien die Förderung fossiler Ressourcen verboten hat – und Wasserstoff genau zu diesen Ressourcen zählt.
Doch neben den Projekten in Spanien arbeitet Helios Aragon auch an Maßnahmen in Polen. Dort wurde Ende 2022 eine Tochter gegründet.
Wie groß das Potenzial der Förderung von weißem Wasserstoff in Spanien ist, zeigen die Zahlen, die CEO Ian Munro gegenüber Tagesspiegel Background verkündet hat: Im sogenannten Monzon-Feld liegt das Volumen bei 1,1 Millionen Tonnen. Würde eine Produktionsmenge von 50.000 Tonnen pro Jahr über eine Dauer von 20 Jahren bedeuten – aber allein die spanische Industrie benötigt 500.000 Tonnen Wasserstoff, der heute hauptsächlich aus Erdgas gewonnen wird.
Entscheidender Treiber für den Versuch der Gewinnung von natürlichem Wasserstoff sind die Kosten: Diese liegen nach heutigen Schätzungen weit unter denen von klassisch hergestelltem Wasserstoff. Ob aber goldener oder oranger Wasserstoff wirklich marktfähig wird, müssen die kommenden Jahre zeigen. Fraunhofer-Forscher sind am Projekt HyAfrica beteiligt, um die dortigen Potenziale zu identifizieren.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.