Analyse von Energy Brainpool zeigt: Entschädigungen für LEAG sind nicht zu rechtfertigen – ostdeutsche Kraftwerke ab 2024 im Minus.
Die Aussagen der Wissenschaft zum Kohleausstieg Deutschlands sind eindeutig: Gelingt das Vorhaben nicht bis 2030, ist das gesetzte Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 nicht zu schaffen. Trotzdem wollen die Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU) weiter bis 2038 Kohle verstromen. Laschet sieht in NRW eine Chance, schneller auszusteigen – problematisch sind aber die Reviere in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Jetzt zeigt eine Untersuchung von Energy Brainpool: Geht der Ausbau der Erneuerbaren voran, und steigt der CO2-Preis weiter, wird ostdeutsche Braunkohleverstormung innerhalb weniger Jahre unwirtschaftlich.
Die Analyse von Energy Brainpool im Auftrag von Green Planet Energy (früher Greenpeace Energy) ist keine völlige Überraschung. Interessant ist aber: Eine vorgezogene Abschaltung der Blöcke im Rahmen eines schnelleren als im Kohleauasstiegsgesetz verhandelten Kohleausstiegs, würde für den Betreiberkonzern LEAG kein finanziellen Nachteile bedeuten. Oft werden etwaige Entschädigungszahlungen als ein Grund dafür angeführt, am Enddatum 2038 festhalten zu müssen.
„Die geplanten staatlichen Entschädigungen für die LEAG sind wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen, sondern wurden politisch ausgekungelt“, sagt Sönke Tangermann, Vorstand bei Green Planet Energy. „Der Bund muss, wenn er den Klimaschutz ernst nimmt, vom Betreiber angesichts der immer dramatischeren Klimakrise jetzt ein früheres Abschaltdatum einfordern.“
Derzeit sieht der Ausstiegsfahrplan der Bundesregierung vor, dass Block R im Braunkohlemeiler Lippendorf Ende 2035 abgeschaltet wird, die LEAG-Kraftwerke Schwarze Pumpe und Boxberg (Blöcke R und Q) sollen sogar erst Ende 2038 vom Netz gehen. Die LEAG soll als Kompensation für diesen langgestreckten Kohleausstieg rund 1,75 Milliarden Euro aus Steuergeldern erhalten. Nun zeigt sich aber: Steigt der Preis für CO2-Verschmutzungsrechte – die für die Kohlebetreiber Teil der Betriebskosten sind – bis 2038 weiter auf ein realistisches Niveau von 105 Euro, so rutschen die drei ostdeutschen Kraftwerke schon ab dem Jahr 2024 ins Minus. Sie können ihren Kohlestrom danach nicht mehr gewinnbringend anbieten. „In diesem Fall liegt der voraussichtliche Nettobarwert der Kraftwerke im Jahr 2030 bei null Euro“, sagt Analyst Michael Claußner.
Energy Brainpool hat für die Berechnung die Strommarkt-Erlöse und Betriebskosten der Kraftwerke stundenscharf modelliert. Dabei wurden neben dem wahrscheinlichsten Szenario steigender CO2-Kosten, fortschreitender Energiewende und strengerer Klimapolitik auch zwei Alternativ-Szenarien berechnet, die zeigen: Die ostdeutschen Braunkohle-Kraftwerke würden nur dann auch über 2030 hinaus wirtschaftlich bleiben, wenn der CO2-Preis langfristig auf Niveau der letzten Jahre stagnieren oder der Zubau erneuerbarer Energien in den nächsten Jahren einbrechen sollte.
„Das heißt: Eine zaudernde Klimapolitik würde einzig und allein den Kohlekonzernen nützen – das können wir uns als Gesellschaft aber nicht mehr leisten“, kritisiert Sönke Tangermann. Stattdessen fordert Green Planet Energy wenige Tage vor der Bundestagswahl: Die nächste Regierung muss den Kohleausstieg deutlich beschleunigen. „Spätestens 2030 muss Schluss sein, ohne Ausnahme“, fordert Tangermann, „sonst kann Deutschland seine Klimaziele nicht mehr retten.“
Wie groß der Handlungsdruck ist, zeigt eine gemeinsame Untersuchung von Energy Brainpool und dem Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS): Danach verursacht allein das LEAG-Kraftwerk Lippendorf drei Prozent des gesamten Treibhausgas-Restbudgets, das Deutschland im Rahmen der Paris-Ziele noch zur Verfügung steht. Bis zum geplanten Abschaltjahr 2035 würde der Meiler noch 134 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen. Der allein daraus entstehende Klimaschaden – etwa für Extremwetterschäden oder Ernteausfälle – würde für die Gesellschaft Folgekosten in Höhe von mehr als 28 Milliarden Euro nach sich ziehen, so das FÖS.
Zusammenfassung der Analyse von Energy Brainpool
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.