Das Ziel ist klar: Autarkie für Einfamilienhäuser und sogar Mehrfamilienhäuser. Die Zutaten sind Photovoltaik auf dem Dach und das Kompaktgerät Picea von Home Power Solutions. Dieses kombiniert eine Brennstoffzelle und einen Elektrolyseur sowie einen Wasserstoffspeicher und eine Batterie miteinander. Verbunden wird das System mit der Photovoltaikanlage und einem Warmwasserspeicher. So will das Berliner Cleantech-Startup Home Power Solutions frischen Wind auf den Markt für Neubau und Sanierung von Gebäuden mit hohem Autarkieanteil bringen.
Der Verkauf von Photovoltaikanlagen findet heute überwiegend in Kombination mit einem Batteriespeicher statt. Damit kann ein gewöhnlicher Haushalt seinen Autarkiegrad von 35 Prozent ohne Speicher auf 70 Prozent mit Speicher verdoppeln.
Die letzten 30 Prozent Autarkie sind schwierig oder teuer zu erreichen: Die Überdimensionierung der Photovoltaikanlage im Sommer müsste zusätzlich angehoben und insbesondere die Speicherkapazitäten stark von den üblichen sieben oder zehn Kilowattstunden abweichen. Wirtschaftlich erschwinglich ist das nicht – das Netz als Notspeicher im Winter ist günstiger. Allerdings liefert dieses während der Wintermonate überwiegend Kohlestrom.
Wer das nicht möchte, sollte sich einmal mit dem System von Picea befassen. Am 16. Februar 2018 gab das Cleantech-Unternehmen aus Berlin, das u.a. von einem ehemaligen Heliocentris-Manager geführt und im Aufsichtsrat vom langjährigen EnBW-Chef Hans-Peter Villis unterstützt wird, bekannt, dass es bereits mehr als 800 Anfragen für diese Art der Energiezentrale gebe.
Das Paket kostet – zumindest in der Startphase – „ab 54.000“ Euro – angesichts der integrierten Komponenten ein ordentlicher Preis. Damit ist der elektrische Energiebedarf im Haus allerdings gedeckt – zusätzlich notwendig sind allerdings eine Photovoltaikanlage, zusätzliche Wasserstoffspeicher, eine klein dimensionierte Heizung und ein Warmwasserspeicher.
So funktioniert Picea im Sommer
Die Abbildung zeigt, wie das Picea-System im Sommer am Tag arbeitet. Es nutzt die erzeugte Sonnenenergie direkt im Haus oder speichert sie in der Batterie. Per Elektrolyse wird Wasserstoff erzeugt, der für die Wintermonate zwischengespeichert wird. Kern ist also zweierlei: Es gibt einen Kurzzeitspeicher, nämlich die Batterie. Und der Wasserstoff dient saisonübergreifend als Reserve für den Winter. Damit soll den Herstellerangaben zufolge „100 Mal mehr“ Speicher-Kapazität vorhanden sein als nur mit einem Stromspeicher (Alles über Stromspeicher hier).
In der Nacht im Sommer ist die Situation recht einfach: Aus der Batterie soll der Strombedarf des Hauses weitgehend gedeckt werden.
Was macht Picea im Winter?
In den Wintermonaten spielt die Brennstoffzelle eine größere Rolle, denn die Kraft-Wärme-Kopplung dient dann dazu, die Winterlücke der Photovoltaik zu schließen. Kohlestrom wird nicht mehr benötigt.
Aus dem Wasserstoff-Saisonspeicher wird also das Gas entnommen, um mit der Brennstoffzelle Strom und Wärme zu produzieren. Der Strom wird, zusammen mit der elektrischen Energie der Photovoltaikanlage entweder direkt verbraucht oder aber in der Batterie zwischengespeichert. Die Abwärme der Brennstoffzelle wird in den Hauskreislauf zurückgeführt und hilft bei der Warmwasserbereitung. Dabei ist zu beachten: Ein gewöhnliches Heizungssystem ist dennoch nötig – die Brennstoffzelle wird also nicht wärmegeführt betrieben.
Cleanthinking-Einschätzung
Picea ist durchaus eine interessante Option, weil es sich um ein Kompaktgerät handelt, das viele Bedürfnisse eines Hausbesitzers deckt. So dient es beispielsweise auch als Lüftungsanlage, soll weitgehend wartungsarm sein und die unterschiedlichen Modi sollen vollautomatisch funktionieren. Allerdings ist der Aufwand, um letztlich stromautark zu werden doch ziemlich groß. Das System integriert eine stromerzeugende Heizung mit der Brennstoffzelle, deren Wärmeerzeugung ersetzt aber keine gewöhnliche Heizung. Damit ist aus Sicht der Sektorkopplung nur ein geringer Nutzen vorhanden.
Das System von Home Power Solutions soll ab sofort bestellbar und ab viertem Quartal lieferbar sein. In einem Jahr werden wir noch einmal schauen, inwieweit ein wirtschaftliche Betrieb bei Referenzen möglich geworden ist.
Update: Was kostet ein Picea-System?
Zwischen Februar 2018 und Juli 2020 ist bei Home Power Solutions in Berlin eine Menge passiert. So hat das Cleantech-Unternehmen eine Finanzierungsrunde in Höhe von insgesamt 12,5 Millionen Euro abgeschlossen und die eigene Fertigung erweitert. Als Partner für die Brennstoffzelle, die im Picea-System verbaut ist, wurde der kanadische Anbieter Ballard benannt. Die Zollner Elektronik AG soll die Großserienproduktion des Systems übernehmen. Mit der GASAG hat HPS einen Vertriebspartner gewonnen.
Der Youtuber Andreas Haehnel erhielt als einer der ersten Journalisten in Deutschland Einblick in die Produktion von Home Power Solutions in Adlershof. Das Video zeigt die Philosophie des Unternehmens, bei der penibel auf hohe Kundenzufriedenheit und Qualität geachtet wird.
Die Frage zum Preis vom Picea-System ist allerdings nach wie vor nicht so leicht zu beantworten: HPS nennt mittlerweile eine Größenordnung von 60.000 bis 90.000 Euro für die zentralen Komponenten. Der Einführungspreis von „ab 54.000 Euro“ ist damit eher unrealistisch. Aber, so zeigt sich auch in den Aussagen des Unternehmens: HPS weiß, dass es zu den momentanen Kosten nur zwei Prozent der Hausbesitzer erreichen kann.
Man sucht also gezielt Energie-Pioniere, die wirklich hinter dem Gedanken stehen, sich zumindest vollkommen stromautark, je nach Haus auch energieautark versorgen zu können. Vorreiter, bei denen Geld eine geringere Rolle spielt als der Wunsch nach Energieunabhängigkeit.
Zu einem ganz ähnlichen Fazit kommt auch die Fachzeitschrift Moderne Gebäudetechnik: „Picea dürfte derzeit erst für wenige Hausbesitzer von Interesse sein. HPS legt mit Picea ein schlüssiges Konzept vor, dem künftig durchaus breiterer Erfolg beschieden sein könnte.“
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.